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70 Millionen Startkapital von Google – kann UnitedMasters die Label-Landschaft umkrempeln?

Mitte des Monats hat Steve Stoute, der ehemalige Präsident von „Interscope Records“, über den Branchendienst „Techcrunch“ die Gründung von „UnitedMasters“ bekanntgegeben. Einem Online-Dienst, unter der finanzstarken Schirmherrschaft des Online-Giganten „Alphabet“ (Google), der keine geringere Absicht hat, als die klassische Label-Arbeit zu revolutionieren.

(Bild: Shutterstock, Credits: Kues)
(Bild: Shutterstock, Credits: Kues)


Die grundsätzliche Überlegung dahinter: In früheren Zeiten halfen Labels – also Plattenfirmen – den Künstlern dabei, physische Tonträger zu produzieren, um damit Fans und in letzter Instanz Geld zu generieren. Heute hätten Musiker aber alle Möglichkeiten, sich selbst aufzunehmen und niemand „kaufe“ mehr Tonträger, sondern nutze die Musik online. Zur Vermarktung brauche es also viel mehr eine Mischung aus Werbeagentur und Technologiefirma, die den Weg der Musik im Internet präzise nachvollziehen kann, als eine klassische Plattenfirma. Eine Argumentation, der man sich sicherlich nicht entziehen kann.
Nun hat sich Steve Stoute also mal eben 70 Millionen Dollar bei „Alphabet“ und einigen anderen potenten Venture-Capital-Firmen geholt, um seine Distributions- und Verwertungs-Alternative „United Masters“ aus der Taufe zu heben. Refinanzieren soll sich die Sache dann durch eine – sehr kleine – Grundgebühr und eine Beteiligung an Streaming-Einnahmen. Etwa von Spotify, YouTube oder SoundCloud. Die Rechte an der Musik verbleiben – anders als bei vielen Labels – beim Künstler.
Revanchieren will sich „UnitedMasters“, indem es die Musik der Künstler digital vertreibt, und ihnen eine umfassende Datenanalyse zur Verfügung stellt, mit der sie noch besser ihre Hörer und deren Hörgewohnheiten nachvollziehen und entsprechend ihre Ticket-, Werbung- und Merchandising-Angebote optimieren können sollen.
Stoute sagt dazu: „Betrachten sie die Musik ähnlich wie den Spielemarkt. Man monetarisiert das Spiel bei den Spielern, die es am meisten spielen. Ich möchte diese Theorie und Denke in die Musik bringen“.
Mit im Management sitzt Ben Horowitz, selbst ein leidenschaftlicher Hip-Hop-Fan, der sich folgendermaßen äußert: „Stellen sie sich eine Plattform vor, wo Musiker wirklich ohne die Abhängigkeiten des alten Modells agieren und ihre Einkünfte zudem noch verzehnfachen können. Es wäre eine neue Nähe zwischen den Künstlern und ihren Fans und sie würden wirklich unabhängig (Independent)“.
Wo die Reise hingehen soll und kann, zeigt sich bereits in der Personalpolitik von UnitedMasters, denn dem derzeit 40-köpfigen Team gehören neben Designern und Technikern auch ehemalige Facebook- und Dropbox-Mitarbeiter an. UnitedMasters verspricht entsprechend eine minutiöse Kontrolle und Auswertung des Hörerverhaltens: Der einzelne Fan soll entdeckt und zielgerichtet mit Werbung seines Künstlers versorgt werden.
Stoute bemängelt, dass Labels heutzutage oft 360-Grad-Deals, also komplette Verwertungs-Pakete, mit ihren Künstlern machen, die Auszahlungen dann aber deckeln und sich von ihrer Seite nicht in fairer Weise an den 360-Grad-Deal halten.

Kommentar

Man merkt den Äußerungen von Stoute und Horowitz an, dass sie durchaus eine aufregende Vision haben – auch wenn sie diese mit der typisch US-amerikanischen „think big“ Attitüde und einer gewissen Sorglosigkeit in Bezug auf die Verquickung von Werbung und Kunst zu verkaufen suchen. In Kernpunkten, dass nämlich viele Künstler heutzutage ohnehin Einzelunternehmungen sind und der Kontakt zu Fans nicht selten unmittelbar und direkt ist, haben sie fraglos recht.
Auch in der Analyse, dass nicht mehr der Verkauf physischer Tonträger, sondern die Nutzung der Musik, zusammen mit Werbeartikeln und Konzerttickets, die größte Einnahmequelle für Musiker ist, ist durchaus zutreffend. Kurz: Warum soll das Label dann noch die Rechte an der Musik bekommen, wenn der Künstler ohnehin (fast) alles selber macht (und machen kann). Gleichzeitig ist pauschale Label-Bashing natürlich ebenfalls grundfalsch.
Die Kernkompetenz von Plattenfirmen, nämlich einen Künstler zu finden, aufzubauen, musikalisch zu coachen und dann mit einer – oftmals nicht geringen finanziellen Vorleistung – auf allen Kanälen auf den Markt zu bringen und ihm dabei noch den bürokratischen Overhead vom Leib zu halten, ist schon ein beträchtlicher Aufwand. Dass die Zusammenarbeit mit einem Label oft auch zur Erweiterung des persönlichen Netzwerks und der regionalen Kontakte und Auftrittsmöglichkeiten beiträgt, will ich hier nicht unerwähnt lassen. Ob die Leistung von einigen klugen Skripten und einer mächtigen Datenbank erbracht werden kann, bleibt abzuwarten.
Wir werden auf jeden Fall einen Test-Account bei UnitedMasters anlegen, das Angebot in Ruhe durchtesten und euch davon berichten, ob und wenn ja, für wen sich das lohnt. Vielversprechend klingt es jedenfalls.
Zum Techcrunch-Artikel hier entlang.

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(Bild: Shutterstock, Credits: Kues)

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von Numinos

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Profilbild von Jan Borowski

Jan Borowski sagt:

#1 - 29.11.2017 um 12:21 Uhr

0

Gibt es doch genauso schon von Universal mit Spinnup.com. Und die wollen nicht mal Anteile an den Streaming Einnahmen. Das Konzept macht Sinn wenn man sich den Markt anschaut. Aber ich denke die "klassische" Labellandschaft wird schon schauen dass sie nicht von solchen Anbieter verdrängt wird. Zumindest die nächsten Jahre wird es parallel existieren.

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