Ach ja, das waren noch Zeiten, als große Plattenfirmen sechsstellige Beträge für Videos und Produktionen locker gemacht haben. Seit Jahres werden Budgets im Musikbusiness jedoch immer kleiner. War man früher von der Gunst eines A&Rs abhängig, um Musikproduktionen überhaupt ansatzweise bezahlen zu können, hat sich dieser Umstand mit dem Internet klar demokratisiert: Dank Crowdfunding.
Was ist Crowdfunding?
Mit einem Crowdfunding stellt man einer “Crowd”, also einer breiten Masse, ein Projekt oder eine Idee vor – das kann auch eine Firmengründung oder der Launch eines Produkts sein – und lässt sich eine bestimmte Zielsumme gegen Goodies oder “Dankeschöns” (diese sind üblich, aber nicht verpflichtend) vorfinanzieren. Wird das Ziel nicht erreicht, erhält jeder Crowdfunder sein Geld zurück. Es ist quasi der Labelvorschuss ohne fiese Bedingungen.
War Crowdfunding vor einigen Jahren noch mit einem kleinen Gefühl von “Bettelei” behaftet, nutzen auch immer mehr etablierte Künstler/innen diese Form der Finanzierung. Meiner Ansicht nach kann man schon sagen, dass Crowdfunding als eine legitime Form der Finanzierung im Musikbereich angekommen ist.
Eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich aufzusetzen und zum Ziel zu führen, ist aber gar nicht so einfach. So eine Kampagne muss gut geplant und durchdacht werden, damit man sich mit den Dankeschöns nicht verzettelt, verkalkuliert und am Ende doch auf einmal Geld fehlt – oder die Kampagne im schlimmsten Fall sogar fehlschlägt.
Tipps für eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne, haben wir hier für euch zusammengetragen.
8 Tipps für ein erfolgreiches Crowdfunding
1) Basisarbeit
Bevor du dich überhaupt an ein Crowdfunding machst, solltest du alle vorangegangen Hausaufgaben unbedingt erledigt haben. Mach dir klar, was genau du realisieren willst. Du brauchst eine klare Vision deiner Ziele und Pläne. Dazu gehört auch ein sicherer Finanzplan, mit dem du im Voraus kalkulieren kannst. Überlege dir, welches Funding-Ziel du erreichen musst, um deine Pläne umzusetzen. Gleichzeitig sollte das Ziel natürlich nicht übermäßig hoch angesetzt werden, da das beim Crowdfunding schwieriger zu erreichen ist. Mehr dazu liest du in Punkt 3.
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2) Die Crowd
Eine “Crowd”. Im Wort steckt schon, worum es beim Crowdfunding geht. Die meisten Crowdfundings im Musikbereich werden durch die Fangemeinschaft der jeweiligen Künstler/innen zum Ziel geführt. Nur wenige Leute kommen “zufällig” am Projekt vorbei und kaufen sich etwas. Das bedeutet, dass du dich immer um Fan- und Kontaktpflege bemühen solltest und dir am besten überlegen solltest, wie du deine Crowd erreichen kannst. Da Facebook, Instagram & Co. mit Algorithmen arbeiten, die deine Posts einigen Usern teilweise nicht ausliefern, ist es ratsam so viele Direktkontakte wie möglich zu haben – oder du setzt auf gesponserte Posts, sodass zum Beispiel deine Instagram-Werbung für dein Projekt sinnvoll platziert werden kann. Pflegst du einen Newsletter? Hast du direkte Adressen? Wie hoch ist die Interaktion auf deiner Facebook-/Instagram-Seite? All das sind Dinge, die du in den Monaten/Wochen VOR einem Crowdfunding beobachten und beurteilen solltest. Wenn ein Crowdfunding für dich noch nicht relevant ist, ist JETZT vielleicht der beste Zeitpunkt, um bei deinen nächsten Konzerten eine Newsletter-Liste auszulegen und mit dem Adressensammeln loszulegen.
3) Zielsumme
Wie im ersten Tipp schon angesprochen, kannst du eine individuelle Zielsumme für dein Projekt festlegen. Überlege dir, wie viel Geld du im Minimum benötigst, um dein Ziel zu erreichen und welche Summe dir darüber hinaus ein Bonus wäre, mit dem du weitere Ziele erreichen kannst.
Der Musiker Fayzen hat bei seinem Crowdfunding 10.000 Euro als Zielsumme festgelegt und am Ende über 37.000 Euro bekommen – es kann also auch durchaus eine höhere Summe herausspringen. Fayzen ist aber auch etabliert, hat eine treue Gefolgschaft und war eine Zeit lang major-gesigned.
Eine fixe Faustformel an der man sich orientieren könnte, gibt es leider nicht. Startnext empfielt als Berechnungsgröße zum Beispiel folgendes: Für je 1 Euro Fundingsumme brauchst du ca. 1 Klick auf deine Projektseite. Trotzdem ist von vielen Faktoren abhängig und kann je nach Genre, Zielgruppe und persönlichen Kontakten variieren, mit wie viel Geld eine Person im Durchschnitt unterstützt. Generell kann man jedoch sagen: Je mehr Leute zu kennst und erreichen kannst, desto besser.
Darüber hinaus sollte dein Finanzplan klar sein und du deine Produktion realistisch geplant haben. Aus der Kombi Fangemeinde, direkte Kontakte und Projektkosten sollte sich eine Zielsumme für dich herleiten lassen. Wenn du dir unsicher bist, hilft es, sich mit anderen Bands auszutauschen, die bereits ein Crowdfunding hinter sich haben.
Wichtig: Denke daran, dass die meisten Crowdfunding-Plattformen eine prozentuale Gebühr vom Gesamterlös nehmen. Genauso müssen viele Dankeschöns verschickt werden (Achtung Portokosten!) und das eingenommene Geld muss versteuert werden. Diese Posten sind unbedingt zu berücksichtigen! Viele Plattformen geben auf ihren Webseiten eine gute Übersicht, ansonsten kann auch die Beratung durch eine/n Steuerberater/in durchaus hilfreich sein.
Bei den Crowdfunding-Kampagnen kannst du in der Regel Etappenziele setzen. Während das erste Funding-Ziel für die erfolgreiche Umsetzung deines Projekts unbedingt erreicht werden muss, können ein zweites oder drittes Ziel quasi als Sahnehäubchen gelten und zur Verwirklichung weiterer Vorhaben dienen. Wird das erste Ziel nach Ablauf des Kampagnen-Zeitraums nicht erreicht, geht das bisher gesammelte Geld zurück an die einzelnen Spender/innen. Viele Musiker setzen weitere Ziele für Videodrehs oder weitere Promo-Maßnahmen. Wichtig: Sei so genau wie möglich und erkläre, wofür du das Geld brauchst. Haben die Leute das Gefühl, dass deine Kampagne nicht vertrauenserweckend ist, werden sie kein Geld bei dir lassen.
4) Deine Idee auf den Punkt bringen
Eines der wichtigsten Tools, um Leute von deinem Projekt zu überzeugen, ist das sogenannte Pitch-Video, das auf der Plattform eingebettet wird. Darin erklärst du, wer du bist, was du realisieren möchtest und warum die Leute dir helfen sollten. Mittlerweile kann man mit einfachsten Apps sehr gute und hochwertige Videos herstellen, sodass ein ansprechendes Video für jeden und jede machbar geworden ist.
Es ist dringend davon abzuraten, das Video einfach “irgendwie” zu machen. Du willst das Geld von den Leuten! Dafür solltest du dir Mühe geben und versuchen, sie zu überzeugen. Sell your idea!
Tipp: Solltest du bereits professionelles Videomaterial haben, macht es Sinn, das an einigen Stellen einzubinden. Ebenso sollten die Leute natürlich auch ein bisschen von deiner Musik hören können.
Positive Beispiele:
FEE. | Crowdfunding 2020
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Mehr InformationenAber auch dieses Video ist mit relativ einfachen Mitteln sehr ansprechend und unterhaltsam gestaltet worden:
FHEELS – Crowdfunding – FHEELFALT –
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Mehr Informationen Auch die Texte in der Kampagne sollten wohlüberlegt sein. Geht daraus gut hervor, was du vor hast und warum? Bekommen die Leute einen Eindruck, wer du als Künstler/in bist? Sind die Texte ansprechend formuliert?
Lasse jemanden im Vorfeld über deine Texte schauen, die/der sie auf Verständlichkeit, Wirkung und Länge prüft. Für gute Texte gilt: So kurz wie möglich, so lang wie nötig. Klar werden sollte darin immer, warum du eine gute Investition bist und welchen Eindruck du als Künstler/in vermitteln möchtest.
Die Plattform Startnext zum Beispiel kuratiert neue Crowdfundings, schaut sich die Kampagne vor der Veröffentlichung an und gibt Tipps für Verbesserungen.
Hat deine Kampagne innerhalb der ersten 48 Stunden viel Zulauf, stehen die Chancen gut, dass sie auf der Startseite gezeigt wird. Überhaupt featured Startnext gerne Kampagnen, die mit Liebe erstellt wurden.
5) Die Wahl der Dankeschöns – Realistisch, aber nicht von der Stange
Natürlich gehört in ein Crowdfunding für eine Musikproduktion auch, dass die User sich das Album in physischer oder digitaler Form kaufen können. Das ist quasi die Gegenleistung für ihre Spende. Darüber hinaus gibt es aber weitaus kreativere Möglichkeiten als Schlüsselanhänger. Bei einem Crowdfunding dabei zu sein, ist ein großer Vertrauensvorschuss, den du dir von deinen Leuten erhoffst. Damit sie dir auch das Vertrauen gerne schenken, kannst du sie mit kreativen Dankeschöns ködern. Neben den üblichen Merch-Artikeln kannst du überlegen, was zu dir als Künstler/in und deinen Fans passt. Dazu gehören auch selbstgemachte Sachen (oft angeboten: handgeschriebene Lyrics), Wohnzimmerkonzerte, Studiobesuche während der Recordings oder vielleicht sogar Instrumente, die du eh verkaufen wolltest. Um sich Anregungen zu holen und in die Gedankenwelt einzutauchen, kann man ruhig auf anderen Projektseiten stöbern.
Bei der Auswahl der Dankeschöns ist jedoch auch Vorsicht geboten, denn je mehr verschiedene Gegenleistungen du anbietest, desto höhere Kosten hast du auch. Wer erst einmal eine Welle Shirts für viel Geld vorproduzieren muss, und nicht alle los wird, hat am Ende weniger von seinem Crowdfunding. Und auch viele handgemachte Accessoires kosten in der Herstellung zumindest Zeit. Plane realistisch und nenne realistische Lieferzeiträume. So ist am Ende auch keiner böse, wenn es vielleicht etwas länger dauert und nicht alle Basteleien pünktlich zum Release verschickt sind.
Wichtig ist auch, unterschiedliche Preisstufen bei den Dankeschöns anbieten zu können, denn auch kleine Beträge zählen und werden vielleicht eher gespendet. Von kleinen Aufmerksamkeiten für etwa 10 Euro über mittlere Goodies im Wert von 20 bis 50 Euro bis hin zu hohen Spendenbeträgen, für die du dich mit Wohnzimmerkonzerten bedankst – biete möglichst für jeden etwas an. Du kannst zudem noch weitere Dankeschöns hinzufügen, während die Kampagne bereits läuft. Das kannst du auch wunderbar in deine Kommunikation einfließen lassen, indem du in Social Media deine (neuen) Dankeschöns präsentierst.
6) Kommunikation & Planung
Wenn du deine Crowdfunding-Kampagne online stellst, geht die Arbeit erst wirklich los. Was?! Ja! Die Kampagne zu erstellen, einmal zu posten und abzuwarten, wird nicht reichen, um sie zum Ziel zu führen.
Nun beginnt die Zeit, in der du deine Crowd erreichen musst, damit sie von deinem Anliegen erfahren.
Mache dir für die Zeit der Kampagne einen Kommunikationsplan:
- Wen sprichst du wie an?
- Wie kannst du Social Media für die Kampagne einbinden, ohne, dass du einfach ständig deinen Link teilst?
- Wen kannst du direkt erreichen?
- Kannst du lokale Medien (Radio, Lokalpresse) dazu bringen, von dir zu berichten?
- Überlege dir kleine Specials wiez. B. Mini-Konzerte, wo du Flyer verteilen kannst.
- Welche Leute könnten deine Kampagne in ihren Netzwerken teilen und wie überzeugst du sie davon?
- Kannst du die Leute schon während deines Crowdfundings an deinem Projekt teilhaben lassen? Wie wäre es mit einem Vlog?
- Lass deine Fans aktiv am Prozess teilhaben: Such den Dialog, mach Umfragen zu deinem Artwork etc.. – deinen Fans gefällt das!
All das sind erste Ideen, die du für deine Kommunikation einbinden kannst. Es hilft übrigens total, die Kommunikation nicht als lästige Nebensächlichkeit zu sehen, sondern als Stärke. Für viele Bands ist ein erfolgreiches und gut geführtes Crowdfunding ein tolles Bindungs-Tool zu den Fans! Für die Fans ist es etwas Emotionales, eine Platte durch ihren Beitrag möglich zu machen und deine Dankbarkeit solltest du sie auch auf jeden Fall spüren lassen.
Seine Fans oder gar Fremde um Geld zu bitten, kostet Überwindung. Die Wahrheit aber ist: Auch, wenn man die Leute schon mal angeschrieben hat, vergessen viele, direkt sofort beim Crowdfunding mitzumachen. Es ist daher überhaupt nicht schlimm, die Leute mehrfach zu erreichen, es ist sogar notwendig, sie mehrfach konkret aufzufordern!
7) Laufzeit – Hauptsache lang?
Du kannst relativ individuell bestimmen, wie lange deine Kampagne laufen soll. Und es gibt keine wirkliche Pauschalregelung für die Laufzeit. -Die richtige Kommunikation ist auch für die Laufzeit ein wichtiger Punkt, denn während die Kampagne läuft, musst du das Interesse “am Leben erhalten”.
Viele Projekte entscheiden sich daher für vier bis sechs Wochen Laufzeit. In dieser Zeit hat man einen Moment, um seine Kontakte zu akquirieren, die Kampagne ist aber trotzdem nicht so lang, dass man über Monate hinweg einen Kommunikationsplan befolgen müsste. Manchen Projekten hilft eine lange Laufzeit aber auch, weil sie noch Zeit brauchen, sich in das Thema einzuarbeiten oder vielleicht auch neben ihren Jobs nicht so viel Zeit haben, sich um die Kampagne zu kümmern.
Natürlich kann man sein Projekt auch nur kurz laufen lassen, zum Beispiel für 14 Tage. In dieser Zeit sollte jedoch dein Fokus einzig auf dem Crowdfunding liegen, damit du alle Leute erreichst und auf deine Kampagne aufmerksam machen kannst. Das ist nur zu empfehlen, wenn du entweder eine sehr kleine Summe benötigst (wobei hier sich dann die Frage stellt, ob man das Geld nicht anders auftreiben könnte) oder du Crowdfunding-erfahren und sattelfest in deiner Kommunikation bist.
8) Zu guter letzt: Die Wahl der Plattform
Bis vor einigen Monaten gab es noch eine Plattform namens PledgeMusic, die sich vor allem auf Crowdfunding-Kampagnen im Musikbereich spezialisiert hat, aber leider Insolvenz anmelden musste. Nun gibt es international noch Indiegogo oder Kickstarter.
Für den deutschsprachigen Raum ist die Plattform Startnext derzeit am gängigsten. Startnext wurde 2010 gegründet und hat sich durch zahlreiche Musikkampagnen auch größerer Acts sehr etabliert. Da bei dem Thema Crowdfunding teilweise noch Skepsis herrscht, würde ich ehrlicherweise dazu raten, eine Plattform zu nehmen, mit der eure Fans am meisten anfangen können. Für deutsche Fans wirkt eine deutsche Plattform mit unterschiedlichen Bezahlmethoden sicher vertrauenswürdiger als eine amerikanische Website, die sie noch nie gesehen haben und bei der man nur mit Kreditkarte zahlen kann. Habt ihr vor allem US-Fans, kann das genau jedoch genau das Richtige sein.
Wir hoffen, die Tipps helfen euch bei eurer Crowdfunding-Kampagne. Wir wünschen euch viel Erfolg!