Sowohl als Musiker, die auf der Bühne stehen, wie auch als Live Engineer kennen wir wohl alle die Situationen, in denen beide Seiten dank ihrer unterschiedlichen Motivationen aneinandergeraten. Während des Soundchecks möchte der Gitarrist die gesamte Preset-Sammlung seines Floorboards checken und der Schlagzeuger unbeeindruckt vom Zeitplan im Monitoring jedes einzelne Tom auf optimalem Lautstärkeniveau wissen. Sänger trällern unbeeindruckt vom Arbeitsziel des Engineers ins Mikro und Bassisten stehen beim kurzfristigen Neuverlegen von Kabeln beharrlich im Weg, weil sie in ihr Instrument vertieft nochmal schnell den neusten Song ihrer Band proben.
Zwar gibt es für keine dieser Situationen eine Universallösung. Aber ein wenig Übersicht über die Problemstellungen und möglichen Lösungsansätze kann da schon hilfreich sein. Und am zeitsparendsten ist es selbstverständlich, wenn dann nicht lange diskutiert werden muss. Und genau an dieser Stelle kann ein kleines Repertoire knackiger Sprüche nicht schaden, mit denen sich der Engineer dem Musiker mitteilen kann und sogar verstanden wird. Denn in der Regel ist im laufenden Betrieb für Detailgespräche oder gar Grundsatzdiskussionen weder Zeit noch Energie vorhanden. Hier deshalb ein paar Vorschläge für Sprüche, mit denen ihr als Live Engineer auf die Bühnenbedürfnisse von Performern eingehen könnt …
“OK, dann los!”
Manchmal ist es hilfreich, sich nicht jede Anfrage aufzuschreiben, nachzufragen, zu diskutieren und argumentieren, sondern einfach kurz und schmerzlos nach dem Motto “nicht lang schnacken, Kopp in’ Nacken” vorzugehen. Der Sänger möchte generell mehr Hall? OK, dann los! Soll er ein paar Zeilen singen und Hall und Delay werden neu eingeregelt. Problem gelöst. Der Schlagzeuger möchte den Bass lauter in seinem In-Ear-Monitoring hören? OK, dann los! Sollen beide eine kurze Passage gemeinsam anspielen, die Basslautstärke im Monitoring wird nachgeregelt.
Und weiter. Hier gilt es für Tonverantwortliche Fingerspitzengefühl zu beweisen. Welche Anfrage ist schnell zu lösen? Welche zieht eher einen Rattenschwanz neuer Probleme nach sich? Laut dem Pareto-Prinzip lässt sich in den meisten Fällen 80% eines Arbeitsaufwands in 20% der Zeit lösen und umgekehrt. Insofern kann es eine gute Wahl sein, so manche Anfrage eines Performers an den Tontechniker kurz und schmerzlos anzugehen und dann abzuhaken.
“Machen wir noch”
Eine weitere gute Lösung für den Umgang mit den Bitten und Wünschen von Musikern und Performern ist das Gegenteil des sofortigen Umsetzens. Denn es ist manchmal nichts falsch daran, sich erst zu einem späteren Zeitpunkt um eine Aufgabe zu kümmern. Schließlich ist es nicht selten sinnvoller einen Arbeitsschritt mit einem anderen zusammenzulegen. Eine detaillierte Übersicht über den anstehenden Ablauf von Anlieferung, Aufbau, Soundcheck(s), Live-Betrieb, Abbau und Abtransport werden aber nur die Tonverantwortlichen selbst haben. Nur in ausgewählten Fällen weiß etwa eine Band bis ins Detail, was für einen Engineer alles erforderlich ist, wenn er bei einem Open Air für die gesamte Anlage und den Ablauf verantwortlich zeichnet.
Für dich ausgesucht
Deshalb ist es auch eine gute Idee, die Performer nicht im Dunklen darüber zu lassen, sondern ihnen zumindest für Aufbau, Soundcheck und Abbau grobe Anhaltspunkte zu geben. Dazu kann gehören, in welcher Reihenfolge die Instrumenten-Sounds gecheckt und vorgemixt werden, in welcher Reihenfolge Monitor- und Saalsound an die Reihe kommen und ähnliches. Dadurch verringert sich die Anzahl der Rückfragen und es lässt sich deutlich entspannter miteinander arbeiten. Und falls dann doch mal eine Bitte quer hineingeschossen wird, kann der Live Engineer mit “Machen wir noch” sein Ding durchziehen.
“Schreib’s auf, ich beschäftige mich später damit”
Wer jemals Dieter Hallervorden im Film “Didi, der Doppelgänger” gesehen hat, kennt die Sprüche mit denen Manager (angeblich) ihre Mitarbeiter vertrösten ohne selbst je auch nur einen Handschlag tun zu müssen. Eine Taktik, die dabei zum Einsatz kommt, ist die Lösung eines Problems auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Das hat verschieden Vorteile. Zum einen sind Probleme, die einem Musiker in einem Moment noch als super-wichtig erscheinen im nächsten Augenblick vielleicht schon wieder aus dem Sinn. So bleiben sie zwar ungelöst, sind aber schlichtweg nicht mehr von Bedeutung. Dann hat der Live Engineer sie ausgesessen. Oder aber sie werden tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal an ihn herangetragen. Dann ist es immer noch früh genug, sich um sie zu kümmern.
“Mein Kollege kümmert sich drum”
Gerade bei komplexeren Installationen können die Anforderungen an Tonverantwortliche immens anwachsen. Und nicht selten kann man den Musikern nicht einmal böse sein, wenn sie den Umfang des Verantwortungsbereichs eines Live Engineers bei ihren Wünschen vor und während eines Soundchecks oder Auftritts nicht sehen. Dann heißt es Ruhe bewahren und gegebenenfalls auch als Team vorbereitet sein.
Denn allein schon einen Kollegen als Stage Hand parat zu haben, kann jede Menge Zeit, Mühe, Wege und Nerven sparen. Wichtig ist nur, dass der FOH-Verantwortliche auch tatsächlich bereit ist, Aufgaben aus der Hand zu geben und sie jemandem anzuvertrauen.
Ist das der Fall, lassen sich kleinere Aufgaben wie das Positionieren, Verrücken und Ausrichten von Monitorlautsprechern, Drum-Mikrofonstativen & Co. auch delegieren. Mit den Worten “Mein Kollege kümmert sich drum” fühlt sich der Performer dennoch wahrgenommen, hat der FOH-Mann ein Problem unter dem Strich weniger und der Helfer einen Grund mehr, nach der Veranstaltung zufrieden und müde ins Bett zu fallen.
“Was genau möchtest Du?”
Auch dieser Spruch erinnert an ein Zitat aus dem schon erwähnten Hallervorden-Film. Da heißt es allerdings “Ich brauche mehr Details”. Und tatsächlich ist es manchmal eine gute Lösung, noch einmal nachzufragen, um dann als Engineer für den Veranstalter oder den Künstler ganz gezielt eine Lösung parat haben zu können. Denn abgesehen vom Teil- oder gar Totalausfall einer Beschallungsanlage ist kaum etwas schlimmer als dem Zeitplan eines Events permanent hinterherzulaufen. Wird ein Problem nicht genau genug beschrieben, bringt die anvisierte Lösung eventuell keine Besserung. Dann kommt dieselbe Anfrage ein zweites Mal, ein drittes Mal, ein viertes … ihr wisst schon. Die Lösung heißt in diesem Fall, ganz offen nachfragen, genau zuhören und dann gezielt vorgehen. Aber Vorsicht, denn die Frage “Was genau möchtest Du?” birgt auch die Gefahr, sich zu verzetteln und sich um Details zu kümmern, die eventuell wichtigeren Schritten im Wege stehen.
“Das regeln wir live”
Ja, ja, wer kennt ihn nicht, den guten alten “We can fix it in the mix”-Klassikerspruch … Damit ist nicht die Lösung eines Problems, sondern nur der Zeitpunkt der Umsetzung verschoben. Und tatsächlich lassen sich einige Sound-Probleme erst im laufenden Betrieb klären. Denn schließlich klingt eine Anlage in einem vollen Club mit Publikum anders als beim Soundcheck, bei dem nur eine Handvoll Leute durch die Gegend stromert.
Gerade wenn eine Band nicht mit ihrer eigenen PA auftritt, sondern über die Hausanlage eines Veranstaltungsorts spielt, treten manche Probleme erst auf, sobald die ersten Klänge durch die Kabel gejagt werden. Und auch wenn erfahrene Engineers an der Geometrie und Ausstattung eines Raums einiges abschätzen können, bleiben doch immer auch ungewisse Faktoren.
Wie ist das Bassverhalten im Raum, wenn dieser nur zur Hälfte mit Publikum gefüllt ist?
Wie ändert sich in einem kleinen Club der Saal-Sound, wenn sich eine Band bei einem Festival einen extra-lauten Monitor-Sound wünscht und die Lautstärke ihrer eigenen Verstärker im besten Spinal Tap-Style bis auf “11” aufdreht?
In solchen und ähnlichen Situationen heißt es loslassen und darauf vertrauen, einige Feinheiten später während des Gefechts regeln zu können.
“Puh, keine Ahnung …”
Auch der erfahrenste Live Engineer kann nicht alles wissen. Die beste Ausbildung und unzählige Jahre Erfahrung sind keine Garantie dafür, jedes Problem lösen zu können. Und ganz gleich, ob man schon einmal in einem bestimmten Venue für Sound gesorgt hat oder nicht, kann man doch nicht jedes Detail einer Location kennen. Deshalb ist es keine Schande auf eine Frage auch mal mit “Tut mir leid, davon habe ich keine Ahnung” zu antworten oder wenn der Engineer bei einem Wunsch, der an ihn herangetragen wird, sagt “Das kann ich nicht”.
Man darf auch mal gerne mit den Schultern zucken und ein “Das geht hier nicht” folgen lassen, wenn die Gegebenheiten vor Ort keinen weiteren Monitorkanal hergeben oder die Saalbeschallung partout keine Bässe bis 20 Hz hinab umsetzen kann. Gerade beim Aufbau und auch beim Soundcheck läuft allen Beteiligten ganz gerne mal die Zeit davon.
Deshalb kann es passend sein, wenn der Engineer in Sachen Organisation das Ruder in die Hand nimmt und die restlichen Schritte einer Gig-Vorbereitung auf das Nötigste beschränkt. Alles andere lässt sich dann mit dem Spruch “Dafür haben wir leider keine Zeit mehr” gut begründet abtun.
“Sorry, dass musst Du selbst in den Griff bekommen.”
Ja, auch das ist eine Möglichkeit. Es ist durchaus erlaubt, von Musikern, Sprechern, Moderatoren und anderen Performern Eigenverantwortung für dieses oder jenes einzufordern. Schließlich kann der FOH-Engineer ebenso wenig für alles Mögliche zuständig sein, wie der Monitormixer oder ein Stage Hand. Statt “Sorry, das musst Du selbst in den Griff bekommen” könnte hier auch stehen “Kinder lernen aus Konsequenzen” oder alternativ “Musiker lernen aus Konsequenzen”.
Denn ein Gitarrist, der sich mit seinem Floorboard nur unzureichend auseinandergesetzt hat und bei einem Gig so viel Hilfe vom Haustechniker benötigt, dass dieser den Gig eigentlich auch gleich selbst spielen könnte, wird beim nächsten Mal auf jeden Fall besser vorbereitet sein, wenn … ja wenn seine fehlende Vorarbeit eben auch Konsequenzen hat.
Was hier ein bisschen nach einer L***-mich-am-A***-Haltung klingt, kann also auch Erziehungsmaßnahme sein. Aber seien wir mal ehrlich: Eigentlich sollte dieser Spruch die allerletzte Wahl sein, wenn ein Musiker zu dreiste Ansprüche und den Live Engineer stellt und so etwas wie eine persönliche Einzelbetreuung einfordert. Für alle anderen Fälle gilt, durchatmen, Ruhe bewahren und eine der anderen acht hier vorgestellten Taktiken und Sprüche nutzen.
“Lass mal gut sein”
Falls auch der vorangehende Spruch nicht reichen sollte und der Musiker den Live Engineer weiterhin mit Fragen löchert, ihm Aufgaben aufträgt, Probleme wälzt oder gar um Details streitet, ist es Zeit die Reißleine zu ziehen. Denn bei aller Nachsicht und allem Entgegenkommen muss man als Tonveratwortlicher manchmal auch einfach ein dickes Fell haben und an sich abprallen lassen, was den eigenen Ablauf und Zeitplan zu sehr durcheinanderwürfelt.
Da nützt es nichts, dem detailverliebten Keyboarder jeden kleinsten Sound-Wunsch rechtzumachen oder für den perfekten Monitorsound des Schlagzeugers zu sorgen. Auch dem zweiten oder dritten Soundcheck des aus eigener Sicht besten Gitarristen der Welt muss ein FOH-ler nicht unbedingt nachgeben. Es ist nichts falsch daran gegenüber besonders hartnäckigen und unverschämten Zeitgenossen auch einfach mal die kalte Schulter zu zeigen und zu sagen “Lass mal gut sein”.