Bedienkonzept
Hier greift Access auf Altbewährtes zurück und überzeugt gleichzeitig mit sehr benutzerfreundlichen Neuerungen.
Links befindet sich das Display, das den aktuell ausgewählten Parameter darstellt, rechts sitzen zwei Achterreihen Taster, mit denen man die Sound-Bänke und Patches anwählt. Alle Taster sind doppelt belegt und rufen, bei gleichzeitigem Drücken der Taste “Edit/Shift”, die Parameter der Klangerzeugung oder des Betriebsystems auf. Im unteren Bereich sind sechs Dreh-Potis platziert: Drei „fest verdrahtete“, drei variable. Cutoff, Filter-Resonanz und Volume wurden je ein unveränderbarer Regler zugeteilt, die drei Potis unter dem Display sind so genannte “Softknobs”. Sie beziehen sich auf die jeweils dort dargestellten Parameter. Alles ist sehr übersichtlich gestaltet und funktioniert auf Anhieb. Soviel zum Altbewährten.
Der Blick ins Handbuch verrät, dass Access zwei grundsätzliche Betriebsarten anbietet, den Expert- und den Easy-Mode. Der Unterschied zwischen diesen beiden Modi besteht darin, dass im Easy-Mode nur die drei wichtigsten Parameter einer Sektion im Display dargestellt werden. Ruft man beispielsweise das Menu “Mod” auf, bietet das Display nur die Geschwindigkeiten der drei LFOs als veränderbare Parameter an. Im Menu “Common” kann man die Parameterauswahl des Easy-Modes jedoch an die eigenen Vorlieben anpassen. Im Expert-Mode gelangt man an alle weiteren Parameter, indem man auf den Unterseiten der Parameter-Menus herumblättert. So gibt es – um beim Beispiel zu bleiben – zu jedem LFO insgesamt 18 Parameter, wie Anwahl der Modulationsziele, Wellenform, usw. Kurz gesagt: Der Easy-Mode eignet sich zum Spielen des Synthies und für Anfänger, der Expert-Mode zum Programmieren seiner Klänge.
Die grundsätzliche Unterscheidung von polyphoner oder monophoner Spielart lässt sich über das Menu “Common” einstellen. Für Arpeggiator- oder Sequenzing-Anwendungen macht es oft Sinn, “monophon” zu wählen. So können sehr einfach Klangüberlappungen vermieden werden. Außerdem schont diese Spielart den Prozessor.
Das Gerät unterscheidet zwischen drei Betriebsmodi: Im Single-Mode spielt der Snow nur einen Sound. Der Multi-Mode ermöglicht das Layern von max. vier Klängen pro Taste (4-facher Multi-Mode) und kann bei polyphonem Spiel bis zu 50 Stimmen erreichen. Der Sequenzer-Mode arbeitet ähnlich wie der Multi-Mode, jedoch mit vier verschiedenen MIDI-Kanälen.
Im Vergleich zum Konkurrenten Waldorf Blofeld ist der 4-fache Multi-Mode des Snows wenig, der Blofeld ist immerhin 16-fach multitimbral. Dafür geht der Snow beim Vergleich der maximalen Stimmenzahl als klarer Sieger hervor. Aber auch mit einem 4-fachen Multi-Mode kann man sehr komplexe Klänge erstellen – und man will ja auch nicht nur einen Synthie einsetzen, oder? Nun aber Schluss mit den Vergleichen.
Problematischer finde ich beim Snow, dass der Prozessor im Multi-Mode und bei Anwendung des 8fachen Unison (Stimmen-Verdoppelung) schon mal an seine Grenzen stoßen kann. Vermeiden lassen sich Überlastungen, wenn man die Prozessorauslastungs-Anzeige im Display im Blick behält.
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Speicher
Dem Snow stehen 512 Patch- und 64 Multi-Programm-Speicherplätze zur Verfügung. Doch auch die sind irgendwann belegt. Und bevor man einen alten Sound überschreibt, kann man mit der Funktion “Compare” prüfen, ob der neue Klang es wirklich wert ist. Ist “Compare” aktiviert, kann man zwischen altem und zu speicherndem Sound (=Patch) hin und her springen. Der neue Patch bleibt solange im Arbeitsspeicher. Sehr praktisch!
Presets
1024 Presets liefert Access gleich mit. Die meisten sind allerdings nicht “meine Tasse Tee”, überwiegend viel zu dick aufgetragen und bratzig-technoid. Einige andere gefallen dagegen sehr. Aber das ist ja Geschmacksache.
Das Control-PlugIn bietet einen übersichtlichen Browser, der auch nach Kategorien filtern kann – ein sehr sinnvolles Feature.
Nicht so gut ist, dass gelegentlich Soundhänger beim Umschalten der Klänge entstehen. Hilfreich ist in solchen Fällen die “Panic”-Funktion, die alle Klänge abschaltet. Dass man “Panic” mit der Tastenkombination Shift+TapTempo anwählt, ist allerdings etwas unglücklich gelöst…
Insgesamt präsentiert sich der Snow mit seinen Preset-Patches als echter Virus, also als vielseitiger, fett-klingender, moderner Synthesizer, der Leads, Bässe, Drums, klassische Sounds wie Streicher und Pianos, Atmosphärisches, Vocoderklänge, Androgynes und “Krankes” kann.
Oszillatoren
Wie es sich für einen virtuell-analogen Synthie gehört, emuliert der Snow nach dem Prinzip der Subtraktiven Synthese. So findet man am Anfang des Signalflusses die Sektion OSC, die drei Oszillatoren mit jeweils eigenem Suboszillator bereithält.
Osc1 und Osc2 bieten grundsätzlich acht verschiedene Oszillator-Typen, die sich durch verschiedene Klangerzeugungsformen und Modulationsparameter unterscheiden. Folgende Oszillator-Typen stehen zur Auswahl:
– Classic:
Oszillator mit Puls-, Sägezahn-, Dreieck- und Sinuswelle und 62 Wavetables. Über den Wellenformmixer können auch Mischformen gewählt werden. Es steht ein Suboszillator (eine Oktave tiefer) mit Pulse- oder Dreickwelle bereit
– HyperSaw:
Bis zu neun Sägezahnwellen können erzeugt werden. Ist HyperSaw für Osc1 oder Osc2 ausgewählt, steht ein eine Oktave tieferer Suboszillator mit Sägezahnwelle zur Verfügung.
– Wavetable:
Wavetable-Synthese – 62 Wavetables stehen zur Auswahl.
– Wave PWM:
Eine Wavetable wird mit einer Kopie phasen-verschoben, dadurch entsteht ein ähnlicher Effekt wie bei Pulsbreitenmodulation.
Darüber hinaus gibt es noch die Spezial-Oszillatoren:
– Grain Simple
– Grain Complex
– Formant Simple
– Formant Complex
Mit ihnen können durch Formantenverschiebung der Wavetables atmosphärische bis entrückte Klänge erzeugt werden.
Der Osc3 ist einfacher gestrickt. Er doppelt entweder im Slave-Mode den Osc2 oder greift auf sämtliche Wellenformen des Snow zurück. An Modulationsparametern bietet der Osc3 nur “Semitone” und “Detune”.
Alle drei Oszillatoren besitzen einen Suboszillator mit Pulswelle.
Noise
Ein Noise-Generator mit weißem Rauschen kann dem Mix der drei Oszillatoren hinzugefügt werden.
Saturation
Der Gesamtmix aller drei Oszillatoren, Suboszillatoren und Noise hat einen Gesamtlautstärke-Regler und kann auch in die Sättigung gefahren werden.
Unison
Interessant für fette Sounds ist die Spielart “Unison”, mit der man eine Stimme (mehrfach)verdoppeln kann. Bis zu 8faches Unison ist möglich. Mit dem dazugehörigen Parameter “Spread” können die Klänge im Stereobild sehr “breit” angeordnet werden.
Modulation
Natürlich ist auch Frequenzmodulation, Ringmodulation, Portamento und Oszillator-Sync möglich.
Filter
Die Filtersektion bietet zwei resonanzfähige Filter, die seriell, parallel oder getrennt betrieben werden können.
– Seriell: Das Signal passiert die Filter nacheinander.
– Parallel: Für Osc1 und Osc2/Osc3 steht je ein Filter zur Verfügung. Die Signale beider Filter werden am Ende wieder zusammengeführt
– Split: Beide Filter verarbeiten zwei verschiedene Signale, die jeweils einem Stereokanal zugeordnet sind.
Es stehen die Filterarten LowPass, HighPass, Bandpass und Bandstop zur Verfügung. Filter1 verfügt sogar über die gelungene Emulation eines 1-4poligen Moog Cascade Filters! Access nennt es “Analog Mode”.
LFO
Nicht nur drei LFOs mit Sinus-, Dreieck-, Sägezahn- und Rechteckwelle sowie allen 62 Wavetables werden dem engagierten Sounddesigner hier geboten, es kommen noch S&H- und S&G-Welle dazu. Jedes erdenkliche Modulationsziel kann von den drei LFOs angesteuert werden.
Ist der Snow per USB/Control-PlugIn mit dem Rechner verbunden, erfolgt Tempo-Sync mit dem Sequenzerprogramm automatisch, kann aber auch deaktiviert werden. Die LFO-Geschwindigkeit lässt sich auch manuell oder per “Tap Tempo”-Taster wählen.
Modmatrix
Die Modulationsmatrix bietet sechs Slots, in denen sämtliche Modulationsquellen mit möglichen Zielen verbunden werden können. Der Wirkungsgrad einer Quelle kann in 64 positiven oder negativen Schritten bestimmt werden.
Env
Es stehen zwei Hüllkurvengeneratoren mit den Parametern ADSTR (Attack-Decay-Sustain-Time-Release) zur Verfügung, die zunächst Filter und VCA modulieren können. Über die Modulationsmatrix sind jedoch weitere Modulationsziele anwählbar: die Oszillatoren, LFO-Wellenform und -Geschwindigkeit, FM Amount und die Ballance von Oszillatoren und Filtern, um nur einige Möglichkeiten zu nennen.
FX
Folgende Effekte stehen in der FX-Sektion bereit, wie beispielsweise Reverb und zahlreiche Delay-Arten. Die Tempoanpassungen der Delays zum Hostprogramm erfolgen automatisch via MIDI. Wie beim LFO kann aber auch hier manuell oder per “Tap Tempo” ein freies Tempo gewählt werden.
Des Weiteren bietet die FX-Sektion Phaser, Chorus, Vocoder, Ringmodulator, 3-Band EQ, Analog Boost und verschiedene Distortion-Typen.
Distortion-Typen:
– Light, Soft, Medium, Hard: Emulationen von analogen Verzerrungen
– Digital: harsche, digitale Clip-Distortion
– Waveshaper: FM ähnliche Verfremdungen
– Rectifier
– Bit Reducer, Rate Reducer
Zusätzlich stehen in Distortion Sektion auch ein Low- und Highpass-Filter zur Auswahl
Die Effekte klingen alle hochwertig und sind gut zu bedienen. Somit empfiehlt sich der Virus TI Snow auch als externes Effektgerät!
Vocoder
Mein persönliches Highlight der FX-Sektion ist der Vocoder mit bis zu 32 Bändern. Als Trägersignal (Carrier) kann der Oszillator des Snow, Rauschen oder das am Audio-Eingang anliegende Modulator-Signal selbst gewählt werden. Hier nun ein Beispiel mit einem externen Drumloop als Modulator. Carrier ist der Oszillator mit HyperSaw-Welle. Das Vocoder-Pattern wird abwechselnd mit den Effekten Chorus, Reverb, Phaser, 16tel Delay und Distortion (Rate Reducer) angereichert.
Ist der Vocoder aktiviert, kann die Filtersektion des Snow allerdings nicht mehr benutzt werden. Schade eigentlich.
Ebenfalls negativ ist mir bei der Programmierung dieses Audiobeispiels aufgefallen, dass sich nicht alle Parameter in der Effekt-Sektion automatisieren lassen, wie beispielsweise die Auswahl verschiedener Delay- oder einzelne Distortion-Typen.
Atomizer
Kommen wir nun zur Geheimwaffe des Snow, dem Atomizer, der eigentlich in die FX-Sektion gehörte, aber – als Nachzügler des Betriebssystem-Updates 2.7.5 später dazugekommen – separat über das Common-Menu aufgerufen wird. Der Atomizer ist ein rhythmischer Zerhackstückler/Glitch-FX für Audiosignale, die man über den Audio-Eingang in den Snow hineinleitet. Bestimmte Tasten des Keyboards lösen Befehle wie “rückwärts”, verschieden lange Loops oder ein Gate aus und verfremden auf diese Weise ein externes Audiosignal. Solange eine Taste gedrückt ist, ersetzt der vom Atomizer generierte Sound das Originalsignal (im folgenden Beispiel ein Drumloop). Pitchbend steht dem Atomizer als weiterer Modulator zum Verbiegen der Klänge zur Seite, ebenso das Mod-Wheel zur Kontrolle der Mixanteile von “atomized Sounds” und Original – dazu kommt die komplette FX-Sektion des Snow.
Den größten Gefallen tut der Atomizer dem Benutzer mit der automatischen Tempoerkennung des zu verarbeitenden Audiosignals. Und für alle eventuellen Tempo-Fehlinterpretationen hat Access hier gut vorgesorgt und bietet durchdachte, einfache Lösungen an. Und falls man das Tempo selbst bestimmen möchte, kann man dies per “Tap Tempo”-Taster tun.
Der Atomizer ist ein großartiges Feature, das süchtig macht und noch dazu kinderleicht zu bedienen ist. Es gibt schier unendlich viele Möglichkeiten… man muss es einfach selber ausprobieren! Im Beispiel habe ich den Atomizer auf das oben verwendete Audiobeispiel “Drumbeat” angewendet.
Arp
Der Snow bietet einen vielseitigen Arpeggiator mit maximal 32 Steps und Shuffle/Swing-Mode sowie zahlreichen Preset-Pattern. Neben den üblichen Up/Down-Modi sind auch Spielarten “as played”, random oder “Alle Noten gleichzeitig” (= Akkorde) wählbar. Auch die grafische Darstellung des Arpeggiators im Control-PlugIn gefällt. Das Tempo richtet sich automatisch via MIDI nach der Geschwindigkeit des Host-Sequenzers, ist manuell oder per “Tap Tempo” frei wählbar.
Spielhilfen/Sonstiges
Als Spielhilfen sind das bereits genannte “Tap Tempo”, Keyboard Transpose und “Audition” zu nennen. Audition ist eine praktische Vorhörfunktion, die es ermöglicht, dem Desktop-Synth auch ohne Sequenzer oder Master-Keyboard Klänge zu entlocken: Betätigt man den Taster “Audition”, wird der aktuelle Sound auf der Note C3 (mittleres C) kurz angespielt. Hält man die Taste etwas länger gedrückt, erklingt der Ton endlos. Super!
Praxiseinsatz
Der Virus TI Snow ist ein sehr flexibler und – meiner Meinung nach – großartig klingender Synthesizer. Er kann fett oder Lo-Fi, warm oder kühl, simpel oder komplex klingen, und hat ausgezeichnete FX und Modulationsmöglichkeiten an Bord. Er liefert gleichermaßen Standard-Sounds wie Pianos und Streicher, Perkussives sowie spezielle FM- und Graintablesynthese-Klänge oder Vocoder-Sounds. Außerordentlich gut liegen ihm Bässe und Leads. Besonders bei den Bässen fällt positiv auf, dass sie sehr gleichmäßig über das ganze Tonspektrum klingen, es gibt selten Überbetonungen in bestimmten Registern.
Das TI Control-PlugIn und das Feature “Atomizer” sind mehr als gelungen, Pluspunkte sammelt der Snow mit der Möglichkeit, als eigenständiges Audio/MIDI-Interface und Effektgerät zu dienen, einen extra Bonus vergebe ich für das ansprechende und hochwertige Design.
Die einizige Kritik muss ich an der etwas schwach ausgelegten Engine üben, die nur einen 4-fachen Multimode ermöglicht. Es kann bei komplexen Sounds und Stimmen, 8-fachem Unisono oder beim Umschalten der Patches zu Überlastungen kommen, was sich mit Aussetzern, Stimmenabschaltung und Sound-Hängern äußert. Es ist darüber hinaus nicht möglich, Vocoder und Filter-Sektion gleichzeitig zu nutzen, und das Manual empfiehlt, nur einen Atomizer auf einmal zu öffnen. Das geht klar auf das Konto des “kleinen Motors”. Man stößt nur selten an die Grenzen des Prozessors, doch bei einem Instrument, das in der 1000-Euro-Klasse spielt, sollte das eigentlich nicht sein!
Auch ließen sich nicht alle Parameter der Klangerzeugung mit meinem Hostsequenzer (Logic 8) automatisieren. Hier bessert Access hoffentlich im nächsten OS-Update nach! Spätestens wenn man den Snow als Audio-Interface nutzt, wird man einen gesonderten Kopfhörerausgang vermissen, und dass man “Panic” über die Tastenkombination “Shift+TapTempo” betätigt, könnte im Eifer des Gefechts zu umständlich sein.
Mit dem TI Control-PlugIn schlägt Access souverän eine Brücke ins Reich der Bildschirmdarstellung und Sequenzerprogramme. Etwas fehlt jedoch: Softwareseitige Audioeingänge! Für den Einsatz von Vocoder oder Atomizer wäre der direkte Weg via USB aus dem Sequenzer vielleicht eine Arbeitserleichterung.