Praxis
Beim Test wurde der AER mit dem Sound einer Taylor 615 Flattop mit Fishman-Pickup gefüttert. Außerdem kam eine Hagstrom HJ-500 Hollowbody mit elektromagnetischen Humbuckern zum Einsatz. Die Akustik-Gitarre wurde vom Compact 60 II sehr exakt, ausgewogen und transparent verstärkt. In allen Frequenzbereichen bildet der Amp den Sound des Fishman-Pickups realistisch ab. Der Klang ist sehr ehrlich und offen und bietet einen enormen Schalldruck. Es ist wirklich erstaunlich, was der kleine 8“-Lautsprecher vor allem im Bassbereich so alles zu stemmen vermag.
Während die Akustik-Gitarre einen breiten Frequenzbereich ausfüllt und mehr Ansprüche an das Übertragungssystem stellt, bildet die Hagstrom HJ-500 – die hier stellvertretend für alle Hollowbodys mit elektromagnetischen Pickups zum Einsatz gekommen ist – einen wesentlich engeren Frequenzbereich ab. Das Konzept einer Hollowbody sieht vor, dass vor allem die Mitten transportiert werden. Die Übertragung dieser Frequenzen stellt den Compact 60 II nicht vor ernsthafte Probleme. Der Ton ist sehr weich und auch im Bassbereich sind noch genügend brachliegende Ressourcen vorhanden. Jazzgitarristen sollten sich mit diesem Combo einmal ernsthaft beschäftigen – Polytone hat einen Konkurrenten bekommen. Lautstärke und Durchsetzungskraft reichen vollkommen aus, um in diversen musikalischen Situationen (Studio, Probe, kleine Gigs) bestehen zu können. Und nun der Hammer! Auch ein Ibanez Akustik-Bass wurde sauber und druckvoll in einem mittelgroßen Raum (40 qm) verstärkt. Im Bassbereich ließ der Speaker immer noch mächtig viel Dampf ab. In Relation zur Größe ist das Ergebnis wirklich phänomenal. Das System wäre zur Not auch als Bassanlage zur Verstärkung von Kontra- oder Akustik-Bässen geeignet.
Und braucht man dann doch mal mehr Power, lässt sich der Compact 60 II auch über DI-Out oder Line-Out mit einer größeren Beschallungsanlage verbinden – und die sollte ja (hoffentlich) in jedem Club, der etwas auf sich hält, vorhanden sein.Der Plan, mit der U-Bahn zum Gig zu fahren, geht langsam auf.
Die internen Effekte sind absolut brauchbar. Der warme Hall (Position 1) klingt natürlich und dicht und veredelt den Klang einer Akustikgitarre. Flanger und Chorus klingen sehr unaufdringlich, dezent und wollen nicht im Vordergrund stehen. Auf die Parameter der Effekte kann man (leider) nicht einwirken, aber auch ohne diese Möglichkeit ist ihre Qualität und ihr Klang durchaus ansprechend und natürlich. Was will man mehr? Klar, ein externes Gerät könnte sicherlich noch mehr Leistung bringen. Dann wird es in der U-Bahn aber enger, und einen Sitzplatz für den Roadie braucht man auch.
Vielleicht muss man es so sehen: Der zweite Kanal ist ein Geschenk der Firma AER, mit dem man eine zweite (möglicherweise umgestimmte) Akustikgitarre ohne lästiges Umstöpseln bei der Performance sofort zum Einsatz bringen kann. Und zwei Gitarren zusammen? Geht auch. Die Instrumente werden sauber übertragen. Allerdings sollte man dem Hörer ruhig ein Stereo-Erlebnis mit zwei verschiedenen Amps gönnen.
Alternativ kann aber auch ein Mikro zum Sprechen oder Singen angeschlossen werden. Gleich mal ausprobieren: Mit einem entsprechenden Großmembran-Kondensatormikrofon kann ebenfalls ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden. Als etwas mickrig erwies sich die 2-Band Klangreglung, die die Einstellmöglichkeiten der Stimme doch recht stark limitiert. Ich kann mir aber trotzdem vorstellen, dass sich das Modell im kleinen Club, auf der Strasse oder bei der Probe bewährt. Mobilität soll ja im Vordergrund stehen und hat Priorität. Ich würde durchaus meine Gesangsanlage zu Hause lassen, wenn im Club zu wenig Platz zur Verfügung steht. Zum Sprechen reicht es sowieso. Schön, dass es keine Interferenzen gibt, wenn auf dem ersten Kanal gespielt und auf dem zweiten Kanal gesungen wird. Im Live-Betrieb erwies sich das Gewinde am Gehäuseboden als sehr praktisch, denn dieses erlaubt es, den Verstärker in Verbindung mit einem Mikroständer wesentlich besser zu platzieren und so sowohl den Spieler, als auch seine Zuhörer optimal zu beschallen.