Aerodrums Air Percussion Set Test

Viele ambitionierte Drummer werden es kennen: Schon kurz nach Beginn des Schlagzeugspielens baut man sich in den wildesten Träumen sein Wunsch-Setup zusammen. Für einige bleibt es bei einem gewöhnlichen Drumset, andere entwickeln eine teils schwere Sucht, die mittlerweile sogar einen Namen hat – Gear Acquisition Syndrome. Kommt man dann dem ultimativen Setup nahe, für das man sich vielleicht sogar die eine Lieblingssnare jahrelang vom Mund absparen musste, schimpft beim Üben der Nachbar, und später macht beim Transport auch noch der Rücken Terz. Doch wie soll ein einerseits ideales, aber dennoch höchst transportables und gleichzeitig weniger ruhestörendes Schlagzeug denn aussehen? Genau diese Problematik brachte einen britischen Hersteller auf eine Idee, und wie Sie sehen, sehen sie … nichts, denn Aerodrums funktionieren, wie der Name schon vermuten lässt, in der Luft.

Aerodrums_Header


Bereits in den Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts wurden für dieses Vorhaben für Nachtclubs so genannte Cocktail Kits entworfen. Solche Instrumente sind durch ihre kleinen Kesselgrößen jedoch naturgemäß höher gestimmt und auch leiser als gewöhnliche Drumsets. Dieser Kompromiss wurde zugunsten der erhöhten Transportfreundlichkeit aber in Kauf genommen. Für die Aerodrums hingegen ist es überhaupt kein Problem, einen fetten Drumsound zu liefern, da sie mit elektronischen Samples ihren Klang erzeugen. Damit können sie amtlich klingen und durch den Lautstärkeregler schnell handzahm gemacht werden. Höchste Zeit, sich das im Detail anzuschauen.

Details

Die Grundidee

Um ein Drumset ohne eigentliche Instrumente überhaupt erst zu realisieren, machen sich die Entwickler die Vorteile unseres so bewegungsreichen Instruments zunutze. Durch eine Kamera werden die Abläufe der Bewegungen gefilmt. Damit die Schlagfolgen des Drummers auch in kürzester Zeit in Töne verwandelt werden, spiegeln Reflektoren das Kameralicht. Durch die Aerodrums Software werden mit den Lichtsignalen die verschiedenen Instrumente des ausgewählten Kits angetriggert. Dadurch werden schließlich die Sounds ausgelöst, die je nach Intensität des Schlags auch unterschiedlich laut sind. Das klingt zunächst einmal sehr verrückt, basiert aber auf der Technologie von gängigen Spielkonsolen, die selbst den faulsten Couchmuffel zum Grand Slam Sieger von Wimbledon macht.

Fotostrecke: 4 Bilder Passen in jeden Rucksack – die Aerodrums mitsamt Kamera.

Die Werkzeuge

Als einziges herkömmliches Trommelwerkzeug der Aerodrums sind Drumsticks enthalten, deren Stockspitzen jedoch mit runden Reflektoren modifiziert sind. Für den Fall des Verlusts, des Ablösens oder der Beschädigung der Reflektoren sind zwei weitere graue Kugeln inklusive des benötigten Klebers enthalten. Für die Füße des Drummers gibt es ebenfalls Reflektoren, die an Dreiecken aus Schaumstoff befestigt sind und mit einem einfachen Gummizug an den Füßen angebracht werden können. Damit Hände und Füße überhaupt Lichtsignale reflektieren können, ist für die Kamera eine USB-Lampe vorgesehen. Da der Drummer von diesem Licht direkt angestrahlt wird, ist zudem eine faltbare Sonnenbrille beigelegt. Die beigefügte Kamera ist eine Sony Playstation Eye Kamera, ein Fremdprodukt also, das nach überwundenem Lizenzstreit nun im Bundle mitgeliefert wird. Um die eingefangenen Lichtsignale in Klang zu verarbeiten, kann die benötigte Software mittels eines Download Codes auf der Website des Herstellers für Mac oder Windows heruntergeladen werden.

Fotostrecke: 4 Bilder Die grauen Bälle an der Stockspitze…

Praxis

Die Software

Durch den mitgelieferten Download Code lässt sich die Software in Windeseile herunterladen und installieren. Auch das Setup der Sony Playstation Eye Kamera funktioniert problemlos. Nach kurzen formalen Einstellungen wie dem Auswählen der Sprache, dem Einstellen der Puffergröße für niedrige Audiolatenz sowie der Zuweisung des Audioausgangs ist die Software startbereit. Positiv zu bemerken ist, dass nicht zwingend ein Audio-Interface zur Nutzung benötigt wird. Vor dem ersten Trommeln wird von der Software sichergestellt, dass alle vier Reflektoren im Sichtfeld der Kamera stehen und genügend Signal an diese abgeben. Das Programm verfügt über sieben Kits, die jeweils editiert werden können und in rechts- und linkshändiger Ausführung vorhanden sind. Außerdem können aus 32 Samples eigene Drumsets zusammengestellt werden. Reichen diese nicht aus, ist es möglich, über MIDI externe Sounds anzusteuern. Über die Playlist-Funktion können innerhalb der Software beliebig viele eigene Songs geladen werden, zu denen dann getrommelt werden kann. Das eigene Spiel lässt sich sowohl Solo, als auch mit dem jeweiligen Song durch die Record-Funktion aufnehmen. Für Timing-Übungen ist außerdem ein Metronom in der Software auswählbar.

Fotostrecke: 2 Bilder Beim Spielen sieht man das Drumset aus der Vogelperspektive.

So funktioniert das Aerodrums Kit

Etwa fünf Minuten dauern Download, Installation und Setup der Software, dann sind die Aerodrums startklar. Das Programm legt mir zunächst selbst an diesem recht düsteren Spätnachmittag nahe, alle externen Lichtquellen auszuschalten. Die USB-Lampe, die direkt an der Linse der Kamera sitzt, strahlt mich so hell an, dass ich sofort zur kleinen Sonnenbrille greife. Diese erinnert zwar ein bisschen an die 3D-Brillen aus einem Mickey Mouse Heft und ist sicherlich keine Langzeitlösung, hilft aber für den Moment. Damit die Kamera alle Bewegungen einfangen kann, empfiehlt der Hersteller eine Sitzposition, die etwa 1,20 Meter von der Kamera entfernt ist. Befindet man sich dann im Modus des Drumkits, sieht man ein Schlagzeug aus der Vogelperspektive, gemeinsam mit den Abbildungen der Reflektoren. Hat man sich einmal mit der imaginären Spielfläche zurecht gefunden, erkennt die Software, auf welche Trommel man schlägt, und auch das dynamische Spiel ist dank der Erkennung der Schlaggeschwindigkeit erstaunlich gut möglich. Bemerkenswert ist auch die variable Spielmöglichkeit der Hi-Hat, die durch das Anheben des Fußes der Performance einer richtigen Hi-Hat Maschine ähnelt. Auch die Bassdrum ist durch unterschiedliches Ausholen dynamisch spielbar.

Audio Samples
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Big Rock Kit – Einzelsounds Jazz Kit – Einzelsounds My First Aerodrum Kit – Einzelsounds

Schon beim ersten Anspielen eines Grooves merke ich, wie sensibel die Trigger reagieren. Meine natürlichen Körperbewegungen im Rhythmus des Grooves muss ich zunehmend unterdrücken, um nicht beispielsweise ständig den Sound einer getretenen Hi-Hat auszulösen. Zudem muss ich zwingend beide imaginären Pedale „Heel Down“, also mit aufgesetzter Ferse spielen, da sonst noch mehr Bewegungen reflektiert und „falsche“ Noten ausgelöst werden. Für Drummer, die Schwierigkeiten mit der Umstellung ihrer Technik haben, werden vor allem schnellere Parts dadurch sehr schwierig. Ein weiter gewöhnungsbedürftiger Faktor ist der fehlende Rebound beim Trommeln in der Luft. Doppelschläge oder gar Rolls sind eigentlich nicht möglich, da die reale Spielfläche fehlt. 
Nach einiger Zeit mit den verschiedenen Kits läuft das Spiel runder, jedoch wirken die Grooves immer noch sehr steif und untight. Und ja, das liegt natürlich an mir! In der stocksteifen Position, in der ich mich mittlerweile befinde, um die Trigger nicht unkontrolliert auszulösen, kommt keine wirkliche Spielfreude oder Leichtigkeit auf. Doch auch unter größter Anstrengung lassen sich selbst auf dem Ride-Becken ungewollte Sounds nicht verhindern, und auch in der Software lässt sich die Sensibilität nicht reduzieren. Am nächsten Mittag ist es übrigens bereits mit leicht geöffnetem Vorhang schon zu hell für eine ausreichende Reflektion des Lichtsignals. Das Spielen der Aerodrums ist also nur in relativ dunklen Räumen möglich, damit die Software alle Bewegungen erfassen kann.

Audio Samples
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Rock Kit – 6/8 Groove My First Aerodrum Kit – Groove Big Rock Kit – Groove

Die Sounds der Aerodrums-Software sind den E-Drum Preset Sounds der etablierten Hersteller sehr ähnlich. Die Auswahl ist mit 32 Samples nicht besonders groß, und da alleine die Hi-Hat mit vier verschiedenen Sounds belegt wird, kann dadurch natürlich auch keine besondere Bandbreite geboten werden. Alle Samples klingen ziemlich fett und rockig, was einem modernen Pop/Rock-Sound zugute kommt. Die Bassdrums klingen voluminös, die Snares scharf mit kontrolliertem Oberton, und die Toms haben eine gute Portion Punch und Attack. Das trifft auch auf das Jazzkit zu, welches dadurch allerdings ein wenig stilfremd wirkt. Vor allem das Ride klingt nach einem dicken Becken mit viel Ping, was in einem authentisch klingenden Jazzset fehl am Platz wäre. Mit der Dynamik der jeweiligen Trommeln lässt sich aber dank der Sensibilität der Trigger gut spielen. Das gilt sogar für die Bassdrum und den typisch waschigen Sound beim Öffnen einer Hi-Hat. Da sich nach längerem Spielen sicherlich der Wunsch nach zusätzlichen Sounds ergeben wird, bietet sich die Erweiterung über die MIDI-Funktion an. Dazu kann auf der Website ein „MIDI Mapping“ heruntergeladen werden, das in einem gesonderten pdf-File erklärt wird. Außerdem findet sich auf der Website eine detaillierte Anleitung zu allen gängigen Drumsamplern wie Addictive Drums, Kontakt und Superior Drums.

Fazit

Der treffendste Satz steht bereits auf der Verpackung: „This is not a drum kit“. Die Vision eines elektronischen Schlagzeugs ohne Hardware und Klangerzeugung durch die Reflektion der Bewegungen ist genial, aber dennoch wirken die Aerodrums mehr wie ein Prototyp einer noch zu perfektionierenden Idee. Zwar hat man durch die Sounds den Eindruck eines Drumsets, das Spielgefühl kommt dem aber nicht besonders nahe, denn die physischen Eigenschaften einer akustischen Trommel oder eines echten Beckens können durch Schläge in der Luft natürlich nicht nachempfunden werden. Für schnelles Üben unterwegs oder das Skizzieren eines Drumgrooves für Songwriting sind die Aerodrums jedoch eine unkomplizierte Variante, da die benötigte Hardware verschwindend wenig Platz einnimmt und ebenso schnell aufgebaut ist. Die Hardware ist gut verarbeitet, und auch die Software funktioniert einfach und ohne Fehler. Eine Bühnenperformance mit Laptop und Kamera ist jedoch schwer vorstellbar, auch weil der visuelle Kontakt zu den Mitmusikern durch die Fixierung auf den Bildschirm eingeschränkt wäre. Außerdem machen bereits eine beleuchtete Bühne sowie jegliche Form von Tageslicht dem Konzept der Software einen Strich durch die Rechnung. Auch die Tatsache, dass die natürlichen, rhythmischen Bewegungen beim Spiel unterdrückt werden müssen, um nicht ungewollt Sounds zu triggern, lässt die Aerodrums eher als eine Art lustiges Spielzeug wirken. Wirkliche Bewegungsabläufe lassen sich damit nämlich nur bedingt üben, um sie später auf ein Drumset zu übertragen.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • bisher einzigartiges Konzept
  • leicht transportable Hardware
  • Verwendung als MIDI Trigger zur Sounderweiterung möglich
Contra
  • Lichtempfindlichkeit der Software
  • geringe Bandbreite der Sounds
  • Bewegungsumstellung notwendig, um das Auslösen von ungewünschten Sounds zu vermeiden
Artikelbild
Aerodrums Air Percussion Set Test
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Aerodrums - eine geniale und höchst portable Idee, an deren Umsetzung noch gefeilt werden muss.
Aerodrums – eine geniale und höchst portable Idee, an deren Umsetzung noch gefeilt werden muss.
TECHNISCHE SPEZIFIKATIONEN
  • Hersteller: Aerodrums
  • Bezeichnung: Air Percussion Set
  • Lieferumfang: Sticks mit Reflektoren, Ersatzreflektoren für Sticks inkl. Kleber, Brille, Fußreflektoren, Sony Playstation Eye Kamera, Kameralinse mit Licht, Anleitung, Download Code für Software
  • Systemvoraussetzungen:
  • Microsoft ab Windows Vista mit mindestens Intel Core 2 Duo 2 GHz Prozessor OS X ab 10.6
  • Hardwarebedarf: 2x USB-Port
  • Preis: (Verkaufspreis) EUR 185,00

Seite des Herstellers: aerodrums.com

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