Praxis
Verwendungszweck
Als offener Studiokopfhörer ist der AKG K812 für die Verwendung am Editier-, Misch- oder Masteringplatz prädestiniert. Aufgrund kaum vorhandener akustischer Isolation in beide Richtungen ist er als Monitor Kopfhörer zur Aufnahme von Musikern tendenziell ungeeignet.
Tragekomfort
Zunächst einmal setzt man sich den AKG K812 nicht einfach nur auf. Ich habe eher das Gefühl, der Kopfhörer erwählt mich als seinen „biologischen Wirt“ und verschmelzt mit meinem Kopf. Die Ohrmuscheln umschließen meine Ohren optimal – auch vom Anpressdruck – und das großflächige, atmungsaktive Kopfband passt sich meinem sensiblen, glattrasierten Kopf perfekt an. Große Auflagefläche = wenig Druck! Da hätte AKG auch schon mal früher drauf kommen können. Ich habe immer noch Einbuchtungen auf meinem Kopf vom jahrelangen Gebrauch des K701. Die simple wie effektive Gewichtsverteilung des K812 hingegen lässt ihn problemlos auch während mehrstündiger Hörsessions tragen, besser als manch ein leichteres Modell! Zudem wird der Tragekomfort maßgeblich von den Ohrpolstern aus Echtleder begünstigt. Durch die atmungsaktiven Materialien aller Kopf-aufliegenden Teile trägt sich der K812 viel luftiger als es der Anblick vermuten lässt. Der Raster-Mechanismus zur Größeneinstellung funktioniert durch leichten Druck auf die mit AKG Emblem-verzierten „Knöpfe“ problemlos und sitzt absolut sicher. Durch die vergleichsweise kompakte LEMO-Steckverbindung entsteht gegenüber anderen Kopfhörermodellen mit auswechselbarem Kabel kein störender Körperschall in der linken Ohrmuschel. Häufig wird dieser bei anderen Modellen durch Berührungen des Steckers oder des steifen Kabelbereichs mit Schulter/Kragen hervorgerufen. Zusammenfassend kann ich dem AKG K812 trotz seines relativ hohen Gewichts einen fantastischen Tragekomfort bescheinigen.
Klang
Der AKG K812 wurde für diesen Test an folgenden Kopfhörerausgängen bzw. Verstärkern betrieben:
iPad 4
Apogee Duet2
SPL 2Controll
Lake People G93
Neben diversen akustischen Experimenten (Sinus Sweeps, übliche DAW- und Mix- und Mastering-Tätigkeiten) habe ich einen stilübergreifenden Mix eigener und fremder Produktionen über den AKG K812 angehört und analysiert.
Frequenzgang
An dieser Stelle benutze ich gerne Formulierungen, wie „tendenziell linear“ und meine damit, dass beispielsweise Frequenzen über den Großteil des praktisch relevanten Hörbereichs ohne untolerierbare Verfälschungen oder Verdeckungen wiedergegeben werden. Wenn zum Beispiel dröhnende Bassfrequenzen keine Beurteilung der unteren Mitten zulassen, ist dies meines Erachtens nach absolut nicht tolerierbar. Kaum ein Kopfhörer kommt ohne nuancierte Verfärbungen oder leichten Über- bzw. Untergewichtungen verschiedener Frequenzbereiche aus. Sofern man sich dieser Färbungen bewusst und in der Lage ist, das gesamte Spektrum korrekt zu beurteilen, verwende ich gerne die oben genannte Formulierung. Kommen wir zum K812, dessen Frequenzabbildung ich als beispiellos linear und neutral empfinde! Höhen, Mitten und Bässe sind bei diesem Kopfhörer nach meinem Ermessen perfekt ausbalanciert. Im Gegensatz zu Beyerdynamics insgesamt fantastischem T90 passt hier das Verhältnis von hohen zu mittleren Frequenzen optimal und wirkt dadurch viel natürlicher, musikalischer und lebendiger. Die Höhen des AKG-Kopfhörers sind mindestens genauso fein aufgelöst, wobei sie quantitativ im positiven Sinne dezenter wiedergegeben werden. Der Bassbereich ist häufig die Achillesferse von offenen Kopfhörern, spätestens seit dem Beyerdynamic T90 wissen wir, dass die optimale Wiedergabe tiefer Frequenzen auch mit Kopfhörern offener Bauart realisierbar ist. Der K812 erweitert diesen Kreis durch akkurate und dennoch druckvolle Basswiedergabe bis in den Subbassbereich.
Für dich ausgesucht
Impulsverhalten
Kurz und knapp: Auch in dieser Disziplin spielt der AKG-Kopfhörer mindestens auf dem Niveau hochwertiger, professioneller Studiomonitore. Auch bei hohen Lautstärken spielt der K812 frei von Kompressionsartefakten mit einer bemerkenswerten Dynamik, und die Wiedergabe von Transienten erfolgt ungefiltert und natürlich. Fantastisch!
Räumliche Abbildung
In dieser Disziplin verschlägt mir der AKG K812 endgültig die Sprache! Die Tiefenstaffelung des AKG K812 ist schlicht und ergreifend sensationell. Nur selten zuvor habe ich in nahezu perfekt klingenden Regieräumen einzelne Instrumente derart separier- und ortbar wahrgenommen. Die feine Auflösung des K812 transportiert Rauminformationen und Reflexionen so präzise wie hochwertigste Studiomonitore. Eventuell widererwartend zur letzten Erkenntnis, ist die Stereobühne etwas enger und wirkt dadurch natürlicher als bei vielen Kopfhörern. Stark im Stereopanorama verteilte Signale führen nicht zu einer so ausgeprägt unnatürlichen Wahrnehmung. Tendenziell scheinen Mittensignale, wie z.B. Lead-Gesang weiter vorne (Lokalisation), also nicht so sehr „im Kopf“ stattzufinden, was normalerweise ein berüchtigtes Artefakt von Kopfhörern ist. Dieser bemerkenswert transparente Grundcharakter wird durch einen guten Kopfhörerverstärker wie den Lake People G93 merkbar gesteigert. Dezente Crossfeed-Einstellungen, die man u.a. in SPL-Geräten, wie 2Control und Phonitor2 findet, sorgen für ein zusätzliches Plus an natürlicher Wahrnehmung. Entsprechende Aufnahmen vermitteln eine Intensität und den Eindruck, als wäre man wirklich dabei!
Als kleines Vorab-Fazit: Die Wiedergabeeigenschaften betreffend, kann ich sagen, dass mir der AKG K812 spontan sehr zugesagt hat. Ich habe mich von der ersten Minute an, also ohne persönliche Einhörphase, sehr sicher bezüglich Mix- und Mastering-Einstellungen gefühlt, was mich dazu ermutigt hat, in einer laufenden Produktion zu Hause einen Mischversuch zu starten. Ohne Vergleich zu einem Referenzmix und zum ersten Mal den K812 auf dem Kopf, ist mir quasi aus der Hüfte ein, in allen klanglichen Belangen ausgewogener Mix gelungen, der auch der kompromisslosen Begutachtung durch eine sehr hochwertige Studioabhöre standhielt. Was will man mehr?
Thomas sagt:
#1 - 03.08.2014 um 15:10 Uhr
Vielen Dank für diesen ausführlichen Test. Ich war schon kurz davor den "Kaufen" Button bei Thomann anzuklicken. Mich verunsichert allerding dieses Review "http://www.innerfidelity.co...", ob diese Kopfhörer wirklich so natürlich klingen. Der Tester äußert dort und im zugehörigen Youtube-Video relativ unverblümt, dass der AKG mit der Abbildung der oberen Mitten und Höhen Probleme hat und er energiereiche Musik zu harsch erklingen lässt und er diesen deshalb nicht für Audio-Professionals empfehlen kann.
Aber jeder hört ja ein bißchen anderst.
Spankous sagt:
#1.1 - 01.05.2018 um 17:53 Uhr
Mich würde auch eine Meinung darüber interessieren. Ich hab mehrere tests aber auch menschen gefunden die alle erwähnen das der 812 nicht das beste das es gibt ist wenn es um die mitten geht und das er harsch und nasal klingen kann... Hat jemand hier Erfahrung damit?
Antwort auf #1 von Thomas
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenDick den Engelsman sagt:
#1.1.1 - 31.10.2019 um 15:03 Uhr
Wenn die Aufnahme harsch und nasal klingt, zeigt der 812 dies so an. Es ist ein echter Studiokopfhörer, der nicht die Ohren befriedigen will, sondern zeigt, wie das Ausgangsmaterial tatsächlich klingt.
Antwort auf #1.1 von Spankous
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenSpankous sagt:
#1.1.1.1 - 31.10.2019 um 15:27 Uhr
Das problem ist ,,,, Was ist "tatsächlich"? Wenn du "schlachtschiffe" der Renomierten Marken vergleichst haben sie alle verschiedene Frequenzgänge. Wer ist also der jenige der "Tatsächlich" klingt? Ist der Hd 800 tatsächlicher als der K 812? Ich habe den Dt 1990 und 1770. Beide klingen leider besser (natürlich in meinen Ohren) wenn ich Sonarworks Reference anwende. Und ich hasse das Plugin zu benutzen eigentlich. Wenn Referenz kopfhörer Ausgangsmatterial perfekt wiedergeben würden dann hätten alle den selben Frequenzgang. Alles andere macht keinen sinn, sprich wenn eine Referenz nicht eine sondern mehrere Variationen einer sache ist .... das finde ich bissle komisch :-) , dann gäbe es auch nicht ganze Foren wo sich High End freaks damit beschäftgen den Hd800 weniger "scharf" zu Tunen mit allen möglichen mitteln. Das die benutzte treiber die Grenze des machbaren darstellen geschenkt. Aber die Abstimmung ist auch was Tatsächliches und das ist doch irgendwie immer noch geschmackssache der Hersteller
Antwort auf #1.1.1 von Dick den Engelsman
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenPeter Koenemann sagt:
#2 - 04.08.2014 um 14:39 Uhr
Hallo Thomas, die Äußerungen des Testers sind für mich absolut nicht nachvollziehbar. Wie dem auch sei, dank des allgegenwärtigen Rückgaberechts gibt es aber keinen Grund zur Verunsicherung. Wenn ein gekauftes Gerät nicht Deinen Erwartungen entspricht, kannst Du es dem Händler zurücksenden. Nur Mut, ich denke Du wirst es nicht bereuen!
Daniel sagt:
#3 - 19.01.2015 um 06:12 Uhr
Mich würde ein Vergleich zu den Kopfhörern PS1000e und PS500e von Grado interessieren, über die man leider sehr wenig zu lesen bekommt ...
Olli sagt:
#4 - 13.03.2015 um 02:55 Uhr
Hallo Daniel, falls es noch nicht zu spät ist:
Habe mich heute beim Händler meines Vertrauens durch einige Kopfhörer gehört und würde die K812 den Grado PS1000e vorziehen, diese klingen für mich etwas überbetont in den Mitten. Die Auflösung ist relativ ähnlich. Die Quelle war ein Oppo HA-1.
Fiete sagt:
#5 - 19.04.2020 um 21:31 Uhr
Ich habe mir u.a. aufgrund dieses Tests den Kopfhörer bestellt und muss leider sagen dass er alles andere als neutral oder linear ist. Die Kurve in des K812 in Sonarworks ist ab 2khz aufwärts eine einzige Schlangenlinie, mit schmalen Peaks von bis zu +9dB und einem Dip von -6dB. Das kann man auch in der online Demo von Sonarworks so sehen.
Der Test sollte in dieser Hinsicht auch korrigiert werden, da einige Aussagen sehr irreführend sind und es sich ja hier um klar messbare Fakten handelt.
Durch diese Kurve klingt der Kopfhörer für mich schnell überfordert und billig in den Höhen, vor allem wenn man es mit komplexerem Material zutun hat. Teilweise kommt er schon bei (eigentlich guten) Mixen mit einem Shaker und zwei HiHats an seine Grenzen. Das hat auch wenig mit Problemen im Mix zutun, sondern hängt viel mehr damit zusammen ob die vom KH angehobenen oder abgesenkten Frequenzen dem Mix schmeicheln oder eben nicht. Dieses Problem wurde ja auch in anderen Reviews häufig angesprochen.
Wenn man allerdings diesen Frequenzgang korrigiert klingt dieser Kopfhörer tatsächlich grandios. Er ist detailliert mit einer sehr schönen Auflösung des Raums und einer guten Darstellung der Bühne und der Dynamik. Auch ist er der erste Kopfhörer mit dem ich den ganzen Tag lang arbeiten kann ohne das er zu unbequem wird oder die Ohren zu sehr ermüdet.
Dennoch bin ich mir nicht sicher ob ich ihn behalte. 850€ sind ziemlich happig für einen Kopfhörer den man ohne EQ Korrektur praktisch kaum zum Arbeiten verwenden kann.
Peter Koenemann sagt:
#5.1 - 20.04.2020 um 13:23 Uhr
Hallo Fiete,
danke für deinen Kommentar! Es ist schade, dass der Kopfhörer nicht deinen Erwartungen entspricht. Ich nutze den K812 seit inzwischen 6 Jahren und bin nach wie vor der Ansicht, dass seine ausgewogene Frequenzwiedergabe dem Abhören mit Studiomonitoren - ich arbeite seit Jahren mit hochwertigen Genelec, Adam Audio und Neumann Monitoren - am nächsten kommt. Nun gibt es wahrscheinlich keinen Kopfhörer weltweit ohne eine Welligkeit im Frequenzgang, doch solange dies nicht der Natürlichkeit und Beurteilbarkeit entgegenwirkt, toleriert man es. Speziell in den Höhen trifft der K812 die ausgewogene Mitte zwischen "Referenzkopfhörern" namhafter Hersteller, die deutlich(!) schärfer klingen als auch spürbar "muffigeren" Exemplaren. Dass die Wiedergabeeigenschaften von Kopfhörern subjektiv sehr unterschiedlich beurteilt werden, ist nicht neu und kann sehr viele Gründe haben, wie beispielsweise Anatomie, Hörpräferenzen, potentielle Serienstreuung u.s.w. Somit sehe ich als Autor dieses Testberichts keinen Anlass die Beurteilung des AKG K812 zu korrigieren.
Antwort auf #5 von Fiete
Melden Empfehlen Empfehlung entfernen