Willkommen zu meiner mehrteiligen Reihe an Workshops zum Thema “Akkorde spielen auf dem Bass“. Es wird darum gehen, wie wir unterschiedliche Akkorde sinnvoll für unseren Bassalltag nutzen und auf dem E-Bass umsetzen können. Der erste Teil beschäftigt sich noch mehr mit dem theoretischen Hintergrund von Dreiklängen, und im zweiten Teil geht es schnell in die Praxis. Aber keine Angst: Theorie ist nichts anderes als aufgeschriebene Praxis, mit “verkopft” hat das rein gar nichts zu tun!
Wir Bassist:innen werden in unserer Rolle ja für gewöhnlich der Rhythmusgruppe zugeteilt. Das ist absolut richtig, aber wir sind nach dem Schlagzeug auch die ersten, die zum harmonischen Geschehen beitragen – meistens in Form des Grundtons des jeweiligen Akkordes. Wir sind daher sozusagen das Bindeglied zwischen Rhythmus und Harmonie.
Obwohl wir selten Akkorde auf dem E-Bass spielen, sind Akkordtöne dennoch fast immer Bestandteil unserer Basslinien. Wir spielen Harmonien in der Regel horizontal, also einen Ton nach den anderen, aber da diese Töne oft Bestandteile von Akkorden sind, ist es sicher gut, ein grundlegendes Wissen darüber zu besitzen. Ein gutes harmonisches Grundwissen hilft nicht nur beim Entwickeln eigener Ideen, sondern verbessert auch die Griffbrett-Übersicht. Zu guter Letzt sind Akkorde am Bass eine hervorragende Technikübung für die Greifhand!
Was sind eigentlich Akkorde?
Achtung, hier wird für eine Weile theoretisch! Ein Akkord ist ein Zusammenklang von mindestens drei Tönen. Dieser Zusammenklang muss sich harmonisch deuten lassen – oder einfach gesagt musikalisch Sinn ergeben.
Akkorde werden hauptsächlich auf drei Arten kategorisiert:
- Anzahl der Töne, d.h. die Akkorde sind dreistimmig, vierstimmig, usw.
- Tongeschlecht (Dur oder Moll)
- Akkordaufbau, d.h. welcher Ton liegt im Bass, welche Umkehrungen werden gespielt, etc.
Mit wenigen Ausnahmen werden Akkorde durch eine Schichtung von Terzen (ein Abstand von drei oder vier Halbtonschritten zwischen zwei Tönen) gebildet. In der Musiktheorie unterscheiden wir zwischen konsonanten und dissonaten Akkorden. Erstere werden von unserem Ohr als spannungslos und “ohne klangliche Reibung” empfunden. Zu dieser Kategorie gehören vor allem Dur- und Moll-Dreiklänge.
Für dich ausgesucht
Für dissonante Akkorde (laut Definition nahezu alle Septakkorde) gilt das Gegenteil: sie beinhalten eine klangliche Reibung, welche nach Auflösung verlangt. Allerdings muss man dazu sagen, dass gerade diese klanglichen Reibungen jeder Hörer ganz unterschiedlich empfindet, und zwar je nach Kulturkreis, Hörgewohnheiten etc. Wer etwa seit Jahrzehnten Jazz hört, wird sicherlich unempfindlicher im Bezug auf Dissonanzen sein (oder sie eventuell sogar als angenehm empfinden) als ein Freund der volkstümlichen Schlagermusik.
Die Beziehungen von Akkorden untereinander ist die sogenannte Harmonielehre. Das waren viele Begriffe und Definitionen, aber es bleibt die Frage: Was machen Akkorde eigentlich? Was ist ihre Aufgabe, und warum existieren sie überhaupt?
Aufgabe und Funktion von Akkorden
Musik besteht neben dem rhythmischen Bereich aus den zwei Elementen Melodie und Harmonik. Unsere Harmonik begann sich ca. ab dem 15. Jahrhundert zu entwickeln. Damals drehte sich alles um Chormusik, also menschliche Stimmen. Kommt zur ersten Stimme (der Melodie) eine zweite, dritte usw. hinzu, so entsteht unweigerlich eine harmonische Beziehung zwischen den einzelnen Stimmen. Die Melodie bekommt also einen harmonischen Kontext.
Auf heutige Pop/Rock-Musik übertragen sind diese Stimmen einfach die Akkorde des entsprechenden Songs. Diese Akkorde verleihen der Melodie erst ihre Textur, ihre Stimmung, ihre Emotionalität. Um dieses zu demonstrieren, habe ich eine Melodie, die wohl jeder im Ohr hat, einmal auf unterschiedliche Art harmonisiert. So lässt sich leicht erkennen, was Akkorde zu leisten vermögen.
Als Vorlage dient uns “Hey Jude” von den Beatles. Version 1 ist das Original, die zwei anderen habe ich mit anderen Akkorden versehen, welche zwar harmonisch zur Melodie passen, aber eine ganz andere Wirkung erzeugen:
Die üblichsten Dreiklänge und ihre Umkehrungen
Dur- und Moll-Dreiklänge sind mit Abstand die häufigsten Vertreter ihrer Art. Sie bestehen aus dem Grundton, welcher dem Akkord auch seinen Namen gibt. Als nächstes folgt die Terz – von lat. “Tertius” (“der Dritte”). Sie ist drei Tonstufen vom Grundton entfernt und bestimmt das Tongeschlecht.
Ein Abstand einer kleinen Terz (drei Halbtonschritte) erzeugt einen Moll-Akkord, ein Abstand einer großen Terz (vier Halbtonschritte) einen Dur-Akkord. Zuletzt kommt noch die Quinte – von lat. “Quintus” (“der Fünfte”). Die Quinte ist bei beiden Akkorden fünf Tonschritte (entspricht sieben Halbtonschritten) vom Grundton entfernt.
Verwirrend ist hier etwas der Begriff Terz, denn er ist in der Tat doppeldeutig. Einmal bezeichnet er den Bestandteil des Akkords (z.B. die Terz von F-Dur), zum anderen steht er auch für ein Intervall, also den Abstand zwischen zwei Tönen.
Hier seht ihr den “Terzen-Bauplan” von Dur- und Moll-Akkorden und könnt euch beide Typen anhören:
Darüber hinaus existieren noch zwei “Exoten”, welche jeweils aus zwei gleichen Terzen bestehen, weshalb man sie “symmetrische Akkorde” nennt: Der verminderte und der übermäßige Akkord!
Dreiklänge kommen in ihrer Grundstellung oder zwei Umkehrungen vor. Das heißt im Prinzip nichts anderes, als dass die drei Töne in unterschiedlicher Reihenfolge angeordnet sein können. Egal, wie herum die Töne des Akkordes übereinander geschichtet werden – sie bleiben stets ein und derselbe Akkord.
Die Grundstellung eines Akkordes ist immer folgendermaßen gegliedert:
- Grundton – Terz – Quinte
Für die 1. Umkehrung wird nun einfach der tiefste Ton um eine Oktave nach oben gesetzt. Der Aufbau der 1. Umkehrung lautet daher:
- Terz – Quinte – Grundton (eine Oktave höher)
Dasselbe Prinzip gilt für die 2. Umkehrung. Wieder wird der tiefste Ton oktaviert. Der Aufbau der 2. Umkehrung ist somit:
- Quinte – Grundton (eine Oktave höher) – Terz (eine Oktave höher)
Hier noch einmal alles in Noten, Tabulatur und Sound:
Akkord-Umkehrungen sind tatsächlich vor allem ein Segen für die Stimmführung, also wie einzelne Stimmen eines Akkordes in die des nächsten übergehen. Hier wird nämlich immer versucht, die Wege so kurz wie möglich zu halten.
Anhand einer einfachen Akkordfolge (C-Dur, F-Dur, G-Dur, C-Dur) wird das schnell deutlich: Einmal spiele ich alle Akkorde in der Grundstellung und einmal mit den passenden Umkehrungen. Man kann sowohl sehen als auch hören, dass die zweite Version die deutlich elegantere und homogener klingende Lösung ist, da alle Stimmen sich maximal um einen Ganzton bewegen.
Enge und weite Lage
Da ganz viel unseres harmonischen Wissens auf Chormusik beruht, werden die einzelnen Töne eines Akkords auch häufig als “Stimmen” bezeichnet und ihre gemeinsam Anordnung als “Satz”. Im Folgenden geht es also um Möglichkeiten, diese Stimmen/Töne zu setzen.
Von “Enger Lage” spricht man, wenn die einzelnen Stimmen den kleinstmöglichen Abstand zueinander aufweisen. Dies trifft auf alle bisherigen Beispiele zu. Zur Veranschaulichung hier noch einmal die Grafik mit Dur- und Moll-Dreiklängen:
Die enge Lage klingt beim Spielen von Akkorden auf dem Bass in den meisten Situationen leider auch “eng”, da kaum Raum zwischen den einzelnen Stimmen existiert. Gerade auf dem Bass wird dies sehr offensichtlich: Je tiefer man Dreiklänge in der engen Lage spielt, desto mehr “Mulm” entsteht.
Um das Ganze offener, breiter und luftiger klingen zu lassen, gibt es die Technik der “Weiten Lage”. Hier wird immer die mittlere Stimme eine Oktave noch oben versetzt. Habe ich z.B. einen F-Dur-Dreiklang, der in der Grundstellung aus den Tönen F-A-C besteht, wird jetzt die mittlere Stimme (das A) eine Oktave nach oben gesetzt. Somit erhalte ich den Aufbau F-C-A. Dies gilt sowohl für die Grundstellung als auch für die Umkehrungen.
So sieht das für Dur- und Moll-Akkorde aus:
Stufendreiklänge
Die einzelnen Töne einer Tonleiter werden auch als “Stufen” bezeichnet und der Reihe nach beziffert. Auf jeder Stufe kann man nun mit den Tönen der Tonleiter (auch “leitereigene Töne” genannt) mit Terz-Schichtungen Akkorde bilden. Diese heißen Stufenakkorde und sehen in F-Dur folgendermaßen aus:
Diese Abfolge ist relativ, lässt sich also auf alle Dur-Tonleitern übertragen. Wie ihr seht, steht in jeder Dur-Tonleiter auf der ersten, vierten und fünften Stufe ein Dur-Dreiklang, auf der dritten und sechsten Stufe ein Moll-Dreiklang, und auf der siebten Stufe ein verminderter Dreiklang.
Viele Songs bestehen “nur” aus Stufenakkorden. Hier zwei berühmte Beispiele:
Griffbilder für Dreiklänge auf dem E-Bass
Endlich sind wir durch mit der Theorie und widmen uns der Umsetzung auf unser Instrument. Hier findet die Griffe für Dur- und Moll-Dreiklänge in der engen Lage als PDF und Video. Ich habe abermals als Beispiel den Grundton F gewählt, aber die Griffe gelten natürlich für alle Tonarten.
Zur Übung habe ich ein Kinderlied mit Akkorden in enger Lage für E-Bass arrangiert, da in diesem alle Umkehrungen mehrfach vorkommen. Den Titelsong zu “Pippi Langstrumpf” kennt wohl jeder, die Melodie besteht fast ausschließlich aus Tönen, welche in den zugrunde liegenden Dreiklängen enthalten sind.
Das macht das Lied zu einer perfekten Übung! Damit die Melodie wirklich gut hörbar wird, sollte sie immer die höchste Note in des Akkords sein. Daraus ergeben sich dann automatisch die entsprechenden Umkehrungen.
So sieht das aus:
Hier die jeweils drei Griffbilder für die weite Lage, welche verglichen mit der engen Lage am Bass deutlich transparenter klingt:
Auch hierzu gibt es eine kleine Übung, die zeigen soll, was man damit anstellen könnte:
So, dies war der erste Teil zum Thema “Akkorde spielen auf dem Bass”. Beim nächsten Mal geht es um Vierklänge. Viel Spaß beim Üben, Lernen und Entdecken, euer Thomas Meinlschmidt