Praxis
Für meinen Praxistest verwende ich ein iPad der zweiten Generation mit iOS 8.3. Eine herausnehmbare, verriegelbare Distanzschale sorgt dafür, dass auch die neuen, flacheren Modelle sicher Halt finden. Schnell ist die Verschlussklappe an der rechten Seite des Pults nach unten gekippt und das Tablet ohne weitere Mühe eingeschoben, woraufhin es recht stramm im Schacht sitzt. Einerseits ist das gut, weil so nichts wackeln kann. Andererseits gibt es nichts, was mein Tablet vor Kratzern beim Rein- und Rausziehen schützt. Das muss nicht sein.
Schließlich muss ich mich für den passenden Dock-Connector entscheiden. Dank der mitgelieferten Adapter finden sowohl Tablets mit Lightning- als auch klassischem 30-Pol-Steckeranschluss. Die Kabellängen sind perfekt konfektioniert und nach Betätigung des An/Aus-Schalters erwacht das Alesis iO Mix zum Leben. Die Power-LED an der Vorderseite signalisiert, dass es losgehen kann. Sehr schön und praxisnah: Nebenbei wird der Akku meines Tablets geladen.
Mischpultfunktion
Zunächst teste ich das Pult ohne iPad. Die E-Gitarre wird bei aktiviertem Guitar-Schalter in Input 1 gestöpselt. An Kanal 2 schließe ich ein SM58 an. Kanal 3 und 4 werden von aktiven DI-Boxen gespeist, die das Stereosignal eines Keyboards aufnehmen. Deren Stromversorgung übernimmt die Phantompower des iO Mix. Den Main Out schließe ich an die Endstufe der Proberaumanlage an und schnell sind alle Pegel justiert. In den Kanälen drehe ich den Gain erst soweit auf, dass die Peak-LED leuchtet, dann wieder ein kleines Stück zurück und schon kann fröhlich musiziert werden. Für die Kanäle 1 und 2 aktiviere ich außerdem den Low-Cut.
Selbst bei diesem kleinen Setup freut man sich über den effektiven Zweiband-EQ. Die Gitarre wird im Bassbereich etwas verschlankt, und obenrum kommen noch ein paar Höhen drauf. Ebenso verfahre ich bei Stimme und dem Keyboard drehe ich die Höhen etwas weg. Jetzt noch den Summen-Fader nach oben – und siehe da, man hört nichts. Klar, erst muss „Direct” gedrückt werden, damit die Kanäle auf der Summe landen.
iPad-Test
Jetzt kommt das iPad ins Spiel. Das Setup aus dem Standalone-Test bleibt bestehen und GarageBand soll herhalten, um zu sehen, wie es um Multitrack-Recording und Playback bestellt ist. Ich entscheide mich für GarageBand, weil es wahrscheinlich das am weitesten verbreitete Mehrspursystem auf dem iPad ist. Schnell sind ein paar Spuren zur Aufnahme erzeugt. Ich drücke den 4CH-Button, damit jedem Kanal im Mixer ein Input-Kanal vom iPad zugeordnet wird (Direct-Out-Schaltung bei anderen Pulten). Das Metronom ist eingeschaltet, Direct-Monitoring ist aktiviert und im Nu sind ein paar Gitarrensounds aufgenommen. Der zugehörige Channelfader bestimmt nicht nur den Send-Level zum Computer, sondern auch meine Monitoring-Lautstärke. Es folgt die Keyboard- und Vocal-Aufnahme, wobei der Limiter bei lauten Passagen überzeugt: nichts übersteuert, sehr gut. In kurzer Zeit ist so ein kleines Demo aufgenommen.
Beim Einspielen ist die Direct-Monitoring Funktion besonders praktisch, weil man so sein Signal, ohne es durch die Software zu schicken, komplett latenzfrei über die Summe hört. Beeindruckend wie handlich und effektiv die Kombination aus Alesis iO Mix und iPad ist. An den klanglichen Qualitäten habe ich nichts auszusetzen. Die Mikrofonvorverstärker verrichten einen guten Job und auch die EQs machen einen zufriedenstellenden Eindruck. Das Gehäuse und die Potis sind wahrscheinlich nicht für den harten Road-Einsatz konzipiert. Man hätte sich hier ansonsten wahrscheinlich für eine stabilere Metallvariante entschieden.
Zweite Meinung
(von Christian Boche): Ein Gehäuse komplett aus Kunststoff, welches optisch keinen überaus soliden Eindruck hinterlässt, verlangt einen sorgfältigen Umgang. Hat der User die Garantie-Informationen gelesen, ist dem Testgerät pflegliche Behandlung gewiss, da „Kratzer und Beschädigungen durch normalem Gebrauch aller Plastikoberflächen“ nicht durch den Hersteller abgedeckt werden. Vorsicht ist auch beim Einschub des iPads geboten: Unnötige Erhebungen in der Plastikoberfläche können Spuren hinterlassen! Die Schutzfolie auf meinem iPad 2 löste sich an einer Ecke, das muss bei einer dezidierten iPad-Lösung wirklich nicht sein. Ebenso wenig wie die wackeligen Fader und die fehlende Zugentlastung des externen Netzteils.
Gut gelöst ist dagegen der kritische Punkt Zukunftssicherheit. Die Firma Apple ist keineswegs verlegen, ihre Kunden mit neuen Gehäusevarianten und Steckverbindungen in den Wahnsinn zu treiben. Alesis versucht, möglichst vielen iPad-Usern Zugang zum iO Mix zu gewähren, in dem es über Adapter den alten 30-Pin-Anschluss und den aktuellen Lightning-Stecker unterstützt. Sollte Apple abermals den Stecker wechseln, könnte Alesis vermutlich mit einem passendem Adapter kontern. Laut Handbuch (keine drei Seiten dick) unterstützt das iO Mix iPads der 2., 3. und 4. Generation. Im Rahmen einer empirischen Versuchsreihe hat sich gezeigt, dass es durch den mitgelieferten Wechselschlitten sogar möglich ist, das erste iPad zu verwenden.
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Generation 2
… und alle gleich großen Pads finden ebenfalls Halt. iPad Air und iPad Mini können technisch zwar angedockt werden, sind aber zu schmal/klein für den Schacht. Abhilfe könnte Alesis mit passenden Wechselschlitten schaffen. Bis dahin polstern Besitzer eines iPad Air den Einschubschacht mit Tesa Moll oder Moosgummi aus dem Bastelladen und schlagen so zwei Fliegen mit einer Klappe. Immerhin besitzt der Tablet-Schacht eine umlegbare Verschlussklappe samt Federmechanismus, sodass das iPad nicht sofort Opfer der Schwerkraft wird, falls man das iO Mix in einem ungünstigen Winkel hält. Eine richtige Verriegelung für die Klappe wäre indes wünschenswert.
Ist das iPad im Dock des iO Mix eingelaufen, liegt es zwar im sicheren Hafen, dafür kann der Anwender allerdings bis auf den Home Button keinen weiteren Schalter des Tablets mehr erreichen. Das bedeutet: Ist die Aufnahme-Session beendet und schaltet man das iO Mix über den Netzschalter aus, bleibt das iPad im ungünstigsten Fall so lange eingeschaltet, bis es der leere Akku in den Ruhestand schickt. Also muss man das iPad aus dem iO Mix Dock entfernen und von Hand ausschalten.
Punkten kann der Kandidat durch die gleichzeitige Aufnahme von vier separaten Audiospuren. Zum Vergleich: Das Focusrite iTrack Dock oder Behringers iStudio IS202 können maximal zwei Mikrofone gleichzeitig aufzeichnen, besitzen allerdings eine komplette MIDI-Schnittstelle und USB für den Anschluss von Controllern. Unverständlich, warum Alesis dies beim iO Mix nicht vorgesehen hat, zumal das günstige iO Dock II aus gleichem Hause 5-Pol-MIDI und USB mitbringt. Hier hat man meiner Meinung nach den Rotstift zu rigoros angesetzt. Das umso mehr, da die Auswahl an virtuellen Instrumenten für das iPad mittlerweile erfreulich groß und eine Steuerung via Controller oder Tastatur mehr als wünschenswert ist. Das führt unweigerlich zu der Frage, wer ein Tool wie das iO Mix tatsächlich benötigt respektive ob ein externes iOS-Audiointerface nicht die elegantere Lösung ist.
Einfache Antwort: Kommt drauf an!
In einer ruhigen Recording-Umgebung benötigt man nicht zwingend eine Desktop-Lösung wie das iO Mix. Ein Interface wie das iConnect Audio 4+ kann ebenfalls vier Kanäle gleichzeitig aufnehmen, besitzt eine MIDI-Schnittstelle, kann sogar iPad und Computer (Mac & PC) im Verbund betreiben und kostet nicht sehr viel mehr.
Das iO Mix besitzt allerdings den Vorzug, dass es ohne viel Aufhebens auf jeder waagerechten Oberfläche abgelegt werden kann und die Verbindung zwischen iPad und Audiogerät sicher in einem Rahmen versteckt. Das prädestiniert den Kandidaten für Einsätze, wo eine kompakte Lösung ohne viel Kabelsalat gefragt ist. Im Verbund mit weiteren Geräten, sicher im Winkelrack untergebracht, ließe es sich zum Beispiel für das Abfeuern von Backing-Tracks im Live-Einsatz verwenden. Etwa aus einer Recording App wie Auria, bei der man die Musik auf Kanal 1 und einen Click-Track auf Kanal 2 ausspielen kann. Den Click-Track könnte man sogar wieder in einen der vier Eingänge des iO Mix schicken und dort abhören. Eine unkomplizierte Möglichkeit, den eigenen Gig mit Konservensound anzureichern. Dabei ist der direkte Zugriff auf die Hardware-Fader neben der Tatsache, dass man kein ausgewachsenes Laptop samt separaten Audiointerface mitschleppen muss, besonders vorteilhaft.
Mit Apps wie SoundCue Lite oder LivePlayback lassen sich zudem Soundeffekte punktgenau abfeuern oder Halbplayback-Künstler mit der passenden Musik unterstützen. Kein Gehampel mit unbeschrifteten CDRs und auf Bierdeckeln gekritzelten Song-Reihenfolgen. Stattdessen bequeme Touchscreen-Bedienung über das iPad samt eleganter Verwaltung der Playlisten. Experimentierfreudige Tontechniker könnten das iO Mix sogar als Effektgerät einsetzen, beispielsweise mit der App Elephantcandy LiveFX. Bassisten und Gitarristen nutzen virtuelle Amps (z. B. BIAS von Positive Grid) und finden mit dem iO Mix eine kompakte Lösung samt Hi-Z Eingang, die auf jedem Case, Tisch oder Bierkasten Platz findet. Dass die Eingangsektion auch ohne iPad funktioniert, finde ich weniger aufregend. Vier Monokanäle mit rudimentärer Klangreglung lassen nämlich nicht viel Spielraum für sinnvolle Anwendungen. Es bleibt dabei: Vier Mikrofone bzw. vier Kanäle gleichzeitig aufzeichnen zu können bleibt, in Verbindung mit dem direkten Zugriff auf Fader und Potis, das stärkste Argument für das Alesis iO Mix.