Praxis
Bedienbarkeit
Von einem digitalen Piano wie dem Alesis Prestige erwartet man, das Instrument möglichst ohne Lektüre zu verstehen und zu bedienen, was wunderbar klappt. Sollten noch speziellere Fragen offenbleiben, hilft das kurze deutschsprachige Benutzerhandbuch. Wer Änderungen (Effekt, Transposition, Feinstimmung, etc.) vornehmen möchte, muss dies stets über „Key Function“ erledigen. Die Beschriftung der Klaviertasten für Key Function über die 88er-Tastatur ist ziemlich klein geraten und nicht gut sichtbar. Man muss selbst bei günstigen Lichtverhältnissen den Kopf schon deutlich neigen, um die einzelnen Funktionen abzulesen. Hinzu kommt, dass jede Aktion akustisch mit einem deutlichen Click bestätigt wird, was bei der Nutzung von Key Function – etwa beim Transponieren – vor Publikum störend werden kann. Das Erstellen von Layer oder Split-Kreationen gelingt schnell und es lassen sich für die beiden Klänge unterschiedliche Lautstärken einstellen. Leider können zwei Presets einer Sound-Kategorie, etwa zwei verschiedene E-Piano-Klänge, nicht gelayert (geschichtet) werden. Es wäre auch praktisch, ein paar eigene Split/Layer-Kombinationen speichern und später zügig aufrufen zu können.
Wie überzeugend klingt das Alesis Prestige?
Bei diesem attraktiven Preis stellen wir zwar nicht die höchsten Ansprüche, der Sound darf aber dennoch keinesfalls enttäuschen und muss eindeutig Lust aufs Pianospiel wecken. Insgesamt stehen in dem Digitalpiano 16 Klangprogramme zur Auswahl, die wir der Reihe nach anspielen.
Das erste Grand Piano des Alesis Prestige klingt ausgewogen und ist der universelle Typ für Klaviermusik jeder Art.
Die etwas „dunklere“ und wärmere Ausführung des Konzertflügels eignet sich gut für Stilistiken wie Romantik und Popballaden. Schade ist, dass im obersten Diskant ein paar schrillere Töne zu vernehmen sind.
Die Variante „Bright“ ist fürs Rock/Pop-Genre optimal. Ähnlich der Roland SA-Pianos aus den 1980er Jahren (Roland RD-1000 und MKS-20) hat es einen eher drahtigen, bissigen und vor allem obertonreichen Basisklang.
Das Cembalo des Alesis Prestige ist für historische Musik weniger interessant als für Popmusik-Arrangements. Es klingt angenehm rund und lässt sich gut spielen.
Das erste E-Piano des Alesis Prestige orientiert sich klanglich an einem Fender Rhodes Mark 1. Prinzipiell ist es gut einsetzbar, aber mangels Effekten wie Chorus und Phaser sind die beliebten schwebenden Begleitakkorde kaum zu ermöglichen.
Als nächstes E-Piano steht ein Suitcase-Modell auf dem Plan. Es klingt glockiger und transparenter als die erste Variante, auf Tremolo- und Panning-Effekte muss man leider verzichten, weshalb auch dieser E-Piano-Sound nicht besonders lebendig wirkt.
Das im Country, Pop und Soul populäre Wurlitzer-Piano ist beim Alesis Prestige ziemlich gut getroffen. Dessen „hölzerner“ Basisklang wird gut transportiert und es macht Spaß dieses E-Piano dynamisch zu spielen.
Wie schon erwartet, findet sich auch ein E-Piano, das auf klassischer FM-Synthese beruht. Der im Alesis Prestige realisierte Sound ist zwar klanglich nicht ganz so brillant und detailliert wie das Pendant aus dem berühmten Yamaha DX7, lässt sich aber gut verwenden, so auch in Kombination mit einem akustischen Piano.
Die erste Orgel im Angebot, die „Jazz Organ“ zeigt sich perkussiv und statisch zugleich, wodurch sie nicht allein für jazzige Passagen, sondern vor allem auch für House, Dance Pop geeignet ist.
Rotzig oder röhrend ist die „Rock Organ“ des Alesis Prestige nicht, es mangelt ihr primär an der nötigen Verzerrung. Jedoch lässt sich der Klang für prägnante Soli oder Akkorde gut einsetzen. Der „Rock Organ“ fehlt wie auch der „Jazz Organ“, der typische „Leslie-Effekt“, welcher den Sound zum Leben animiert.
Auch bietet das Alesis Prestige eine Kirchenorgel, deren klangliches Ergebnis sich nicht besonders überzeugend zeigt, zumindest in der ersten Variation.
Gelungener ist „Church 1“, die zweite Kirchenorgel, die an die Orgel einer Kapelle erinnert und passabel klingt.
Von schnellen Passagen bis zu langen Flächen universell verwendbar mit einem warmen Sound: Das Streicher-Preset bereichert den Sound-Fundus des Alesis Prestige, auch im Hinblick auf die Split- und Layer-Möglichkeiten.
Der Kontrabass ist wegen der kurzen Attackphase insgesamt sehr perkussiv geraten. Für die typischen schnellen Walking-Bass-Linien funktioniert er aber passabel.
Der „Poly Synth“ des Alesis Prestige gefällt durch ein leicht schmatzendes Resonanzfilter mit kürzerem Decay und eignet sich besonders für Rock/Pop sowie für Funk und Soul.
Der letzte Sound des Alesis Prestige ist ein „Synth Bass“, allerdings fehlt es ihm an Druck und Tiefe, womit er sich eher fürs polyfone Spiel als Variante eines „Poly Synth“ eignet.
Alles in allem ist es ein vielseitiges Aufgebot an Klängen, das qualitativ etwa im Durchschnitt liegt, wenn man alle vergleichbaren Digitalpianos berücksichtigt. Das etwas größere Modell, Alesis Prestige Artist, bietet 14 weitere Sounds.
Welches Spielgefühl kommt auf?
Der Wohlfühl-Faktor stimmt beim Alesis Prestige. Insbesondere die akustischen Klaviere sind gut über die Tastatur spielbar, deren Dynamikansprache individuell eingestellt werden kann. Im Bereich der Dynamikumsetzung stört es nur ein wenig, dass selbst Orgeln sehr empfindlich auf die Anschlagsdynamik reagieren. Das Lautsprecher-System arbeitet ordentlich, auch wenn man sich bei einer Leistung von 2 x 25 Watt noch etwas mehr Power erhofft, für die meisten Situationen wird die Gesamtlautstärke ausreichen. Wer das Piano in einer Band einsetzen möchte, wird sowieso einen separaten Verstärker einsetzen und dafür den Stereo-Ausgang nutzen, der übrigens nicht den allerstärksten Pegel bringt. Die klangliche Qualität der internen Hall-Effekte trübt ein wenig den Gesamteindruck, lässt sich aber verkraften, wenn man den Einsatzbereich des Pianos und den geforderten Preis im Auge behält. Es ist aber ein Leichtes, die Effektsektion komplett abzuschalten. Das dem Alesis Prestige beigelegte Sustain-Pedal ist recht einfach gehalten und nicht fixierbar, was das Ganze zu einer rutschigen Angelegenheit beim Spielen werden lässt, wenn der Untergrund glatt ist. Allerdings lässt sich hier alternativ noch eine breitere 3er-Pedaleinheit anschließen, die allerdings optional erhältlich ist.
Unterstützung beim Üben und Lernen
Das Alesis Prestige verfügt über ein Metronom. Lautstärke, Tempo und Taktart lassen sich per Key Function einstellen. Zudem können Stücke, Tonleitern oder andere Passagen im User-Song-Modus aufgenommen werden, was gut zur Selbstkontrolle beim Üben ist. Wer zusammen mit einem Klavierlehrer spielt, profitiert vom Lektions-Modus des Alesis Prestige: Die 88 Tasten werden hierbei in zwei gleiche Zonen unterteilt, was an quasi zwei identische Klaviere erinnert, die gleichzeitig zur Verfügung stehen.
Alex S sagt:
#1 - 30.06.2021 um 07:17 Uhr
Ausführlicher, informativer Test, aber: "sehr abgeschrägten Bedienpanel ist es leider kaum möglich, ein
Smartphone, Tablet-PC oder andere Gegenstände sicher auf der oberen
Seite des Digitalpianos zu parken" Ich stelle mein iPad einfach auf den Notenständer und kann dessen Display so am besten einsehen & bedienen - wieso flach auf dem Piano ablegen???