Amazing Noises Grain Scanner Test


Der Grain Scanner ist ein neuer Max-for-Live-Device, den Ableton als Livepack im eigenen Shop anbietet. Programmiert von Amazing Noises, die unter anderem auch für das Livepack „Creative Extensions“ verantwortlich waren, ist der Granularsynth ein echtes Sounddesignwerkzeug. Wir zeigen euch, welche Sounds der Synth mitbringt und wie ihr bestehende Aufnahmen mit ihm verfremden könnt.

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Granularsynthese ist in aller Munde. Die körnigen, glitzernden Glitchsounds, die spätestens seit Flumes Album „Skin“ (2016) dem Trap- und Synthwave-Einheitsbrei an allen Ecken den Rang abgelaufen haben, werden bei jeder Sounddesigndiskussion, jedem „Wie-macht-der-das“ angesprochen. Weder mit Platzhirsch Serum noch mit Samplern, wie  SampleTank, sind solche Sounds möglich. Als dann mit „Straylight“ diesen Sommer auch noch ein Kontaktinstrument auf den Markt kam, das ebenfalls in Granulargefilden wilderte, war klar: Es granuliert.

Jeder der weißen Striche ist ein „Grain“, der gerade an dieser Stelle im Sample abgespielt wird.
Jeder der weißen Striche ist ein „Grain“, der gerade an dieser Stelle im Sample abgespielt wird.

Das Grundprinzip von Granularsynthese lässt die Grenzen zwischen Synthesizern und Samplern verschwimmen. Früher wurden auf der einen Seite Wellen erzeugt (analog), ausgelesen (Wavetable) oder moduliert (FM) und auf der anderen Seite Samples abgespielt, am besten per Timestretching-Algorithmus ohne Tempovariation. 
Grundsätzlich liegt Granularsynthese dieselbe Technologie sämtlicher Timestretching-Algorithmen unserer geliebten DAWs zugrunde: Warp in Ableton Live, VariAudio in Cubase, FlexTime in Logic oder Elastic Audio in Pro Tools basieren alle auf folgendem Konzept: Wenn mono- und polyphones Audiomaterial langsamer abgespielt wird, als es aufgenommen wurde, werden die entstehenden Zwischenräume mit „Grains“, also mit Schnipseln des umliegenden Audiomaterials, gefüllt.

Details

Das Livepack „Grain Scanner“ gibt es im Webshop von Ableton. Nach dem Kauf kann das Pack im laufenden Betrieb von Live 10 im Bereich Packs geladen und installiert werden – sehr einfach. Der Download ist ca. 230 MB groß, die gesamte Installation benötigt gut 450 MB, eine Vielzahl an Samples und Loops ist im Livepack enthalten. Durch die Verknüpfung mit Max for Live ist dieser Synthesizer nur in Ableton Live nutzbar. Damit er fehlerlos funktioniert, braucht ihr mindestens Ableton Live 10 Standard (Version 10.1) und Max for Live 8.1.

Neben 118 Presets bringt Grain Scanner auch noch über 80 Samples und Loops mit, die für das eigene Sounddesign importiert werden können.
Neben 118 Presets bringt Grain Scanner auch noch über 80 Samples und Loops mit, die für das eigene Sounddesign importiert werden können.

Komplexe Sounds im Grain Scanner

Lädt man Grain Scanner das erste Mal, schlägt einem der in Ableton Live so verbreitete Minimalismus entgegen: klein, schwarz und rot. Ein einziger Tastendruck erzeugt bereits das für Granularsounds so typische Flattern, besonders spektakulär oder komplex ist das aber noch nicht. Eine erste Reise durch die 118 mitgelieferten Presets belehrt uns eines Besseren. Manche der Pads und „Evolving“-Sounds hinterlassen durch die Tiefe und Komplexität der Modulationen einen fast dreidimensionalen Eindruck. 
Stichwort Komplexität: Diese wird bei Synthesizern oft durch den Unison-Parameter erhöht, der quasi virtuelle, leicht zur Hauptstimme verschobene und verstimmte Instanzen erzeugt. Bei den meisten ist bei 16 Schluss. Grain Scanner spricht hier von Layern, lässt davon sage und schreibe 128 zu, auch mit Kommastellen. „Was darf’s denn sein?“ – „Ich hätte gerne 32,47 Layer.“ – Kein Problem. Ansonsten findet man auf der ersten Hauptseite viele Parameter mit Prozentzahlen. Fast immer geht es um Zufallswahrscheinlichkeiten. Je höher die Prozentzahl, desto unterschiedlicher werden die einzelnen Grains. Da rauscht und knackt es anfangs ordentlich, bis man die richtige Dosis gefunden hat.

Das Leben des Grain – komplexe Sounds brauchen starke Maschinen

Stichwort Knacken: 128 Layer, maximal 10 Stimmen Polyphonie und das alles noch moduliert – Grain Scanner ist ein ordentlicher CPU-Reiter. Auf dem Testrechner (Macbook Pro, 2,5 GHz, Intel Core i7, 16 GB Ram, 521 GB SSD) verharrte Ableton Lives CPU-Anzeige (bei kurz eingestelltem Buffer) bei einigen Presets bei kurz über 60 %, wenn nur ein Akkord gespielt wurde. Dafür wird man mit Soundwelten belohnt, die so sonst kaum möglich sind. Jedes der Grains kann zufällig rückwärts, laut oder leise, eine Oktave höher, links oder rechts sowie an zufälligen Stellen des Audiomaterials abgespielt werden. 
Beim Sample selbst lässt sich bestimmen, welcher Teil des Materials vom Grain Scanner überhaupt durchgescannt wird. Der genaue Verlauf beim Abspielen jedes einzelnen Grains– und das ist wirklich neu – lässt sich unten rechts mit dem Parameter „Grain Window“ auf zehn verschiedene Arten variieren. Quasi eine individuelle Hüllkurve für jedes Grain. Dazu gibt es aber natürlich auch noch im Bereich „Env“ eine ganz normale ADSR-Hüllkurve, mit der ihr den Verlauf des gesamten Sounds bestimmen könnt.

Fotostrecke: 2 Bilder Jedes Grain Window verändert den Sound der Grains. Manche der neun Windows bringen zusätzlich noch Einstellungen mit, mit denen man die Form noch weiter anpassen kann.

Effekte bringt Grain Scanner ganze drei mit – wenn man das Filter nicht als eigenen Effekt betrachtet, sind es nur noch zwei. Das Filter ist ein Multimode-Filter, in dem man stufenlos zwischen Lowpass, Bandpass und Highpass switchen kann. Der „Distortion“-Effekt dahinter verzerrt entweder als „Saturator“ alles unterhalb einer gewählten Frequenz oder alles oberhalb als „Exciter“. Raumig und wolkig wird das Ganze dann noch mit einem Reverb.

Fotostrecke: 3 Bilder Die vier Balken rechts zeigen die jeweilige Modulationsbewegung der vier LFOs an.

Um eine der 30 Modulationsziele in der „Matrix“ zu modulieren, muss unter „Mod“ erst einer der vier LFOs aktiviert werden, indem man eine der neun verschiedenen Wellen und das gewünschte Tempo auswählt. Ihr könnt auch bestimmen, ob die Welle temposynchron laufen, bei jeder neuen MIDI-Note neu getriggert werden oder ob sie bei jeder MIDI-Note nur einen Durchlauf haben soll. 
Zurück in der Modulationsmatrix verteilt ihr die LFOs auf die Parameter und stellt über die Prozentanzeige die Stärke ein. Der Knopf zum Granularglück ist jetzt aber der „Global“-Button daneben. Der switcht um zu „Local“ und jeder der gespielten Stimmen wird eine eigene, leicht variierte Version der Modulation verpasst. Klangwolken bis zum Himalaya sind damit garantiert.

Audio Samples
0:00
08. Sample „Epic Entrance“ Bypass 09. Sample „Epic Entrance“ Import
 10. Sample „Epic Entrance“ Modulation 
 11. Sample „Guitar Pulse“ Bypass 
 12. Sample „Guitar Pulse“ Import 
 13. Sample „Guitar Pulse“ Modulation

Der Import von eigenen Samples ist denkbar einfach. Entweder wählt ihr aus einer der 80 mitgelieferten Samples aus oder ihr nehmt eigene Sounds. Per Drag-and-drop dann einfach nur noch in den Grain Scanner ziehen – und fertig. Die Möglichkeit, einen Loop mit einem internen, oder besser noch mit dem Ableton-Raster, zu synchronisieren, fehlt leider. Über „Duration“ stellt ihr die Dauer der „Körner“ ein. Diese lässt sich aber nicht bei beispielsweise Achtel- oder Viertelnoten einstellen. Auf der anderen Seite reicht es aber oft schon, ein Geigensample in Grain Scanner zu ziehen, „Duration“ und „Scan“ aufzudrehen und einen Akkord zu halten und fertig ist die Filmmusik. Und bei der kommt es auf zackiges Synchronlaufen eh nicht an, so lange es flächig bleibt, versteht sich.

Fazit

Grain Scanner stößt das Tor zur Granularsynthese für Interessierte weit auf. Sample rein, zwei, drei Regler aufdrehen, fertig ist das Flattern. Wie simple man hier selbst aus einfachsten Aufnahmen unendlich funkelnde Klangkulissen erzeugen kann, ist wirklich einladend. Komplexe Sounds bedeuten aber oft auch CPU-Hunger. Leider auch im Fall von Grain Scanner. Im Test mussten Spuren, sobald sie eingespielt waren, immer eingefroren werden, damit das Projekt nicht festhing. Dass hier leider alle Nicht-Live-Nutzer in die Röhre schauen müssen, ist bedauerlich – ist Grain Scanner doch ein wahrer Spielplatz für Klangtüftler. Der Granularsynthesizer lädt durch seinen einfachen Aufbau, seine sehr komplexen Sounds und Modulationsmöglichkeiten zu stundenlangem Sounddesign ein.

Pro
  • Komplexe Sounds mit wenigen Schritten
  • Sehr übersichtlich
  • Neue Sounddimensionen durch zehnfache Polyphonie
  • Presetsounds eignen sich für Filmmusik
  • Sehr komplexes Sounddesign möglich
Contra
  • Kann sehr CPU-intensiv sein.
  • Keine Möglichkeit, Loops synchron abzuspielen
  • Nur in Ableton Live nutzbar
Features
  • Granularsynthesizer für Ableton Live
  • zehnstimmig polyphon
  • 4 LFOs
  • Step-Sequencer
  • 118 Presets
  • Import von eigenen Samples
Systemvoraussetzungen
  • Ableton Live Standard (10.1 oder höher)
  • Max for Live (version 8.1 oder höher)
Preis
  • Vollversion im Ableton-Shop: 49 € (Straßenpreis 8.11.19)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Komplexe Sounds mit wenigen Schritten
  • Sehr übersichtlich
  • Neue Sounddimensionen durch zehnfache Polyphonie
  • Presetsounds eignen sich für Filmmusik
  • Sehr komplexes Sounddesign möglich
Contra
  • Kann sehr CPU-intensiv sein.
  • Keine Möglichkeit, Loops synchron abzuspielen
  • Nur in Ableton Live nutzbar
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Amazing Noises Grain Scanner Test
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