PRAXIS
Auf die Workbench, fertig, los!
Selten war ein Kandidat so einfach in Betrieb zu nehmen. Ich muss ihn lediglich auf den DJ-Tisch befördern, mit der Anlage verkabeln, unter Strom setzen und einen MP3-Stick einstecken. Beide Laufwerke können sich diesen einen Stick teilen, ohne im Test Aussetzer zu produzieren. Die Ladezeit eines Titels liegt bei wenigen Millisekunden, der Wechsel zwischen den USB-Sticks kann nur im Pausenmodus erfolgen, damit man nicht versehentlich die Wiedergabe des Tracks stoppt. Mit dem Doppelzeilen-Display und den zwei dedizierten Navigations-Push-Encodern für Folder und Track manövriert es sich zielstrebig auch durch verschachtelte Ordner-Strukturen. Im Titel selbst spult der Beschallungsverantwortliche via Search-Buttons. Ferner ist es möglich, mit der mitgelieferten Software dbh-Files zu erzeugen, die Track-Infos auf den Stick in Datenbankdateien schreiben. Dadurch können Musikdateien am Gerät in alphabetischer Reihenfolge nach Title, Artist, Album oder Genre durchsucht werden.
Unser Testkandidat geizt vor allem an den symmetrischen Ausgängen nicht mit Pegel. Die Preamps der Eingänge sind gut aufeinander abgestimmt, sodass es im Mix mit unterschiedlichen Quellen nicht zu drastischen Pegel-Unterschieden kommt. Die nachstehenden Audiofiles wurden am Cinch- und XLR-Ausgang bei Nullstellung aller Regler mit einem externen Interface aufgezeichnet. Dazu haben wir einen Auszug der Schallplattenfassung mit dem internen Vierkanal-Audio-Interface digitalisiert, welches leider nur mit 16-Bit bei maximal 44,1 kHz Sample-Frequenz arbeitet. Die Phonowandler arbeiten authentisch und klingen ziemlich druckvoll. Für die Archivierung der eigenen Plattensammlung würde ich persönlich dennoch ein externes Interface einsetzen, da mit einem leistungsfähigerem Gerät auch brillantere Aufnahmen möglich sind. Das könnte dann aber durchaus soviel kosten, wie unser Proband. Unterm Strich möchte ich dem Versadeck unter Einbeziehung der Preisklasse eine gute Klangcharakteristik attestieren.
Für dich ausgesucht
Eine Autosync-Funktion haben die MP3-Player nicht an Bord, hier ist noch echte Handarbeit gefragt. Gutes Gehör ist im Beatmix ohne Software daher unerlässlich, ein treffsicherer Beatcounter kann ebenfalls zum Vorteil gereichen. Die automatische BPM-Auswertung benötigt etwa zwei Sekunden um eine erste Einschätzung zu generieren und ist im Live-Betrieb manchmal etwas wankelmütig, besonders wenn die Titel keine durchgängigen Rhythmen haben (was im heutigen Chart und Club-Umfeld denkbar selten ist). Wenn nötig hilft der Tap-Button bei der manuellen Tempoeingabe weiter. Dank der gut arbeitenden Pitchfader, Pitchbend-Taster und Jogwheels kommt man mit dem Versadeck auch in verspielten elektronischen Gefilden gut zurecht. Zu diesem Thema möchte ich anmerken, dass der (abschaltbare) Pitch-Fader drei Auflösungsstufen (6, 10, 16) bietet und laut Display bei sechs Prozent eine Auflösung von fünf Hundertstel an den Tag legt. Das Tempo lässt sich also ziemlich genau abgleichen. Beatindikatoren sind Mangelware, werden aber in der Praxis oftmals eh nicht genutzt.
Die Jogdials liegen gut in der Hand, adäquate Nudge-Vorgänge sind trotz fehlender Einstellmöglichkeiten für den haptischen Widerstand absolut kein Problem. Die Sensitivität des Sensors kann in den Preferences in einem Wertebereich von minus 20 bis plus 20 den eigenen Anforderungen angepasst werden, wobei man im niedrigeren Bereich schon deutlich fester zupacken muss. Überhaupt ist das interne Einstellmenü ein Mekka für Individualisten, womit ich bei weitergehendem Interesse auf das PDF der Herstellerwebsite verweisen möchte.
Medienintegration
Was ich wirklich schade finde, ist die mangelnde Unterstützung von Dateisystemen und Audioformaten bei den Abspieleinheiten. Denn das Versadeck beschränkt sich im ersten Fall auf FAT (12,16,32), im zweiten Fall auf MP3 und WAV. Wer also eine stattliche iTunes Sammlung im Format AAC oder MP4 hat, muss den Umweg über den Rechner gehen oder konvertieren – was im Falle kopiergeschützten Materials ja nicht das Gelbe vom Ei ist. Allerdings könnte hier ein iPad via Line-in gute Dienste leisten. Bei den Dateisystemen stößt die FAT-Beschränkung auf mein Unverständnis. Zum einen, weil es aktuell kaum noch Platten unter 500 GB gibt, die nicht mit HFS+ oder NTFS formatiert werden wollen. Zum anderen, weil Deejays, die im Genremix arbeiten, Plattenwünsche erfüllen oder von Haus aus mit umfangreicher Musikbibliothek zum Set fahren große Datenvolumen mit sich tragen müssen (versuch mal, auch nur einen von den 4-GB Sticks in der Tasche mit Titel-Listen zu beschriften). Drittens gehören sicherlich auch Menschen, die die MIDI-Funktion unseres Probanden nicht nutzen wollen zum potenziellen Kundenstamm. Einer davon sitzt gerade neben mir – seines Zeichens gestandener Chillout-DJ und Cross-Genre Musikliebhaber mit DJ-Notebook-Hemmschwelle. Er sucht aktuell ein Gerät, das sein analoges Set (DJ-Turntable, DJ-CD-Player) erweitern, den mittlerweile mehrere Jahre alten Dreikanal-Mixer in Rente schicken und den Wust an zum Gig mitgeschleppten CDs und Platten mittelfristig ersetzen soll. Er scheint vom Versadeck ziemlich angetan.
PC- und MIDI-Betrieb
Der Kandidat hat Treiber für den Apfel im Gepäck, was man ja als Mac-User nicht unbedingt gewohnt ist. Und so mussten beide Testrechner erst einmal ein paar Installationsroutinen über sich ergehen lassen. Für den PC befinden sich sowohl 32-Bit als auch 64-Bit Dateien auf der CD. Wir haben unter Mac-OSX-Lion einen Probelauf gewagt. Erfreulicherweise haben ADJ ihr Datenbankprogramm dbap endlich auf den Mac portiert, sodass sich die Sticks nun auch am Apple-Rechner archivieren lassen. Auf dem Screenshot könnt ihr sehen, welche Tags genau ausgelesen werden. Schade, dass hier keine grafische Wellenformdarstellung mit der Möglichkeit zum Anlegen und Speichern von Cues und Loops, wie bei Pioneers Recordbox implementiert ist. Was die MIDI-Kanäle angeht, können diese frei eingestellt werden. Bei Auslieferung sendet der Player 1 auf dem ersten MIDI Channel, der Mixer, Mic, VR und die Kopfhörer-Kontrollen auf Kanal 2 und der Player 2 auf MIDI-3.
Solange das Versadeck mit dem Rechner verbunden ist, bleibt die USB-Audio-Funktionalität des Controllers bei einem Wechsel der Signalquellen erhalten. MIDI-Konnektivität nach einer Trennung ist gewährleistet, wenn die Software einen Refresh versteht. Der DJ kann demnach aus allen Rohren feuern, einen Song vom Stick abspielen, eine frisch in die Hand gedrückte CD des Brautvaters in den externen Player legen, einen Plattenwunsch aus der Notebook-Bibliothek erfüllen oder eine Scratch-Einlage mittels angeschlossenem Turntable oder Jogdials vollziehen.
Für Einsteiger und Anwender mit begrenztem Budget ist vielleicht auch denkbar, dass Versadeck als zentrales Element und Mischpult-Ersatz im Heimstudio oder Partykeller zu integrieren, bei Bedarf abzustöpseln und zum nächsten musikalischen Stelldichein zu schleppen.
Im Testlauf mit Virtual Deejay stellte sich heraus, dass die meisten Funktionen äquivalent zur Hardware gemappt sind. Etwa die Transport-, Pitch- und Jog-Befehle. Zudem hat man vom Versadeck aus Zugriff auf Hotcues, Effekte und Loops nebst Cutter, wobei die Steuerung der Effekte über das Handrad zu realisieren ist. Auch für Traktor stellt der Hersteller eine Konfigurationsdatei, die neben den obligatorischen Abspielbefehlen noch einige höchst interessante Funktionen dem haptischen Direkt- oder Zweitzugriff unterwirft. Die Cue-Sektion steuert bis zu acht Markierungen an, Clear löscht und Save dient als Cue-Shifter für die Punkte fünf bis acht. Die Looptasten übernehmen ihre angestammten Funktionen, wobei die beiden Push-Encoder via Shift als „Cutter“ und „Juggler“ dienen. Im Normalfall „browsen“ sie allerdings durch Ordner und Listen. In der Deck-Sektion finden sich zudem Sync, Master, Keylock, Search, Scratch, Pitch und Pitchbend wieder. Außerdem ermöglicht Cue ein Vorhören des Decks auf dem Kopfhörer. In der Mixersektion sind die Kill-EQs doppelt belegt, denn sie können auch die Effektracks via Modifier steuern. Die Befehle für FX1/2-On und die Parameterbuttons, sowie Effect-On und Reset sind in der Zeile der Hardware-FX untergebracht. In der Praxis lässt sich, bis auf einige kleine Einschränkungen, ganz gut mit dem Mapping arbeiten. Ich habe das Versadeck in Traktor Pro im externen Modus betrieben.
Beatos sagt:
#1 - 20.01.2012 um 00:51 Uhr
Danke für diesen Test! Allerdings sei folgender Hinweis gestattet: Citronic hat den Vertrieb des MPX10 eingestellt. Kein Support mehr für das Gerät!Des weiteren gibt es die Workstation noch als:- Synq Audio DMC-2000
- Voxoa S60
- Akiyama Synchron
- DJInn AudiophonyAlles exakt die gleiche Hardware.
Besitze selber den DMC-2000 und bin soweit zufrieden da ich weiterhin meine Plattenspieler nutzen kann ohne einen weiteren Mixer.
Peter sagt:
#2 - 20.01.2012 um 15:33 Uhr
Hallo Beatos, danke für den Hinweis. Ich glaube es gibt sogar noch ein Modell von DJ-Tech namens U3. Besten Gruß Peter.
Markus sagt:
#3 - 14.04.2013 um 02:59 Uhr
Sehr interessantes Review, aber leider habt ihr ausgerechnet hier mal nichts zur Qualität der Keylock-Funktion geschrieben.
Hat jemand ne Info bis zu welchem Pitchbereich der Keylock artefaktfreie Ergebnisse liefert?