Details
Erster Eindruck
Der Controller ist ein echtes Schwergewicht, wahrlich nichts für den Rucksack. Zumindest findet er weder im Ortofon DJ-Bag, noch im Namba Remix-Pack Platz. Das soll schon was heißen. Wer adäquates Transportgerät sucht, braucht aber nicht zu verzweifeln. Eine übergroße Laptoptasche (ab 19 Zoll) kann helfen und es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis ein passgenaues Flightcase für Stage-DJs und die rollende Disco bereitsteht. Das dunkle Konsolen-Design ist schlicht und zeitlos, das Layout controllertypisch symmetrisch. Trotz seiner vielen Bedienelemente wirkt VMS4 auch im dicht besiedelten Zentrum nicht wirklich überladen. Die gummierten Potis haben ausreichend Luft zum Atmen und besitzen eine rastende Mittenstellung. Für meinen Geschmack sind sie aber ein wenig zu leichtgängig und können sich eines gewissen Plastiklooks nicht erwehren. Gut gelungen ist allerdings die beleuchtete Kerbe in Nullstellung. Sie sorgt für Überblick und Sicherheit. Die Fader gleiten sanft, könnten aber ruhig 10 mm länger sein, um während einer Multideck-Akrobatik mit Loops und Effekten akkurater zu mixen. Beleuchtete Gummibuttons funktionaler Größen lösen vollflächig aus, da ist kein Zielwasser nötig. Auf den Ecken sitzen dicke Stoßfänger gegen Beschädigungen. Sehr schön. Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Klappdeckel, damit der gute Junge im DJ- oder Tonstudio, der Tanzschule oder im Webcast-Studio nicht zustaubt. Aber was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden. Solange helfen Soft-Dustcover weiter.
Insgesamt bringt das Entwicklungsteam von American Audio auf einer Fläche von 48 x 30 cm 50 MIDI-fähige Buttons, 34 Drehregler, 4 Encoder, 7 Fader, 2 Jogwheels, ein Touchpad, zwei Touch-Buttons und zwei berührungsempfindliche Touchslider unter. Ein Teil der Bedienelemente kann per Shifttaste doppelt belegt werden. Dazu gesellen sich 6 Switches ohne MIDI-Funktion. Zum Lieferumfang gehören Netzteil, USB-Kabel, Programm-CD, Werbebrschüre, sowie ein 10 Euro Verrechnungsgutschein für ein angepasstes Faceplate. Doch dazu später mehr.
Interface
Damit auf dem DJ-Pult sowenig Kabelsalat wie möglich entsteht, platzieren die Entwickler alle Schnittstellen, bis auf den Kopfhörerausgang an der Rückseite. Netzteilbuchse, Power-Switch und USB sorgen für Betriebsbereitschaft. Zwei Stereo-Cinch-Paare für Booth- und Master-Out, letztgenannter ist auch als XLR vorhanden, beschallen Publikum und Kanzel. Eingangseitig stehen vier MIDILOG (MIDI & Analog) Cinchpaare bereit. Die Kanäle eins und zwei verfügen über Phono-/Lineschalter samt Erdungsschrauben, drei und vier hingegen sind ausschließlich auf die Verarbeitung von Linesignalen ausgelegt. Am äußeren rechten Rand bringen zwei Mikrofoneingänge als XLR-Klinken-Kombo redselige Naturen in Stimmung. Die A/D-Wandler arbeiten mit einer Auflösung von 24-Bit und einer Abtastrate von 48 kHz. Die Phonopreamps klingen für die Preisklasse anständig. Die Soundqualität ist insgesamt als ausgewogen zu bezeichnen. Naturgemäß kommt es je nach Zuspieler zu Pegelunterschieden.
Das USB-Interface bringt leider nur 16 Bit bei 44,1 kHz. Schade. Es gibt zwei Latenzmodi. Der Standard-Modus arbeitet mit 10 ms, der Turbomodus wird seitens des Herstellers mit 1 ms angegeben (!) Um den Turbomodus einzuschalten, muss der DJ vor dem Booten des Gerätes die Tasten CUE, PLAY und PAUSE auf der linken Seite der Konsole gleichzeitig betätigen. Falls der Computer unter den Mindestanforderungen liegt, oder Windows Vista zum Einsatz kommt, empfiehlt der Hersteller im Standard-Modus zu operieren. Die Funktionsweise der Soundkarte wird per Schalter an der Steuerhardware ausgewählt. In der Position 4-OUT werden die Audioströme der Software über die Kanäle 2 und 3 gesendet. Sie sind dann auch empfangsbereit. So lassen sich Soft-FX auf einströmende Musikstücke anwenden oder zeitcodierte Steuerbefehle für die Decks empfangen. Im 4OUT-Mode stehen zusätzlich die Kanäle 1 und 4 für externe Linezuspieler zur Verfügung.
Für dich ausgesucht
In der Stellung 8-OUT werden vier USB-Ausgabekanäle für eben so viele Softwaredecks aktiviert. Zusätzlich lassen sich die Mikrofoneingänge nutzen. Das Summensignal wird am Master ausgegeben. Alternativ können die Wege 1 und 4 Software-Decks einspeisen und die Busse 2 und 3 echte Schallplatten spielen. Ein Szenario, das sich-wenn man keine Effekte benötigt und mit dem Hardware EQ spielt – für den Gemischt-Betrieb vielleicht eher anbietet als ein mögliches Audio-Through-Deck. Falls auf der nächsten Multi-DJ Mashup-Party also wieder einmal sämtliche Register vom iPod, über CD und Vinyl bis hin zum digitalen Softwaremixing samt mikrofonbewaffneten MC gezogen werden – mit dem VMS4 ist die Integration kein Problem.
Der vorderseitige Kopfhörerausgang hat durchaus genug Dampf für kleinere Clubs, Partys oder Bars. In sehr lauten Umgebungen stört, dass er ab 3 Uhr zu zerren beginnt. In Anbetracht des Preises möchte ich jedoch anfügen, dass ich auch bei teureren Controllern schon weniger Lautstärke auf dem Kopfhörer hatte. Schade, dass es nicht für eine zusätzliche 3,5 Zoll-Buchse gereicht hat. Dann bräuchte man keine Adapter und gerade DJ-Teams könnten sich bei einem analog-digitalen Set richtig ins Zeug legen. Dafür gibt es aber zwei Mikrofon-Eingänge, was sicher nicht nur Moderatoren-Gespanne erfreuen wird. Nachfolgend hört ihr das Signal eines Shotgun-9600 Mikrofons. Die Frequenzregler stehen in Mittenstellung.
Auf eine Zertifizierung für Traktor oder Serato Scratch wurde verzichtet. Das bedeutet für den Besitzer: Will er einen VMS4 zusätzlich mit den Timecodes der zuvor genannte Programme einsetzen, ist definitiv ein weiteres Interface erforderlich. Im Falle von Traktor also ein Audio 4/8 DJ, bei Serato ein Rane SL1 oder SL3. Das macht natürlich die Vorteile einer solchen All-in-One Konstruktion auch wieder ein wenig zunichte. Mit VirtualDJ, Deckadance oder Mixxx hingegen ist auch der Timecode-Einsatz unter Verwendung des internen Interfaces möglich.
Mischpult
Im Herzen des VMS4 befindet sich das Mischpult. Vier 45-mm-Linefader legen den Kanalpegel fest. Das Master-VU Meter visualisiert den Vorgang mit 2 x 12 LEDs. Der besonders leichtgängige Crossfader besitzt eine stufenlose regulierbare Kurvencharakteristik mit Reversemode. Die Crossfader-Zuweisung erfolgt frei auf die Kanäle eins bis vier oder wird ganz ausgeschaltet.
Jedem Kanalzug steht ein unabhängiger 3-Band-EQ zur Verfügung. Der Hersteller gibt den Raum für das analoge Interface mit -100 bis +6 dB an. Im Standardverfahren, dem PRE-EQ-Modus wird das USB-Audiosignal durch die EQ des VMS4 geschickt. Im Post-EQ Mode arbeitet der DJ mit den internen Vertretern seines Mixprogrammes. Egal welche Betriebsart er wählt, der EQ greift im oberen Halbkreis sehr kräftig zu, im unteren hingegen kaum noch. In Traktor Pro etwa ist auf etwa weniger als 01 Uhr bereits 20 Prozent erreicht, bei 2 Uhr sind es bereits rund 70 Prozent, bei etwa 03 Uhr passiert kaum noch was – egal ob im positiven oder negativen Wertebereich. Das ist bedauerlich, denn es mangelt somit doch ein wenig an graziler Feinabstimmung. Zwischen den Equalizern passen Master und Booth Haupt- und Monitorlautstärke an. In ihrer Mitte ist ein Balance-Regler platziert. Vorgehört wird klassisch mit der CUE-Taste.
Decksektionen
Jede Decksektion ist in zwei Hauptbereiche unterteilt. Im unteren Abschnitt bilden CUE, PLAY und PAUSE die Transportsektion. Darüber ist ein 120-mm-Jogwheel platziert, das laut Herstellerangaben mit 2000 dpi arbeitet. Es besitzt eine geriffelte Auflagefläche im Lakritzschnecken-Design und einen Außenrand im klassischen Turntable-Look. Wenn der jetzt noch MK2-typisch beleuchtet wäre. Zum Wechseln des Betriebsmodus betätigt der DJ die entsprechende Schaltfläche.
Das Jogwheel kann dann unterschiedliche Funktionsweisen übernehmen – zum Beispiel Nudging. Wird das Rad unter VDJ während der Wiedergabe an seiner Außenseite im Uhrzeigersinn angestoßen, erhöht sich die Geschwindigkeit kurzzeitig auf bis zu Plus 100 Prozent erhöht. In umgekehrter Richtung wird das Tempo bis auf 0 verlangsamt. Drückt der User auf den Vinyl-Button, und dann auf den Plattenteller, ist der Scratchmodus aktiv. Alternativ spulen die Teller im Audiomaterial.
An den oberen Außenseiten geben 60-mm Pitchfader Kontrolle über die Geschwindigkeit eines digitalen Musikstückes, und zwar zehntelgenau. BEND +/- verändern das Tempo ebenfalls um maximal 100 Prozent. Direkt neben den Pitchfader ist eine Schaltfläche zur individuellen Festlegung des Regelintervalls untergebracht (6, 8, 10, 12, 20, 25, 33, 50 und 100 Prozent). SYNC gleicht Takt und Tempo der Player automatisch an. Die Loop, Cue und Effektabteilungen schauen wir uns zusammen mit den übrigen Kreativwerkzeugen im nachfolgenden Praxisteil an.