Praxis
Wir beginnen den Praxisteil mit den Jogwheels: Sie messen 6 Zoll, liegen also genau zwischen CD-Größe und 7-Inch-Single. American Audio verspricht „2000-Punkt-Auflösung“, was feinfühliges Scratchen ermöglichen soll. Das Anscratchen eines Tracks vor dem Einmixen ist auch problemlos möglich, allerdings „flutscht“ die Position des digitalen Files bei längerem Scratchen in Virtual DJ immer weiter nach vorn – besser als bei anderen vergleichbaren Controllern, aber auf keinen Fall vergleichbar mit echtem Vinyl-Scratchen. Die Jogwheels fühlen sich für mich nicht besonders wertig an, sie erinnern mich an abgeschraubte Herdplatten und das Klopfen mit den Fingernägeln darauf erinnert eher an Kochtopfdeckel als an zum Scratchen einladende „wheels-of-steel“.
Es gibt keine zwei Zonen zum Stoppen und Scratchen bzw. Anschubsen und Abbremsen der Musik. Zum feinfühligen Angleichen der Beats sollte man die „Vinyl“-Funktion mit dem gleichnamigen Button ausschalten. Für das erneute Eincuen oder den folgenden Backspin dann aber schnell wieder anschalten – also keine optimale Lösung. Im Vergleich zu den gummierten, präzisen Jogwheels des Kontrol S4 oder Pioneers CDJ-Serie merkt man einfach den Preisunterschied und sie wirken auch nicht so niedlich wie die liebevoll designten Bonsai-Turntable-Wheels des Vorgängers.
Nun mag man diskutieren, warum überhaupt noch Jogwheels auf einem DJ-Controller verbaut werden. Native Instruments hat davon ja bei seinen letzten Produkten Kontrol S8 und Kontrol S5 bereits Abstand genommen, um den dadurch gewonnenen Platz für Kontrollfunktionen der STEM-Decks zu nutzen. Andere Konzepte von Vestax TR-1 über Novation Twitch bis hin zu Livid Instruments CNTRL:R, Livid Base und all den Mapping-basierten Controller-Lösungen haben längst den Wheels als letzte Reminiszenz zur Vinyl-Tradition abgeschworen. Zum Cuen eines Tracks sind Jogwheels aber immer noch eine gute Wahl, zum Beatmatchen nichtelektronischer Musik ebenfalls und natürlich für den frechen Backspin beim Cut in den nächsten Track.
Der Crossfader ist Innofader-kompatibel und kann ausgetauscht werden. Der verbaute Crossfader wirkt allerdings gut gelungen, mit einer angenehmen Balance zwischen Leichtgängigkeit und Widerstand. Die Überblendkurve kann an der Vorderseite stufenlos geregelt werden, ein Schalter zum Umkehren der Crossfade-Richtung ist darüber platziert. Als „Hamster-Switch“ taugt er aber nicht. Über dem X-Fader befinden sich die für meinen Geschmack etwas zu kurz geratenen Channelfader, sie sind schwergängiger als der Crossfader, doch man kann damit feinfühlig mixen.
Zwischen dem zweiten und dritten Kanalfader verrichtet eine Stereo-LED-Anzeige mit 12 Segmenten klaglos ihren Dienst, die jeweils den Pegel des per rot illuminierten Cue-Buttons zum Vorhören des aktivierten Kanals anzeigt.
Über der Level-Anzeige thront mittig der neue Browse-Regler des VMS5, umgeben von vier hintergrundbeleuchteten Buttons. Die beiden nach links und rechts weisenden Taster sind zum Laden von Songs in die Track-Decks gedacht, während man sich mit dem nach oben gerichteten Button in die Listendarstellung von Virtual DJ bewegen kann. Mit einem Druck auf den Browse-Regler begibt man sich dann in den Folder hinein und kann nun dort durch die Tracks scrollen. Das klappt einwandfrei und gut vorbereitete Playlisten vorausgesetzt, wird man als DJ die Maus oder das Trackpad des Computers in einem Set oft gar nicht mehr anfassen müssen.
Wahrscheinlich wurde der Browse-Regler so schmal gestaltet, damit die vier Navigationsbuttons sofort mit den Fingerspitzen erreicht werden können, aber solch einen zentralen und häufig benutzten Regler hätte ich mir repräsentativer designt gewünscht. Insgesamt erscheint mir der Browse-Regler dennoch praxisnäher zu sein als das Trackpad der VMS4. Das Anwählen von Tracks per Encoder ist intuitiver und wenn man wirklich mal ein Trackpad braucht, nimmt man einfach das vom Laptop.
Mit dem unteren Cursor-Button schließlich wählt man in Virtual DJ einen Folder mit Samples an, in dem sich Sounds wie Airhorn oder Applaus befinden. Beim Laden des Samples zeigt sich dann eine weitere Einschränkung des VMS5: Der DJ muss sehr genau darauf achten, welche der beiden Transporteinheiten und Load-Buttons gerade welchem der Deck bzw. „Midilogs“ zugeordnet sind. Per Grundeinstellung kontrollieren der Play/Pause- und der Cue-Button die Decks A und C bzw. „Midilog 2“ und „Midilog 3“. Zum Bedienen der Decks B und D bzw. „Midilog 1“ und „Midilog 4“ muss der DJ die Buttons „A/B“ bzw. „C/D“ aktivieren. Bei einem auf Virtual DJ zugeschnittenen Controller wäre es hilfreich, wenn die Bedienoberfläche die Terminologie der Software in elementaren Dingen wie der Deck-Bezeichnung übernimmt.
Möchte man tatsächlich alle vier Virtual DJ Decks über den VMS5 ausspielen, erfordert das wie bei den meisten Controllern ein ständiges herumschalten zwischen den Deck-Funktionen – und entsprechende Aufmerksamkeit. Werden nur zwei Decks aus Virtual DJ ausgespielt und die außen liegenden Kanäle mit Line-Signalen beschickt, fällt dieser Umstand weniger ins Gewicht.
Eingequetscht zwischen den riesigen Wheels, dem mittelgerasterten Pitchfader sowie den vier Reglern für Effects, Loop-Size und Filter drängeln sich auf beiden Seiten des Controllers je siebzehn kleine wackelige Gummibuttons.
Ähnlich angeordnet wie auf dem VMS4, aber mit weniger Luft dazwischen und mit vielen Doppelbelegungen repräsentieren die Buttons die Hotcue-, Loop- und Effekteinstellungen des jeweils aktiven Decks. Sie haben zwar einen klar klickenden Druckpunkt, sind aber durch ihre geringe Größe und die wackelige Konstruktion nur bedingt zum Cue-Juggling zu gebrauchen. Um die mittig angeordneten vier Hotcue-Buttons reihen sich noch Exemplare für Effekt on/off, Effektparameter-Zuordnung, Loop in/out, Pitchbend, Vinyl, Shift, Sync und Key Lock sowie Tasten zur Doppelfunktionsbelegung der Hotcue-Buttons, die auch zum Abfeuern von Samples dienen können. Diese sind zwar durch verschiedenfarbige Hintergrundbeleuchtung einigermaßen zuzuordnen (Hotcues sind rot, Samples sind blau hintergrundbeleuchtet), aber richtig intuitiv ist das nicht.
Der Sync-Button pulsiert rötlich und bläulich im Takt mit. Als visuelles Feedback beim Beatmatchen ist das nicht wirklich hilfreich, weil beide Sync-Buttons auf den entgegengesetzten Seiten des Controllers angebracht sind, sodass man sie unmöglich beide im Blick haben kann, aber es sieht hübsch aus.
Die Pitch-Bend-Tasten dienen zum dezenten Anschieben und Abstoppen der Musik, was bei handgemachter Musik wie Funk, Rock, Soul wichtig ist, doch liegen sie ziemlich nah an den Jogwheels. Diese kann man dann schon mal unabsichtlich streifen und dadurch den Mix aus dem Takt bringen. Also lieber gleich die Beats mit den großen Jogwheels angleichen, dafür sind sie schließlich da. Aber nicht vergessen, vorher die Vinyl-Funktion auszuschalten, sonst wird aus dem Beatmatching ein Scratching. Virtual DJ behält übrigens bei aktiviertem Key-Lock-Button die Tonhöhe des Musik-Files bei, auch wenn die Geschwindigkeit verändert wird.
Für dich ausgesucht
Pros for Non-Pros
Obwohl ich beim VMS5 viele ergonomische Features der Platzhirsch-Controller vermisse, hat er seine eigene Philosophie und die heißt: Flexibilität und Beständigkeit. Hardwareseitig lässt das Gerät mehr Anwendungsmöglichkeiten zu als so manch anderer Controller. Das frontseitige Panel, an dem sich bei anderen Konsolen lediglich die Kopfhörerausgänge und Cue-Regler befinden, bietet der VMS5 noch zusätzlich zwei weitreichend ausgestattete Mikrofon-Kanalzüge mit Gain, Drei-Band-EQ sowie beleuchteten An/Ausschaltern (!), Crossfader-Assign-Regler und Schaltern für diverse Audio-Einstellungen. Studioqualität haben die Mikroeingänge nicht, aber für eine Durchsage oder auch eine Live-Rap-Einlage sollte es reichen. Allerdings sollte ein lautes Mikrofon gewählt werden, da der verbaute Vorverstärker recht leise ist.
Jeder der vier Line-Kanäle kann sowohl als Kanalzug für angeschlossene Hardware als auch als Ausspielkanal für Software dienen. Und das muss nicht zwingend eine DJ-Software sein. Natürlich wird die VMS5 auch von DAWs wie Ableton Live erkannt. Den vier Ausspielkanälen des VMS5 können vier externe Stereoausgänge von Live zugeordnet werden, wenn sie frontseitig in den „8 Out“-Modus versetzt wurde. Zeigen sich in den Live-Audio-Preferences nur zwei anwählbare Stereoausgänge, obwohl per Hardwareschalter der „8 Out“-Modus angewählt ist, so muss die Konsole noch einmal „rebootet“ und bei Ableton neu angemeldet werden.
DJs, die mit Ableton Live auflegen, könnten also bis zu vier individuelle Ableton-Kanäle über die VMS5 ausspielen. Dabei funktionieren Gain, EQ, Kanalfader, Crossfader und Headphone Cue auch autonom, das Filter leider nicht.
Der „4 out“ Modus wird notwenig, wenn die gesteuerte DJ-Software als DVS-Controller genutzt werden soll. Mit entsprechenden Timecode-Control Vinyls können dann in der Vollversion von Virtual DJ 8 die Musikdateien gesteuert und gescratcht werden.
Es scheint die Zielgruppe von American Audio nicht primär der reisende Profi-DJ zu sein: Der VMS5 ist für die Nutzung mit Virtual DJ optimiert. Es gibt auch eine eigens angepasste VMS5 Skin, deren Nutzung aber nicht obligatorisch ist. Da alle Regler und Schalter MIDI-Messages ausgeben, kann man die Konsole für jede Software konfigurieren, die MIDI-Messages zuordnen kann. Ein weiteres Feature von Virtual DJ 8 ist das Videomixing und im visuellen Metier machen die großen Jogwheels für feinfühlige Bildauswahl auch richtig Sinn. Durch die Standalone-Funktionalität und den regelbaren Booth-Ausgang bietet sich der VMS5 aber auch als fest installierter Mischer für Bars und Cafés an, genügend Platz vorausgesetzt. Mittlerweile hat Atomix Virtual DJ 8.2 vorgestellt und bietet u.a. „Performance Pads“ an, mit denen Samples ähnlich den NI-Remix-Decks getriggert werden können. Mit den kleinen Buttons der VMS5 ist das allerdings eher ein Präzisionssport. Atomix selbst schlägt auf seiner Website mit der Abbildung eines Novation Launchpads den passenderen Controller für präzise Performance Pad-Steuerung vor.