Was früher eine Revolution im Recording Sektor war, hat in den letzten Jahren auch Einzug auf den Bühnen gehalten, egal ob bei großer Tourproduktion oder bei Coverbands. Amp Modeler sind eindeutig auf dem Vormarsch, Bands wie Rammstein, Die Toten Hosen oder Muse benutzen mittlerweile überwiegend digitale Gerätschaften zur Klangerzeugung des Gitarrensounds auf der Bühne. Das spart eine Menge Schlepperei, wenn man zum Beispiel mit einem Line 6 Helix, Axe-Fx AX-8, Headrush Pedalboard oder dem Kemper Profiler unterwegs ist. Ausserdem bekommt der Tontechniker immer das gleiche, zuverlässige Signal geliefert. Alle Geräte liefern Amp Modeling sowie Effekte und sind als Stand Alone Gerät für den Gitarrensound tauglich. Dabei gibt es ein paar Dinge, die man beachten sollte und damit auf der Bühne nichts schief geht, haben wir einige Tipps und Tricks zum Thema Amp Modeler auf der Bühne für euch zusammen gestellt.
Amp Modeling Live: Mono oder Stereo in die PA?
Das komplette Signal mit Speakersimulation sollte in die PA laufen. Die meisten Amp-Modeler sind stereo ausgelegt, aber in der Regel wird im Bühnenbetrieb ein Monosignal abgegriffen. Achtet darauf, dass die Sounds dann auch monokompatibel sind. Vor allem beim Einstellen von Sounds mit Delays sollte man eher sparsam mit dem Effekt umgehen.
Den XLR-Ausgang des Amp-Modelers auf der Bühne nutzen
Auf der Bühne sind die Kabelwege unter Umständen sehr lang und symmetrische Ausgänge werden benötigt. Falls euer Amp-Modeler keinen XLR-Ausgang hat, braucht ihr eine DI-Box. Meist werden die vom Beschaller zur Verfügung gestellt, aber es schadet auf keinen Fall, selbst eine im Gepäck zu haben.
Varianten für das Monitoring auf der Bühne
Das Thema Monitoring ist das eigentlich maßgebliche, denn im Vergleich zur klassischen Variante mit Gitarrenamp und Box gibt es mit einem Amp-Modeler verschiedene Möglichkeiten.
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Mit In-Ear-Kopfhörern spielen
Ein ganz großer Vorteil von Amp-Modelern ist der, keinen Lärm zu produzieren. Mittlerweile wird von vielen Technikern/Produktionsfirmen gewünscht, dass die Bühnenlautstärke auf ein Minimum reduziert wird. Logisch, denn dann muss der Tontechniker nicht mit der PA gegen den Klangmüll von der Bühne ankämpfen und mit einer leisen Band lässt sich viel einfacher ein amtlicher Sound über die PA einstellen. Grundsätzlich wird deshalb beim Einsatz von In-Ear-Monitoring kein Lautsprecher für die Gitarre mehr gebraucht. Einziges Problem ist dabei das Spielgefühl, denn die Gitarre interagiert bekanntlich mit dem Lautsprecher, wird vom Schall des Gitarrenamps zum Schwingen angeregt und die Töne klingen einfach länger. Deshalb benötigt man als Gitarrist eine entsprechende Eingewöhnungsphase, wenn man mit In-Ears und Amp-Modeler ohne Lautsprecherbox auf der Bühne spielt. Wichtig ist die Wahl der passenden Kopfhörer, die unbedingt genügend Mitten haben müssen und vorab am besten mit dem Modeler getestet werden sollten. Einfach eine trockene Gitarrenspur aufnehmen oder ein Audio von einem bonedo-Test streamen. So hört man zumindest, wie eine verzerrte Gitarre klingt, denn es bringt nichts, den In-Ear Hörer mit einem kompletten Song zu testen.
Den Amp-Modeler auf der Bühne mit einer Gitarrenbox betreiben
Die meisten von euch sind den direkten Sound aus einer Lautsprecherbox gewöhnt. Gitarrenlautsprecher sind im Frequenzbereich allerdings nach oben limitiert, die meisten Speaker gehen gerade einmal bis ungefähr 5 kHz. Weil diese Lautsprechertypen auf der Bühne in der Regel über eine gute Durchsetzungskraft verfügen, setzen viele Gitarristen ihren Amp-Modeler auch mit herkömmlichen Gitarrenboxen ein, zusammen mit entsprechenden (Röhren-) Endstufen. Dabei gibt es allerdings einiges zu berücksichtigen: In diesem Fall sollte die Speakersimulation des Amp-Modelers deaktiviert sein. Das heißt, er sollte eine Signalführung ermöglichen, die ein separates Signal ohne Speakersimulation ausgeben kann. Die Speakersimulation generell auszuschalten ist Unsinn, denn dann kommt aus der PA der gefürchtete Rasierapparat-Sound. Dort wird ansonsten ohnehin nicht ohne Weiteres der gleiche Sound ausgegeben wie an der eingesetzten Gitarrenbox, denn die Speakersimulation muss dem nicht unbedingt entsprechen. Weil der Bühnensound lediglich von einem Verstärker und einer bestimmter Box stammt, bleiben auch die vielen Speaker-Simulationen oder Lautsprecherprofile außen vor, die ein Amp-Modeler in der Regel an Bord hat. Und ein weiterer Nachteil beim Monitoring über eine Gitarrenbox zeigt sich beim Einsatz mit Akustikgitarren, weil hohe Frequenzen und damit Obertöne fehlen, die einen akustischen Ton erst authentisch machen.
Amp-Modeler und Fullrange-Boxen
Grundsätzlich ist eine Fullrange-Box die optimale Lösung zur Verstärkung von Amp-Modelern, denn man hört auf dem Monitor das gleiche Signal (mit Speakersimulation) wie das aus der PA. Normalerweise verfügen diese aktiven Lautsprechersysteme über einen großen Frequenzbereich, meist von ca. 60 Hz bis 20 kHz, der auch Akustikgitarren mit entsprechender Klanggüte verstärkt. Allerdings ist der Frequenzgang auch das häufigste Problem vieler Fullrange-Boxen. Bei vielen sind die Mitten zu schwach ausgeprägt, und das ist wiederum genau der Bereich, der für unseren E-Gitarrensound und seine Durchsetzungskraft auf der Bühne extrem wichtig ist. Deshalb sind für diesen Einsatz Lautsprecherboxen mit möglichst linearem Frequenzgang zwingend notwendig. Solche Boxen werden mittlerweile häufig mit der nicht offiziellen Bezeichnung “FRFR” (Full Range Flat Response) beschrieben. Aber nicht jeder Hersteller bietet genau diese Eigenschaften, was zum Problem werden kann, da wir Gitarristen extrem pingelig sind, wenn es um Mitten und Höhen geht. Wie schon erwähnt, werden bei vielen PA-Boxen und Monitoren unsere geliebten warmen Mitten etwas unterbelichtet übertragen mit dem Ergebnis, dass die Höhen zu hart ans Ohr des Gitarristen dringen. Bei modernen High-Gain-Sounds passt das eher zur Klangphilosophie als bei typischen Vintage-Klängen. Da wird dann auch gerne mal voreilig von “digitalen Höhen” gesprochen, obwohl das meist an der Qualität und dem Frequenzgang der Lautsprecherbox liegt und nicht am Amp Modeling selbst. Es gibt mittlerweile auch einige Hersteller wie Redsound oder BlueAmps aus Deutschland, die sich dieser Problematik angenommen haben und aktive Fullrange-Boxen anbieten, die speziell für den Einsatz mit Amp-Modelern konzipiert sind. Wir haben dafür auch einen Testmarathon zusammengestellt, der immer wieder aktualisiert wird, wenn uns neue, interessante Produkte über den Weg laufen.
Hier geht es zum Vergleichstest Fullrange Boxen für Amp Modeler
Sound-Programmierung eines Amp-Modelers für die Bühne
Frequenzgang – Lautstärke
Für den Einsatz auf der Bühne gibt es bei der Programmierung und Einstellung der Sounds einige Parameter, die man im Gegensatz zum Studio etwas anders gestalten sollte. Bei einer Studioproduktion kann auch ein recht dünner Gitarrensound genau der richtige sein, weil im Mix mit 80 Spuren sowieso nicht viel Platz ist. Auf der Bühne sollte man eher etwas egoistischer sein und seine Sounds so programmieren, dass sie gut hörbar sind. Optimal ist es, wenn ihr eure Sounds über gute (lineare) Referenzlautsprecher einstellt. Das können Studio-Monitore oder eine PA sein, aber möglichst keine Walkman-Kopfhörer oder Gitarrenlautsprecher. Seid vorsichtig mit dem Bassbereich, denn dort wummert es sofort, wenn Bass-Drum, Bass und Gitarre gemeinsam spielen – lasst den Kollegen etwas Platz. Schnell hat man im eigenen Kämmerlein in Zimmerlautstärke einen fetten Gitarrensound kreiert, dem man gerne noch den einen oder anderen Dreh bei den Bassfrequenzen mitgibt, damit es noch satter tönt. Aber auf der Bühne klingt plötzlich alles matschig und die Gitarre geht völlig unter, sobald Bass und Drums loslegen. Die Mitten sind das A und O, dort ist der wahre Angriffspunkt. Deshalb kann ich nur empfehlen, dass ihr euch ein Amp-Modell wählt, bei dem die Mitten präsent sind, auch wenn man in der CD-Produktion ein komplett anderes Amp-Modell für den Sound genommen hat. Ich benutze bei meinen Live-Settings mit dem Kemper Profiler überwiegend ein Profil, das ich noch mit einigen Tweaks feinjustiere. Das Argument dafür ist der Frequenzgang. Habe ich Amp-Models mit drastisch unterschiedlichem Frequenzgang im Angebot, dann ist der erste Sound vielleicht ultra-dünn, der nächste schockt Tontechniker (und Publikum), weil nun ein voluminöser Boogie-Full-Stack die Arena betritt. Der Tontechniker muss kurzfristig am EQ schrauben, um das Ganze in den Griff zu bekommen. Kommt dann wieder der ultra-dünne Sound, hört keiner die Gitarre mehr. Wenn ihr eurem Tontechniker viel Ärger und Arbeit ersparen möchtet (wichtig!), dann achtet darauf, dass eure Amp-Models einen einheitlichen Frequenzgang haben. Auch beim Gain solltet ihr eher etwas weniger nehmen, denn im Lautstärke-Fight auf der Bühne entscheiden oft die ersten Millisekunden. Ein Gitarrensound mit knackiger Ansprache und Attack ist bei gleicher Lautstärke besser zu hören, als der Mega High Gain Sound mit schwachem Antritt. Das hat schon öfter dazu geführt, dass der Cleansound besser zu hören war als der Zerrsound. Womit wir auch schon beim nächsten Thema wären, den Lautstärkepegeln. Bei einem Amp-Modeler mit programmierbaren Sounds nimmt man gerne mehrere Presets, die allerdings unbedingt in ihrer Lautstärke aufeinander abgestimmt sein sollten. Ihr könnt nicht erwarten, dass der Tontechniker immer eine Hand am Fader des Gitarrenkanals hat, das sollte soweit wie möglich vorbereitet sein. Der Zerrsound sollte etwas lauter sein als die Cleansounds, und beim Solosound könnt ihr noch eine Schippe draufpacken. Die Pegel werden am besten bei Bühnenlautstärke eingestellt, weil ihr dabei eine reale Vorstellung von den Auswirkungen der einzelnen Lautstärken habt. Dabei solltet ihr immer den Kontakt zum Tontechniker suchen, der euch sagen kann, ob die Lautstärken in Ordnung sind und wie sich die Sounds im Bandkontext durchsetzen.
Der Reverb sollte wohl dosiert sein
Egal ob mit einem “normalen” Gitarrenverstärker oder mit Amp Modeling. Mit Hall bin ich auf der Bühne grundsätzlich sehr vorsichtig. Als Standard hat sich ein kleiner Room-Reverb (Ambience) mit wenig Effektanteil bewährt. Der liegt in gleicher Form auf allen Sounds, damit das Ganze einheitlich klingt. Ihr müsst immer bedenken, dass der Raum, in dem ihr spielt, meist eine gute Portion Nachhall produziert. In diesem Fall kann es schnell matschig werden, wenn jeder noch mit einem eigenen Hall dazu beiträgt. Die Ausnahme sind natürlich Hallsounds, die als klarer Effekt und nicht als Raumsimulator dienen. Damit meine ich scheppernde Spring-Reverb- Attacken oder breite Shimmer-Flächen, die mit höherem Anteil ins Universum geblasen werden dürfen.
Organisieren der Sounds auf dem Modeler
Je mehr Möglichkeiten bzw. Speicher man zur Verfügung hat, desto länger wird die Soundliste wenn man mit einem Multieffekt mit Amp Modeling arbeitet. Man fängt mit ein paar Presets an (ich brauche nur clean, verzerrt und solo …) und schon bald sind spezielle Sounds für einzelne Songs programmiert, weil das Editieren bei vielen Geräten recht intuitiv an Tablet oder Computer ausgeführt werden kann. Kommt ihr in dieses Stadium, dann kann ich nur empfehlen, die Presets eindeutig zu benennt. Songname oder Soundtyp sind wichtig, denn irgendwann wisst ihr nicht mehr, was sich hinter “Preset 15” oder “Eddie B” verbirgt. Namensgebung und Ordnung im Amp-Modeler können schnell aus dem Ruder laufen, vor allem, wenn man kurz vor dem Gig noch kurzfristig einen zweiten Leadsound schnitzt und keine Zeit mehr hat, den noch am kleinen Display zu benennen. Deshalb macht es Sinn, ab und zu in Ruhe zuhause die Sound-Bibliothek zu sortieren und diverse Presets vernünftig zu benennen oder doppelte und unbrauchbare rauszuwerfen. Nichts ist schlimmer, als in der Probe zehn Minuten nach dem Sound zu suchen, der in der letzten Probe den Song zum Tragen gebracht hat, bloß weil man vergessen hat, das Preset zu benennen. Für solche Schnell-Einsätze empfehle ich, ein Brot-und-Butter-Setup in einer Bank anzulegen, das auf vier oder fünf Speicherplätzen die wichtigsten Sounds für den schnellen Zugriff parat hält. In den meisten Fällen sind das:
- Clean (unverzerrt)
- Crunch (leicht angezerrt)
- Rhythm (das Mid Gain Brett für klassische Rocksongs)
- Lead (Solo Sound – etwas lauter)
In der Grundform sind alle Sounds ohne Effekte, lediglich das kleine Reverb sollte dabei sein. Wenn euer Amp-Modeler zusätzliche Schaltfunktionen für weitere Effekte hat, dann belegt diese. Ich habe bei meinem Cleansound immer einen Compressor, Chorus, Phaser und Delay auf den schaltbaren Effektblöcken. Beim Crunch gibt es gerne etwas Tremolo oder Vibrato und für den Rhythm-Zerrsound kommen auch mal Phaser und Flanger zum Einsatz. Beim Lead-Sound benutze ich gerne Delays. Der Wah-Effekt ist bei allen Sounds in Bereitschaft, kann also wahlweise sofort benutzt werden. Da mittlerweile viele Amp-Modeler variabel mit zuschaltbaren Effekten programmierbar sind, kann man sich quasi das gute alte Pedalboard-Feeling mit schnellem und intuitivem Zugriff auf verschiedene Effekte zusammenstellen.
Zum Abschluss möchte ich noch an das unverzichtbare Backup erinnern, das ein erstes Mal bereits intern organisiert werden sollte. Das heißt, dass oft benutzte Bänke auf einem anderen Speicherplatz (Benennung z.B.: xxx-BU) gedoppelt werden. Falls bei einer hektischen Programmieraktion versehentlich der Lieblings-Leadsound überschrieben wird, gibt es ihn (hoffentlich) direkt im Gerät auf einem hinteren Speicherplatz ein zweites Mal. Und natürlich sollte in gewissen Abständen auch ein Backup auf den Rechner gezogen werden, damit wirklich nichts anbrennen kann.
Alex sagt:
#1 - 21.12.2023 um 19:16 Uhr
Lieber Thomas Dill, wieder mal ein super Beitrag! Danke dafür! Viele dieser Tips und Ansätze helfen mir wirklich sehr weiter und erleichtern das Leben!