Ach, wie haben sich die Zeiten nur geändert: Wo früher ein LKW voller Equipment nötig war, reicht heute ein Laptop und etwas Software. Dies trifft auch auf das Thema Homerecording zu. Noch nie war es derart einfach und günstig, seinen Bass zu Hause in den Computer zu bekommen. Eine große Frage stellt sich jedoch nach wie vor: „Wie klingt ein aufgenommener E-Bass am besten?“ Beim Thema Bass-Recording arbeitet man entweder mit Hardware (Preamps, Pedale, Mikrofonierung, Verstärker, etc.), oder man überlässt die Arbeit den zahlreichen Amp-Simulationen, Equalizern, Kompressoren usw. in Form von Software. Anhand des neuen Ampeg SGT-D.I. Preamps und einer bekannten Ampeg Amp-Simulation wollen wir heute beide Ansätze miteinander vergleichen.
Hardware vs. Software: Unterschiedliche Arbeitsprozesse
Eines kurz vorweg: Homerecording und was dafür nötig ist, war bekanntlich mehrfach bereits Thema bei uns. Daher gehe ich in diesem Artikel nicht mehr auf die Grundlagen ein. Diese findest du aber in diesem Artikel! Und in diesem Artikel lernst du etwas zum Thema Software, wie DAW, Plugins, Amp- und Cab-Sims etc.
Den Bass am eigenen Computer aufzunehmen, ist relativ einfach geworden. Die Frage, WIE ich meinen Sound gestalte, ist hingegen deutlich schwieriger. Dazu gehören in der Regel etwas Know-how und auch Erfahrung. Die erste grundsätzliche Entscheidung, die man treffen muss, ist die des Arbeitsprozesses.
Hier stehen einem grundsätzlich zwei Wege zur Verfügung:
„Outside The Box“ und „Inside The Box“: Mit „The Box“ ist natürlich der Computer gemeint. Es bedeutet also, dass ich den größten Anteil meines Sounds auf analogem Wege mit herkömmlichem Equipment gestalte. Das sind reguläre Bassverstärker, Bassboxen, Preamps und Pedale. Beim „Inside The Box“-Ansatz hingegen nehme ich ein möglichst ungefärbtes D.I.-Signal auf. Beide Arbeitsweisen haben Vor- und Nachteile, die wir uns nachfolgend genauer ansehen möchten.
Für dich ausgesucht
Pro Hardware/Outside The Box:
- Analoges Feeling und Haptik, echte Knöpfe drehen, statt die Maus zu bewegen
- Direkte Interaktion mit Sound, idealerweise Inspiration durch Sound beim Spielen
- „Analog“ hat häufig immer noch ein leicht wärmeres und dynamischeres Klangbild
- Bewusste kreative und mutige Entscheidungen: „DAS ist der Sound für diesen Song!“
- Kein zeitaufwendiges Ausprobieren und Herumbasteln im Nachgang
Pro Software/Inside The Box:
- Cleanes Signal quasi als „weißes Blatt Papier“
- Maximale klangliche Flexibilität bei der Nachbearbeitung
- Additive und subtraktive Bearbeitung jederzeit möglich
- Aufnahme überall möglich, keine akustisch optimierten Räume, Mikrofone etc. nötig
- Kein kostspieliges externes Equipment erforderlich
- Software in der Regel günstiger als Hardware
Natürlich braucht man nicht stoisch nur den einen oder den anderen Weg zu gehen, denn zwischen beiden Bereichen bestehen zahlreiche Graustufen. Selbst wenn ich „Outside The Box“ arbeite, kann ich selbstverständlich im Nachhinein meinen Sound immer noch mit Plugins bearbeiten, aber eben nur additiv. Ich kann also Equalizer oder Kompression etc. hinzufügen, aber zum Beispiel keine Verzerrung mehr wegnehmen.
Ampeg SGT-D.I. vs. Ampeg Plugin
Als nächsten Schritt wollen wir einmal beide Wege miteinander vergleichen. Für die Hardware dient uns die neue Ampeg SGT-D.I., welche auch mit einer zuschaltbaren Boxen-Simulation (Cab Sim) ausgestattet ist. Sie liefert daher quasi ein komplettes Ampeg-Stack im kompakten Format!
Für die Software kommt ein hochwertiges Ampeg-Plugin der Marke Plugin Alliance zum Einsatz. Vorbild beider ist natürlich das legendäre Ampeg-Stack, bestehend aus Ampeg SVT nebst Ampeg 8×10-Box. Das schafft beste Voraussetzungen für eine Vergleichbarkeit!
Mein Ziel ist nicht, hier auf Biegen und Brechen auf beiden Wegen den identischen Sound zu kreieren und grundsätzlich die Ampeg-D.I. gegen Plugins zu testen. Ansonsten müsste man sämtliche erhältliche Ampeg-Software in den Vergleich mit einbeziehen. Wir wollen stattdessen beide Arbeitsweisen darstellen und herauszufinden, wie man mit jedem dieser beiden zu einem hochwertigen Ergebnis kommt. Dies hilft dir im Idealfall herauszufinden, welche Option für dich die bessere ist.
Soundbeispiele Ampeg SGT-D.I.
Für die Soundbeispiele verwendete ich einen Fender P/J-Bass aus mexikanischer Fertigung. Er schien mir ein passender Rock-Bass für diesen Zweck. Zunächst habe ich mir einen Basis-Sound eingestellt und dabeidie Schalter „Ultra Low“ und „Ultra High“ aktiviert. Zudem habe ich die Mitten um 700 Hz etwas angehoben. Um den sehr fetten „Ultra Low“-Effekt wieder etwas auszugleichen, habe ich die Bässe am EQ etwas zurückgedreht. Die SGT-Schaltung habe ich aktiviert – aber nur, um dem Sound etwas zusätzlichen Charakter zu verleihen (Regler auf 8 Uhr). Zu guter Letzt nutze ich die integrierte Cab Sim der 8x10er-Box.
Dieser Weg war jedoch empirisch und nicht einfach ausgedacht. Dazu habe ich mehrmals kurze Probeaufnahmen gemacht, um den Sound im Mix zu hören. Dieses „Trial And Error“-Verfahren ist fester Bestandteil eines jeden „Outside The Box“-Prozesses.
Nun möchte ich den Sound etwas aggressiver gestalten. Also SGT auf 11 Uhr und zusätzlich die Höhen angehoben. Das klingt dann so:
Noch mehr SGT (2Uhr) und mehr Höhen sind das Rezept für dieses Heavy-Riff:
Soundbeispiele Plugin Alliance Ampeg SVT Classic
Für die Arbeit mit Software nehme ich die beiden Riffs als ungefärbtes D.I.-Signal noch einmal auf. Dann lade ich das „Ampeg SVT Classic“-Plugin. Für bessere Vergleichbarkeit nutze ich auch hier die 8x10er-Box. Hier fällt schon einmal auf, dass beide Cab Sims sehr unterschiedlich ausfallen. Es kann natürlich sein, dass Boxen verschiedener Jahrgänge, Bauweisen etc. als Vorlage dienten. Genauso können es aber auch unterschiedliche Ansätze beider Hersteller sein. Insgesamt klingt das Plugin deutlich heller und auch mittiger.
Auch hier spiele ich zunächst einmal mit den verschiedenen Schaltern und Knöpfen, bis mir das Ergebnis gefällt. Mein erstes Ziel ist – wie bei der Hardware – zunächst ein solider Rock-Bass-Sound. Dafür sind wieder Ultra Low und Ultra High aktiviert und die Bässe etwas zurückgenommen. Der Input Gain (entspricht ungefähr der SGT-Schaltung) ist auf ca. 9 Uhr. Der große Unterschied ist natürlich, dass ich hier sämtliche Regler und Schalter mit der Maus bewegen muss.
Für mehr Aggressivität drehe ich als nächstes Input und Volume auf ca. 1 Uhr. Um die Lautstärke auszugleichen, dient der Power Soak Regler.
Für das Heavy-Riff erhöhe ich Input und Volume auf etwa 3 Uhr und gleiche die Lautstärke mit dem Power Soak Regler aus.
Wie bereits erwähnt, kann ich mit dieser Methode jederzeit Dinge rückgängig machen. Falls mir also in den kommenden Tagen die Verzerrung oder der Sound im Allgemeinen nicht mehr gefällt, ändern ich alles ganz einfach nach meinem Geschmack ab. Die Gefahr dabei ist aber, dass der Sound nie „fertig“ ist und man zu lange daran herumdreht. Erfahrungsgemäß macht man ab einem gewissen Punkt die Dinge nicht mehr besser, sondern nur anders!
Ampeg SGT-D.I. vs. Ampeg Plugin – Fazit
Wie man hören kann, klingen beide beschrittenen Wege in der Praxis absolut brauchbar. Ich würde mich an dieser Stelle mal etwas aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass klanglich qualitativ zwischen analoger und digitaler Welt heute nur noch sehr minimale Unterschiede existieren. Im Solobetrieb sind diese vielleicht noch hörbar, in einem Bandmix spielen sie aber sicher kaum mehr eine Rolle.
Keine Methode ist also besser als die andere – vielmehr ist die Frage, welcher Typ man ist und auf welche Art man lieber arbeitet. Das muss natürlich jede(r) für sich selbst herausfinden und entscheiden.
Betrachtet man den nackten Kostenfaktor, so liegt die Software eindeutig vorne! Ein professionelles Plugin liegt zwischen 100,- und 150,- Euro. Für einen flexiblen Preamp inklusive Cab Sim legt man schnell das Drei- oder Vierfache hin (Ladenpreis Ampeg SGT D.I. im September 2023: 429,- Euro).
Meine persönliche Erfahrung ist, dass die unendlichen Möglichkeiten der digitalen Welt bei mir dazu führen, mehr Zeit mit dem Ausprobieren als mit echtem Musizieren zu verbringen. Hier kann ich natürlich nur für mich sprechen, aber haufenweise Möglichkeiten müssen nicht immer ein Vorteil sein!
Ich habe mir in meiner Karriere immer wieder neue Plugins auf der Suche nach dem „heiligen Gral“ gekauft – nur um letzten Endes dann doch wieder bei einer Hardware-Lösung zu landen! Dies hat allerdings nichts mit Klangqualität, sondern nur mit meinem persönlichen Bedürfnis nach analoger Haptik zu tun. Zudem merke ich immer wieder, dass mich ein bestimmter Sound inspiriert und „anders“ spielen lässt. Berichtet doch gerne einmal von euren Erfahrungen mit Hardware und Software in den Kommentaren unter diesem Artikel.
Viel Spaß bei euren Experimenten und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt