ANZEIGE

Ampeg PF-800 Portaflex Test

Praxis

Sind es nicht herrliche Zeiten, in denen man sein Topteil in einer Laptoptasche zum Gig mitschleppen kann? Irgendwie hat sich dieses Konzept ja besonders bei uns Bassisten stark etabliert. Und doch ist es etwas verwunderlich. Wie kaum ein anderer Hersteller wird Ampeg häufig mit dem Attribut „Gewicht“ assoziiert, und das mit einem durchaus positiven Beigeschmack, denn Masse verbindet man auch sehr gerne mit den Begriffen stabil und  solide. Und wer bekommt nicht nostalgische Gefühle beim Anblick von Fotos legendärer Rock‘n Roll Konzerte, bei denen Ampeg SVT-Türme an die Zinnen unzerstörbarer mittelalterlicher Festungen erinnern? Das Auge hört bekanntlich mit. Nur, was ist, wenn der Rücken nicht mehr will, das trendige Stadtfahrzeug nicht über die erforderliche Ladekapazität verfügt oder schlicht das leidige Budget versagt?
Der Ampeg PF-800 scheint wirklich eine adäquate Lösung für alle genannten Probleme darzustellen. Man kann ihn sich auch als gestandener Ampeg-User stolz auf seinen Turm stellen und das Staunen der neugierigen Umwelt genießen, spätestens, wenn bei den ersten Tönen dem einen oder anderen Zuschauer die Weisheit aus dem Gesicht fällt. Zwergen, denen es gelingt, sich Gehör zu verschaffen, zollt man im Allgemeinen besonders hohe Aufmerksamkeit.
Hören wir uns also das Soundverhalten des Portaflex 800 in Verbindung mit den von Ampeg empfohlenen Boxen PF-115LF und PF-410HLF an. Die Zielrichtung wurde von vornherein klar abgesteckt, Vintage ist angesagt und natürlich klassischer Ampeg-Ton. Und eines wird relativ schnell in der Testphase deutlich: Der Portaflex ist kein Alleskönner, dafür aber zu großer Leistung fähig. Er bleibt durchweg der Vintage-Soundästhetik verhaftet, egal, in welche Richtung man mit der Klangregelung den Sound auch verändert, er behält durchgehend seinen Charakter – Ampeg eben! Die gewählten Boxen potenzieren dieses Ergebnis noch. Gut möglich, dass moderne HiTech-Boxen dem Topteil weitere Charaktereigenschaften entlocken können. Bei unserer Testbestückung aber bleibt es bei dem Sound, den Bassisten bevorzugen, die sich vorrangig in den Bereichen Blues, Rock, Rhythm‘n Blues, Soul, Country, Early Funk bewegen. Bei modernen Fusion-, Funk- und Pop-Sounds könnte die deutliche Klangkolorierung mitunter nicht so gut funktionieren.
Hier hören wir ein Beispiel im Blues-Stil mit drei unterschiedlichen Mittenvarianten. Wie so häufig bildet sich der Sound im Raum etwas deutlicher ab als bei einzeln abgenommenen Speakern. Dennoch kann man auch bei der Aufnahme die Klangunterschiede wahrnehmen.

Audio Samples
0:00
1) Bässe und Höhen angehoben, Mitten neutral 2) Bässe und Höhen angehoben, Mitten bei 800 Hz abgesenkt 3) Bässe und Höhen angehoben, Mitten bei 450 Hz abgesenkt

Im nächsten Beispiel kommen Akkorde und Walking Bass zum Einsatz. Die Akkorde klingen nicht brillant nach HiFi und eher etwas „muddy“, was aber den bluesigen Charakter dafür umso mehr unterstreicht und wie es auch dem eines SVT entspräche.

Audio Samples
0:00
4) Bässe und Höhen angehoben, Mitten bei 450 Hz angehoben

Wenn wir mit einem passiven Jazzbass in den Slapstyle gehen, lassen sich dem PF-800 gewaltige und attackreiche Sounds entlocken, hier ist er gegenüber seinen schwergewichtigen Röhrenkollegen klar im Vorteil. Den eingebauten Kompressor allerdings – und das muss ich leider anmerken – hätte man auch hier einfach weglassen können, wie es so häufig bei integrierten Kompressoren der Fall ist. Er ist nicht sinnvoll verwendbar und macht den Sound lediglich indirekt, drucklos und leiser. Für einen reinen Limitereinsatz empfinde ich seine Ansprache bzw. Attack zu langsam. Fazit: einfach ignorieren.

Audio Samples
0:00
5) Ultra Lo & Hi, Bässe angehoben, Höhen neutral, Mitten bei 1,6 kHz abgesenkt 6) Bässe angehoben, Höhen voll auf, Mitten bei 220 Hz angehoben

Um die Wirkung der Mittenreglung etwas näher zu beleuchten, verwenden die nächsten Klangbeispiele einen Fretlessbass, bei dem die Nuancen der unterschiedlichen Mittenfärbungen sehr deutlich erkennbar werden.

Audio Samples
0:00
7) Mitten bei 220 Hz angehoben 8) Mitten bei 450 Hz angehoben 9) Mitten bei 800 Hz angehoben 10) Mitten bei 1,6 kHz angehoben 11) Mitten bei 3 kHz angehoben

Der regelbare Monoeffektweg funktioniert tadellos. Ich habe den Sound mit diversen Effekten getestet und das Ergebnis war stets zufriedenstellend. Wenn man sich entscheidet, ihn zu verwenden, sollte man allerdings Gebrauch von der Möglichkeit machen, einen externen Fußschalter für die Fernsteuerung anzuschließen. So kann man ihn bequem zuschalten, wenn er gebraucht wird. Mein Eindruck beim Test des PF-800 war überwiegend positiv. Der Klangcharakter wird jeden Ampeg-Kenner überraschen und auch überzeugen. Allerdings muss ich fairerweise anmerken, dass man trotz der mannigfaltigen Bassanhebungsmöglichkeiten nicht die Wärme und Fülle eines Vollröhren-SVTs erzeugen kann. Das wäre wohl auch etwas zu viel des Guten. Einerseits ist die direkte und schnelle Ansprache, bedingt durch die Class-D Transistortechnologie, ein Vorteil, wenn es um attackreiche Spielweisen wie Slap oder Pick geht. Andererseits fehlt einem eventuell die „gefühlte Obertonfülle“ der Röhren, die man nicht durch Bearbeitung der Klangregelung simulieren kann. Die Klangregelung hat sinnvolle Regelbereiche, für Extremeinstellungen ist sie aber etwas zu zahm ausgelegt. Das soll heißen, dass man den Sound zwar verändern, aber kaum „kaputtmachen“ kann – was viele Bassisten durchaus als positive Eigenart empfinden werden.
Wer sich erhofft, der Vorstufe des PF-800 eine angenehme Verzerrung oder gar einen pfundigen Röhrengrowl zu entlocken, den muss ich leider enttäuschen. Jeder Versuch, den Gain in ein mögliches Overdrive zu fahren, wird mit brutaler digitaler Verzerrung quittiert. Und das ist nur logisch, denn es befindet sich weder eine Röhre an Bord, noch ein Schaltkreis, der ein solches Zerrverhalten simulieren könnte. In diesem Fall wird man also externe Tretminenhilfe in Anspruch nehmen müssen. Dennoch ist es Ampeg gelungen, diesen kleinen Burschen nicht steril klingen zu lassen, sondern ihm einen ausgewachsenen Charakter einzupflanzen. Wie man den Hörbeispielen entnehmen kann, klingt er auch nicht vollends clean, wenngleich auch nicht verzerrt. Ich denke, man hat hier einen gut funktionierenden Mittelweg gefunden. Die Leistung ist für die meisten Anwendungen voll ausreichend – ich jedenfalls konnte sie in keiner Testsituation bis zum Limit ausreizen.

Das PF-800 Top klingt wie ein waschechter Ampeg
Das PF-800 Top klingt wie ein waschechter Ampeg
Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.