Praxis
Mit knapp 10 kg ist der Transport des SVT-8 PRO absolut kein Problem. Das Argument „Ampeg ist mir zu schwer“ zieht also nicht mehr. Auch das Argument der persönlich wahrgenommen mangelnden Leistung der Transistorgeneration gegenüber den Röhrenkollegen verliert angesichts der bereitgestellten Reserven an Bedeutsamkeit.
Der erste spannende Moment, wenn man solch ein leistungsstarkes Aggregat an das Netz anschliesst, kommt immer dann, wenn man den Netzschalter betätigt und hofft, dass die Haussicherung hält. Im Falle des SVT-8 PRO hat die Sicherung des Testraumes auch mehrere Einschaltversuche ertragen, wenngleich man am Raumlicht deutlich ein kurzzeitiges Absinken der Spannung während des Einschaltvorganges wahrnehmen konnte. In einem Proberaum mit vielen angeschlossenen Verbrauchern könnte es daher empfehlenswert sein, den SVT-8 PRO als ersten Verbraucher in der Kette anzuschalten.
Sofort beginnt der Lüfter sein Werk, was mich ein wenig verblüfft, denn in dieser Preis- und Leistungskategorie hätte ich mir einen dynamischen Lüfter gewünscht, der nur dann anspringt, wenn er gebraucht wird und nicht unbedingt nonstop durchrennt – zumal es mittlerweile durchaus geräuschärmere Lüfter auf dem Markt gibt. Angesichts der offerierten Lautstärkereserven geht man bei Ampeg offensichtlich davon aus, das das Lüftergeräusch in Relation zur verwendeten Lautstärke marginal ist. Das ist es zwar auch, jedoch kann es mitunter im Studio oder Proberaum extrem nerven, speziell, wenn der Amp in er Ruhephase ist und eigentlich gar keine oder nur noch geringe Kühlung benötigen würde. Das Lüftergeräusch ist seit Jahren einer der häufigsten Kritikpunkte, den man in Foreneinträgen findet. Es wäre eigentlich an der Zeit, seitens Ampeg endlich den Kundenwunsch nach leiseren Lüftern zu erfüllen.
Ansonsten ist die Nutzung sehr intuitiv. Die Eingangsempfindlichkeit über den Gainregler ist schnell erledigt. Der Eingang verhält sich sehr tolerant und eine Absenkung mit dem Pad-Schalter ist selbst bei aktiven Bässen nicht unbedingt notwendig, wohl aber hilfreich, wenn man einen möglichst cleanen Sound anstrebt.
Für einen Test ist natürlich sowohl der Sound des gesamten Verstärkers über eine Box als auch der isolierte Sound des Preamps über den DI Ausgang interessant. Insbesondere ist das beim PRO-8 der Fall, weil die Vorstufe/Klangregelung auf dem Design des SVP-Classic-Preamps aufgebaut ist, der durchaus gerne auch Verwendung in Tonstudios findet.
Ich habe im folgenden Beispiel einen passiven, 5-saitigen-Jazzbass gewählt. Das DI Signal wirkt satt und breit, nicht verschwommen, hat aber schon einen enormen Bassanteil – die Bässe in der Klangregelung wirken sehr effektiv.
Hört man nun das Speakersignal der für diesen Test verwendeten Ampeg 4×10“ BXT (4 Ohm), so kommen wir in den Genuss durchsetzungsfreudiger Mitten, die voluminösen Bässe des DI-Signals sind hier nicht so stark vertreten. Hier findet die größte Aktivität zwischen 90 und 250 Hz statt. Bei einer 8×10“-Box dürfte der Tiefbassanteil entsprechend stärker ausfallen, vor allem bei entsprechend größerer Entfernung von der Box ab 1,5 Meter.
Ich bin von der Qualität des PRO-8 DI-Signals recht angetan. Nebengeräusche kann ich keine ausmachen und das Signal klingt warm, voluminös, obertonreich: Alles typische Ampeg-Soundattribute, die so unverwechselbar klingen.
Sehr spannend finde ich den Fünffach-Schalter „Ultra Low“, zunächst im Preset 2:
Die Unterschiede der Presets sind über die Box im Raum sehr gut zu hören. Die Unterschiede in den Presets „4“ und „5“ lassen sich nicht deutlich genug darstellen und daher lasse ich Preset „4“ hier weg. Sehr deutlich dagegen unterscheiden sich Presets 3 und 5 voneinander.
Peset 3 entspricht dem Setting des Ultra-Low-Schalters der Classic-Serie und in der Tat fühlt man sich sofort an den Sound dieser Boliden erinnert, sobald man den Schalter auf die Raste Nummer 3 dreht. Dahinter verbirgt sich eine breitbandige Tiefmittenabsenkung bei ca. 200Hz.
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Preset „5“ geht noch einen Schritt weiter und bietet einem letztlich ein volle Breitseite Subbass durch eine Anhebung des 30Hz Bereiches. Hier hören wir in drei getrennten Beispielen, wie sich der Sound bei diesem Preset „5“ verhält:
Der Schalter für die „Ultra Low“-Funktion hat eine Eigenschaft, die man bedenken sollte: Schaltet man die Presets um, wird der Ton kurz unterbrochen.
Die Klangregelung für Höhen, Mitten und Bässe besitzt die Ampeg-eigene Mittenregelung, bei der man per Drehschalter zwischen fünf verschiedenen Centerfrequenzen wählen kann, die dann mit dem Mittenregler (mit voreingestelltem, relativ breiten Q-Faktor) abgesenkt oder angehoben werden können. Sie ist für nahezu alle Bedürfnisse ausreichend. In Verbindung zu den „Ultra Low“-Presets kann man den Bassregler des 3-Band-EQs unter Umständen, in Mittelstellung belassen – wie den Höhenregler. Bezüglich der Mitten hat es sich für fast alle Sounds gut bewährt, die Presetstellung 3 für den Frequenzbereich um 800Hz zu wählen und diesen abzusenken. Jedoch bietet die Mittenregelung sehr viel Spielraum für ganz unterschiedliche Soundvarianten, was nicht zuletzt auch eine Frage der Boxenauswahl ist.
Als nächstes widmen wir uns den Filtersektionen „Bright“ und „Ultra High“. Der Druckschalter „Bright“ hebt die Höhen um 3 kHz steilflankig um 6 dB an. Das ist ein Frequenzbereich, die man im Bassignal gerne mit „Knack“ umschreibt.
Hier hören wir ein Beispiel mit Plektrum ohne zusätzliches Filter, allerdings mit dem Höhenregler der Klangregelung bereits leicht angehobenen Höhen:
Und hier das gleiche Beispiel mit „Bright“-Filter. Der „Knack“ nimmt deutlich zu.
Der Schalter „Ultra High“ hebt die Höhen bei 8 kHz um 16 dB an, was man wiederum lautsprachlich mit „Hiss“ benennen könnte. Dieser „Hiss“-Effekt bei Filter „Ultra High“ kann im folgenden Klangbeispiel nur vom vorhergehenden „Bright“-Effekt unterschieden werden, wenn das Audiofile auf Kopfhörern oder Boxen wiedergegeben wird, die diese Feinheiten auch abbilden können. Im Aufnahmeraum selbst, mit einer Bass-Box, die über einen Hochtöner verfügt, ist der Effekt überdeutlich. Überhaupt wird man den Einsatz dieser Höhenfilter bei der gleichzeitigen Verwendung von Bassboxen mit integriertem Hochtonsystem wahrscheinlich als übertrieben empfinden. Bei 10“-Systemen ohne Hochtöner klingen sie außergewöhnlich wirkungsvoll und in keiner Weise unangenehm. Hier das Beispiel mit dem „Ultra High“-Filter:
Kombiniert man beide Filter „Bright“ und „Ultra High“ miteinander, tritt der Effekt wieder deutlicher hervor.
Eine von Ampeg besonders hervorgehobene Innovation im SVT-8 PRO ist die „Power Reduction“-Funktion, mit deren Unterstützung man das Klangverhalten einer voll ausgelasteten Röhenendstufe simulieren können soll. Ein Vollröhrenverstärker klingt unterschiedlich, wenn er leise oder laut gespielt wird. Bei Verstärkern ohne Mastervolumen kann man nicht genau bestimmen, wie sich der Grad der Soundveränderung und zunehmenden Verzerrung zwischen Vor- und Endstufe verteilt. Bei Modellen mit Mastervolumen ist es leichter, das Phänomen zu beobachten. Der Amp klingt dann trotz gleicher Vorstufeneinstellung anders. Vor allem Gitarristen kennen diese Besonderheit und verwenden häufiger sogenannte „Power Soaks“, um auch bei geringeren Pegeln in den Genuss der warmen, voluminösen Endstufenzerrung zu kommen.
Nun ist der SVT-8 PRO ein Hybridverstärker mit Röhrenvorstufe, aber einer Transistorendstufe. Um ihm einen Toncharakter eines Vollröhren-SVT zu spendieren, hat man einen Schaltkreis entworfen, der diesem Ziel etwas näher kommt. Ich finde, es ist Ampeg durchaus gelungen, eine Illusion in Richtung Röhrenendstufe zu erzeugen, wenngleich man ein wenig experimentieren muss, damit sie nicht wie ein banaler Verzerrer klingt. Pure Verzerrung kann man auch mit dem Übersteuern der Eingangsstufe erzielen. Hier geht es ja darum, den Sound der Vollröhren-SVTs zu imitieren. Man zieht hierfür das Push/Pull-Potentiometer des Drive-Reglers heraus, sollte aber dabei erst einmal den Power-Regler der Power-Reduction-Sektion auf Null setzen und dann allmählich an die Master-Lautstärke angleichen, die der Verstärker abgibt, wenn der Drive-Regler ausgeschaltet ist. So vermeidet man ungewollte Pegelgewitter.
Das überzeugendste Ergebnis erreicht man meiner Ansicht mit einer möglichst dezenten Verzerrung. So wie das folgende Beispiel klingt in etwa ein Vollröhren-SVT, der sehr weit aufgedreht ist.
Um in den vollen Genuss des Effektes zu kommen, muss man allerdings dafür im Raum vor der Box stehen. Wenn man die Augen schliesst, erliegt man in der Tat der Vollröhren-Illusion und ist überrascht, beim wieder öffnen der Augen nicht vor einem fetten Ampeg-Turm zu stehen. Man wird diese Funktion vorrangig verwenden, wenn man sich im Stilbereich von Rockmusik bewegt, das steht ausser Frage. Aber genau hier hat Ampeg ja schon immer auch seine klangliche und optische Kernausrichtung betrieben.
Wenn es etwas moderner klingen soll, wird man die Power-Reduction-Funktion eher ausgeschaltet lassen. So lassen sich auch dynamikstarke, cleane Sounds verwirklichen, wie man in den vorangehenden Beispielen hören kann. Im letzten Beispiel klingt ein Slapbass ohne zusätzliche Filter, lediglich mit leicht angehobenen Bässen und Höhen und abgesenkten Mitten bei 800 Hz.
Auch beim Slapbass behält der Verstärker seine persönliche Ampeg-Note. Ich persönlich mag das. Der Verstärker besitzt unverwechselbaren Charakter.
Steve sagt:
#1 - 19.10.2012 um 13:32 Uhr
Ich muss eurer Seite ein ganz großes Kompliment machen. Endlich mal Test von Leuten die wissen wovon sie sprechen. Ich habe das SVT 8Pro Top selber und kann dem Autor in jedem Punkt zustimmen. Weiter so. Das macht Spass.