Praxis
Praxis und Sound
Der grundsätzliche Sound des Amps liegt in einer Zwischenwelt von Fender, Hiwatt und Marshall. Neben sehr stabilen cleanen- und hervorragenden Higainsounds bekommt man hier allerdings nicht diese superweichen voxigen Anzerrungen hin. Dazu klingt der Amp einfach viel zu rotzig. Wenn man auf eine sehr direkte und mächtige Wiedergabe steht, wird man sich hier sofort wohlfühlen. Meine klangliche Reise durch die Schaltkreise meines Testverstärkers beginne ich mit den cleanen Sounds. Die Klangregelung des ersten Kanals besteht nur aus einem einzelnen Tone-Regler, der bei allen Audiobeispielen auf der 12 Uhr Position verblieb. Hier liegt für meinen Geschmack auch der perfekte Sweetspot der abgespeckten Klangregelung. Anfangs hatte ich die Befürchtung, dass der Bassbereich zu schwach ist, was sich allerdings nicht bestätigte. Fakt ist jedoch, dass der Frequenzbereich der Endstufe unterhalb von 100 Hz abgeschwächt wurde. Dieser Frequenzbereich wird ohnehin sowohl im Studio als auch bei Konzerten von den Toningenieuren immer weggefiltert, weil man hier den Frequenzen von Bass und Bassdrum ins Gehege kommt. Außerdem kann die Endstufe ohne diesen unhörbaren “Frequenzballast” sauberer arbeiten. Das erste Soundbeispiel besteht aus drei Teilen. Im ersten Drittel hört man ein Lick ohne aktivierten Bright-Schalter. Danach kommt das ähnliche Lick mit aktviertem Bright 1 und zum Schluss mit aktiviertem Bright 2.
Die verwendete Gitarre ist eine 77er Stratocaster mit Kloppmannpickups, als Box steht ein 4×12 Marshall-Cabinet mit Greenbacks bereit, abgenommen mit einem SM57 am Speaker und etwas weiter entfernt einem Neumann U87, das leicht beigemischt wurde. Das Ganze wird von einem Apogee Ensemble Interface in meinen Mac mit Logic Audio gefüttert.
Kommen wir zu den beiden Boostern. Sie bringen die Vorstufe des Amps geschmackvoll auf Touren, ohne den Eingang zu überbraten. Booster Nummer Eins betont in Anlehnung an Fenderamps die oberen Frequenzen, während Booster zwei Einfluss auf den Mittenbereich nimmt. Aktiviert man beide Booster gleichzeitig, geht entsprechend die Post ab und man erhält einen mächtigen Gainschub. Im nächsten Audiobeispiel hört man ein Gitarrenriff zuerst mit Booster 1, dann mit Booster 2 und im letzten Drittel mit beiden Boostern. Merkwürdigerweise fällt der Sound im zweiten Drittel, also mit Booster 2, etwas ab. Das liegt daran, das ich den Eingang hier nur leicht geboostet habe und die Betonung der oberen Frequenzen die Eingangsstufe deutlicher kitzelt als die weicheren Mitten von Booster zwei. Am Ende, wenn beide Booster zusammenarbeiten, addiert sich die Power beider Schaltungen und generiert einen saftigen Classicrock-Sound.
Wenn überhaupt davon die Rede sein kann, dann wäre das einzige Manko des Amps der Übergang zwischen clean und angezerrt. Der Amp reagiert hier nicht “voxig”, sondern wesentlich grobkörniger. Aber dafür wurde er auch nicht gebaut. Hier tritt die Verwandtschaft von Hiwatt und Marshall zutage, die dem Ton eine gehörige Portion Schmutz verleiht. Das Ganze fällt natürlich unter die Rubrik Geschmackssache, aber es verleiht dem Sound jede Menge Druck und Authentizität.
Bringt man jetzt noch die beiden Booster ins Spiel, erwacht der Amp auch mit wenig Gain förmlich zum Leben. Booster Nummer 1 liefert sofort mehr Stabilität und einen etwas schmatzigeren, klassischen Rock-Ton. Dabei drückt der Amp extrem, ideal für fette Riffs. Die verwendete Gitarre ist hier übrigens meine Les Paul.
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Mit dem zweiten Boost wird es wegen der Mittenanhebung noch fetter, ohne jedoch zu mulmen. Der Ton ist auch hier klassisch und reagiert feinfühlig auf die Spielweise und den Anschlag. Der Amp möchte mit einem guten Signal gefüttert werden, denn irgendeine Art von Gleichmacherei durch übermäßige Kompression findet nicht statt.
Werden beide Booster aktiviert, geht der Amp mit den Humbuckern der Les Paul bis kurz vor die Schwelle, die dem Sound einen fuzzigen Charakter geben könnte. Aber der Ton bleibt stabil, pumpt gleichzeitig angenehm und singt, bis der Arzt kommt. Man merkt einfach, dass der Hersteller bei der Konstruktion bis ins kleinste Detail gegangen ist, um diese breite Palette unterschiedlicher Soundvarianten zu ermöglichen.
Im High Gain Modus gehts auch ohne aktivierten Boost in Heavy/Metal/Fusion-Gefilde. Hier lassen sich alleine mit der Klangregelung schon viele Nuancen einstellen. Bei meinen Versuchen habe ich Bass, Mid und Treble meist in der 12-Uhr-Position gelassen. Es ist kein Problem, mehr Präsenz oder Mitten hinzuzufügen und den Ton, wie unter einem Klangmikroskop, sehr fein auf den persönlichen Geschmack einzustellen. Alle Nuancen hier vorzustellen würde den Rahmen allerdings sprengen.
Wie aber klingt es im High Gain Modus mit der Stratocaster? Dazu habe ich den ersten Booster aktiviert, um etwas mehr Gain zu erhalten. Der Ton ist für eine Stratocaster angenehm fett mit einer sehr guten Definition im Anschlag.
Zum Schluss gibt es noch ein Metal-Riff mit beiden Boostern im High-Gain-Modus. Die verwendete Gitarre ist wieder meine Les Paul, deren Humbucker einen Medium-Output liefern. Hier habe ich den Middle-Regler leicht zurückgenommen, um etwas mehr in Richtung Metal zu gehen. Einen wirklich mittig ausgehöhlten Sound bekommt man nur bedingt hin. Allerdings bringt es meiner Studioerfahrung nach nichts, wenn man bei einem High-Gain-/Metal-Sound die Mitten in einem Bereich von 700-1000 Hz zu sehr herausdreht. Hier besteht die Gefahr, dass letztlich nur noch zirpige Höhen übrigbleiben, wenn der Toningenieur später im Mix die Bässe der Gitarrenspur ausdünnt, um Platz für die tiefen Frequenzen des Bassisten und der Bassdrum freizuschaufeln. Auch hier klingt der Amp schon so schlüssig, dass man im Studio und auch auf der Bühne, wenn überhaupt, nur sehr wenige Korrekturen mit dem Equalizer machen muss.