Praxis
Es ist wohl das etwas ungewöhnliche Feature-Set und auch das Layout der Bedienlemente, welches sich eher an einem EQ als an einem gewöhnlichen Kompressor orientiert, das die Einstellung des 2264ALB zunächst zu einem Geduldsspiel macht. Es braucht schon eine ganze Weile, bis man sich auf dem 2264ALB „zuhause“ fühlt, und das selbst dann, wenn man mit der Arbeits- und Funktionsweise eines Kompressors des 2254-Typs grundsätzlich sehr vertraut ist. Dies spricht nicht gegen die Qualitäten des Geräts an sich, vielmehr unterstreicht es nur die Schwierigkeiten, die sich aufgrund der kleinen Gehäusedimensionen einer 500-Kassette ergeben können.
Klanglich lagen die Neve-Kompressoren schon immer am fetten Ende des Spektrums. Sie zeichneten sich stets durch warme, dicke Tiefmitten aus, durch einen runden, fast gemütlichen Ton, der Signalen viel Gewicht, Körper und Autorität verleihen kann – da macht auch der 2264ALB keine Ausnahme. Es ist schon erstaunlich, wie dick die kleine Kassette ihre Backen aufpusten kann, den typischen Charakter eines klassischen Neve-Kompressors liefert dieses Design auch in seiner schmalfüßigsten Darreichungsform. Zu diesen Klangeigenschaften kommt noch der typische Charakter der eigentlichen Kompression: Ebenfalls sehr dick und sämig, mit einer Kennlinie und einem Release-Verhalten, das allen Geräten dieses Typs gemein ist. Ganz klar, das hier ist ein echter Neve, der trotz seiner kleinen Dimensionen ausgesprochen „ausgewachsen“ klingt. Im Zusammenspiel von Kompressor und Limiter lassen sich einige interessante Klänge realisieren, wobei der Sweet Spot dieses Dynamikwerkzeuges auf ganz bestimmten Anwendungsbereichen liegt, und der Grund dafür ist neben dem Grundklang ganz eindeutig der Attackparameter. Mit einer schnellsten Attackzeit von 3 ms ist die Kompression nämlich ebenso träge wie die Übertrager in den Tiefmitten gemütlich sind.
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Das bedeutet: Den typischen Squeeze, den der 1176 (oder gar der noch schnellere API 525) bieten, kann der Neve nicht. Ein typischer „Lautmacher“ ist dieser Kompressor also nicht, und je nach Gesangsaufnahme kann er Zischlaute auch recht heftig betonen. Deswegen handelt es sich hier nicht direkt um einen Allroundkompressor für wirklich alle denkbaren Anwendungsgebiete, sondern eben um ein Charaktertier mit dem typischen „Dioden-Pop“, der in einigen Fällen passt und in anderen nicht so gut.