Praxis
Im Vergleich zum Leipzig-S, der vor rund zehn Jahren auf den Markt kam, hat sich doch schon einiges getan. Die Version 3 wurde technisch überarbeitet und der 19-Zoll-Synth verwandelte sich in einen Desktop-Synthesizer. Der Sequenzer wurde mit neuen Funktionen ausgestattet, ein Kopfhörerausgang wurde hinzugefügt, last, but not least weist der Hersteller darauf hin, dass man jetzt einen beleuchteten On/Off-Schalter habe, der zudem auf der Rückseite liegt – wahrscheinlich eine spezielle Form von britischem Humor.
Konzept und Bedienung
Klar, die „One Knob per Function“-Bedienung macht den Umgang mit dem Leipzig V3 leicht, damit wird selbst der Einsteiger zurechtkommen. Das große Bedienfeld macht das Ganze dann noch sehr übersichtlich. Der Look, das Handling und der Formfaktor sind absolut gelungen. Alle Bedienelemente sind relativ groß und lassen sich sehr angenehm bewegen. Das etwas minimalistische Konzept ist gewollt, hier „stören“ keine integrierten Effekte oder andere Geschmacksverstärker, hier geht es um den puren analogen Sound. Wem das zu wenig ist, der sollte sich woanders umschauen. Trotzdem hätte man, ohne das Konzept „verraten“ zu müssen, doch noch ein paar Sachen ergänzen können. Ein MIDI-Out hätte nicht geschadet und auch ein paar Patchpunkte mehr hätten dem puristischen Ansatz nicht entgegengestanden. Gleichfalls hätte mich ein CV-Eingang mit V/Okt.-Kalibrierung nicht gestört.
Der 8-Step- und der „unsichtbare“ Sequenzer
Ich erwähnte bereits eingangs, dass Analogue Solutions manchmal eigenwillige Wege geht. Dies gilt besonders für die Sequenzer-Funktionen. Direkt sichtbar ist der analoge 8-Step-Sequenzer mit den acht Drehreglern, die die Steuerspannungen bestimmen. Dieser Bereich lässt sich auf die drei Adressen VCO 1, VCO 2 und Filter routen, und zwar mit separat einstellbarer Intensität. Damit wäre z. B eine zweistimmige Tonfolge möglich. Noch interessanter wird es, wenn man z. B. beide VCOs im Sync-Betrieb fährt und dann mit jedem Step die Tonhöhe von VCO 2 und damit den Sync-Effekt variiert. Dazu gesellt sich noch der unsichtbare, jedoch stets präsente MIDI-Sequenzer dazu! Ja, in der Tat wir reden von zwei Varianten, die untrennbar miteinander verbunden sind. Der unsichtbare Bereich zeichnet stets die letzten 16 über ein MIDI-Keyboard gespielten Töne auf und gibt diese bei Start des Sequenzers wieder – ob man will oder nicht. Untrennbar heißt, jeder Ton ist mit dem einem Step des analogen Sequenzers verbunden. Starten wir den Sequenzer, dann laufen beide Systeme IMMER parallel, was nicht bedeutet, dass wir mehrstimmig werden. Setzen wir alle Regler der acht Steps auf null, dann laufen die 16 Töne ab, so wie gespielt.
Ergo hören wir ggf. eine Melodie, selbst wenn alles Steps gleich eingestellt sind. Ändern wir z. B. die Reglerposition von Step 1 dann hat dies Auswirkungen auf Ton 1 und Ton 9 der 16 MIDI-Noten. Dies kann sich auf die Tonhöhe beziehen, aber viel besser noch auf Modulationen. Der 8-Step-Sequenzerr ist quasi der Modulator der MIDI-Sequenz. Will man ausschließlich mit den acht Step-Reglern eine Tonfolge einstellen, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als auf dem MIDI-Keyboard z. B. 16 x C4 einzugeben, um dann anhand der Step-Regler die Tonfolge, wie man es von einem Step-Sequenzer gewohnt ist, einzustellen. Klingt kompliziert? Ist es auch! Leider kann man zu keiner Zeit die MIDI-Sequenz löschen, man kann sie nur mit neuen Tönen überschreiben. Was vielleicht einerseits merkwürdig anmutet, kann – sieht man den Leipzig V3 als Performance-Tool – im Livebetrieb zu immer wechselnden, spontanen und zufallsabhängigen und damit zu überraschenden Ergebnissen führen.
Irgendwie entsteht dabei eine sich stets weiterentwickelnde Tonfolge. Sehr schade, dass man diese nicht über MIDI ausspielen kann. Drückt man die Taste „MIDI Transpose“, dann überschreibt man auf der MIDI-Tastatur nicht mehr die Tonfolge, man transponiert diese. Hat man bei der teils zufälligen Eingabe ein geiles Ergebnis, lässt sich das mit der Transpose-Funktion noch weiter ausbauen. Die MIDI-Tonfolge wird gelöscht, sobald man das Gerät ausschaltet. Schaltet man den Synth wieder an, ist sofort eine Tonfolge da, jedoch nicht die, die man zuletzt verwendet hat. Löschen kann man diese nicht. Abschalten lässt sich das alles nur, wenn man den Sync-Regler auf „Stop“ stellt. Eine „Löschtaste“ hätte ich schon als sehr hilfreich empfunden. Irgendwie mutet der Bereich an wie eine Mixtur aus Sequenzer und Looper. Auf jeden Fall ein eigenwilliges und weites Spielfeld für Experimentierfreudige. Manche werden das ziemlich spezielle Sequenzer-Konzept mögen, andere nicht.
Sync-Möglichkeiten
Kreativ war man noch im Angebot der Sync-Möglichkeiten. Neben MIDI-Sync, womit der Leipzig V3 auch auf Start/Stop-Befehle reagiert, gibt es noch einen Eingang für ein externes Sync-Signal /LFO und eine Variante, das Gerät jenseits von MIDI Sync mit einer DAW zu synchronisieren. Dies realisiert man über eine Aufnahme der MIDI-Note 0 in der DAW. Stets wenn eine MIDI-Note 0 ausgegeben wird, steppt der Sequenzer einen Schritt weiter. Damit lässt sich die Abfolge rhythmisieren oder aber die MIDI-Note 0 als eine Art Cue-Punkt setzen, der irgendwann im Playback die Sequenz startet.
Wie klingt der Leipzig V3?
Analoge Power vom Feinsten, da gibt es absolut nichts auszusetzen. Und trotz des Ladder-Filters klingt der Synthesizer eigentlich nicht nach Moog, Der Leipzig V3 ist viel erdiger, schärfer, rauer und aggressiver. Dafür sorgen zudem die Übersteuerungsmöglichkeiten von Filter und VCA. Das ergibt ein schönes analoges „Zerren“. Was mir besonders gefällt? Die Bässe kommen prägnant ohne Wummern und der Klang ist unheimlich definiert. Den Mann am Pult wird`s freuen. Alles hat eine gewisse Durchsetzungskraft. Dazu kommen noch diverse Modulationsmöglichkeiten (z. B. Cross-Modulationen), welche die Klangpalette noch vielfältiger machen. Dazu zählt in gewisser Hinsicht noch der Step-Sequenzer, der sich besonders bei FM- und Sync-Einstellungen bewährt. Und selbst Schwebesounds sind alles andere als cheesy und romantisch.
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Audiobeispiele zu Analogue Solutions Leipzig V3
Hinweis zu diesem Testbericht!
Unser Testgerät wies das nachfolgend erklärte Phänomen auf, was möglicherweise durch eine Kalibrierung beseitigt werden kann. Analogue Solutions versicherte uns, dass das Phänomen bei anderen Geräten nicht auftauche, weswegen es die Bewertung des Produktes nicht beeinflusst. Anwender, die bereits im Besitz eines LeipzigV3 sind, können das schnell selbst nachprüfen und sich dann ggf. an ihren Händler wenden.
Wie sind wir vorgegangen? Beide VCOs des Leipzig wurden exakt gestimmt, sodass keine Schwebungen zu hören waren. Mithilfe einer angeschlossenen MIDI-Tastatur (Arturia Keystep) spielten wir den zum Stimmen verwendeten Basiston eine Oktave höher, was deutliche Schwebungen hörbar machte. Noch eine weitere Oktave höher drifteten die beiden VCOs so weit auseinander, dass sie komplett ‚out of tune‘ waren. Gingen wir zum Ausgangston zurück, war wiederum keine Schwebung festzustellen.
Das Phänomen ist in den folgenden Audiobeispielen gut zu hören und so deutlich, dass der gewonnene Eindruck nicht mit einem Stimmgerät untermauert werden musste.
Wer vornehmlich Sync-Sounds o. ä. spielt, oder in einem engen Tonraum bleibt, dem wird dieses Phänomen nicht weiter auffallen. Bewegt man sich doch mit seinem Spiel über ein oder mehrere Oktaven hinweg, stört es. Je höher die Lage, desto deutlicher die Verstimmung. Also selbst einmal ausprobieren, alle Modulation inklusive der PWM ausschalten und dann den Test wie beschrieben durchführen.