Es ist soweit. Ich habe in hunderten Artikeln geschrieben, dass nun doch eine sehr kleine Hand voll analoger Roland-Klassiker fehlte. Mein Wunsch war stets ein Jupiter-4. Ab dann wäre Roland fest gezwungen mehr nach vorn zu schauen. Unter den noch fehlenden Angeboten wären die Modularen Systeme 700 und 100m, aber auch SH-5 und SH-7. Ganz unlogisch erschien es mir nach dem Promars nicht, dass ein Jupiter-4 auch möglich sei. Hier ist er im Praxistest. Es gibt ihn als Plug-in und Plug-out, damit als Software und als einer von drei Synthesizern im System-8.
Roland Jupiter-4 vs. Promars
Als Hintergrund sei gesagt, dass ich Jupiter-4 und Promars mehrfach im Original verwendet und im Studio eingesetzt habe. Er war sogar 1-2x live dabei. Aber das bereut mein Rücken. Deshalb gibt es zwei Betrachtungen: der Jupiter-4 heute, so wie er ist, im Vergleich zum Verhalten des Originals und im Abgleich mit dem Promars, der zwei VCOs anbietet, jedoch aber nur monophon als Plug-out zu haben ist. Ab sofort ist mit “Plug-out” sinngemäß Softwarelösung gemeint, denn beide klingen gleich und verhalten sich auch identisch.
Mit dem System-8 kann man die Software steuern. Genau so wie das bei allen anderen Angeboten vorher auch möglich ist. Beide können bis zu 8 Stimmen hervorbringen. Das System-8 benötigt jeweils für jedes neue Synthesizer-Modell ein kleines Update, was leicht per SD-Card und Neustart des System-8 installiert werden kann (V3.02). Letzte Veröffentlichung für das System-8 war der Juno-60. Damit gibt es insgesamt 5 polyphone Synthesizer für das System-8 und alle Monophonen laufen ebenfalls dort.
Als kleine Anekdote sei noch gesagt, dass der Promars mit verschiedenen Wellenformen und 2 Suboszillatoren ausgestattet ist. Man kommt da normalerweise nicht heran, habe dies aber per Modifikation erreichen können. Der ist dann sogar “zu fett”. Aber man kann Schwebungen leichter herstellen und Intervalle erzeugen. Letzteres lässt sich über das Chord Memory des “neuen” Jupiter-4 erreichen. Wie das im Original aussieht, kannst du hier sehen (Knöpfe auf dem oberen Panel).
Technik
Die technischen Dinge zum Jupiter-4 sind recht schnell erklärt. Dort arbeitet ein VCO mit Sägezahn oder Rechteck, mit (oder ohne) Pulsbreiteneinstellung und dazu einem klassischem Rechteck-Suboszillator mit regelbarer Lautstärke. Letzteres ist beim Original lediglich ein Schalter, hier ist es ein Pegelsteller. Pulsbreitenmodulation ist per Hüllkurve oder LFO anzuwenden und man kann sich hier sogar aussuchen, ob es die Lautstärke- oder Filterhüllkurve sein soll. Ein Rauschen lässt sich ebenfalls einmischen und entgegen dem Original ebenfalls fließend regeln.
Für dich ausgesucht
Der LFO ist durch seine hohe Frequenz im “Wide” Modus einstellbar, dass für PWM, Tonhöhe und Filter-Modulation interessante FM-Effekte jeweils getrennt regelt. Genau DAS ist die Basis für die interessanteren Sounds, denn sonst wäre er den großen Jupitern deutlich unterlegen. Die beiden Hüllkurven sind im Original sehr snappy, im vorliegenden Fall auch musikalisch und gut, jedoch nicht ganz so perfekt, wie es die Originale vorgeben. Die LFO-Steuerung ermöglicht metallische, angezerrte aber auch subtil verbogene Bewegungen, die auch verschieden Wirkung zeigen. DAS wissen aber wohl die meisten.
Der LFO hat passenderweise neben Dreieck, Sägezahn und Rechteck auch Sinus zu bieten. Das ist für den Klang der FM-Ergebnisse eine gute Sache. Außerdem ist ein Sample & Hold möglich, der tatsächlich ordentlich schnell arbeitet, sodass er in den Bereich “klingt eher nach Regen, als nach Computer-Bleep” kommt. Das ist ein wichtiges Element und Test für die Synths, die wirklich SCHNELLE Modulationsoszillatoren anbieten. Die meisten bestehen diesen Test nicht. Der Jupiter schon.
Erfahrung vs. Technik
Dem Jupiter sind drei Effekte mit Wahloption angeschlossen, die Reverb und Delay, aber auch das klassische Ensemble und Chorus gleichzeitig ermöglichen. Das nicht allgemein bekannte typische Element, ist die allgemeine Exaktheit, die am Jupiter-4 einstellbar ist. Das nennt Roland Circuit Mod. Diese verändert nicht nur das Tuning sondern auch die Parameter der Stimmen, um leicht unterschiedliche bis deutlich verschieden klingende Stimmen bewirken.
Das ist besonders, für den Unisono-Modus absolut typisch und wichtig für einen der großen Vorteile des Synths, denn die beiden Unison-Modes haben eine sehr angenehme Durchschlagskraft, die einfach nur im Jupiter-4 genau so klingen.
Versuche das mit Diva oder anderen recht guten Synths nachzustellen, waren nie genau “so”, obwohl dort Drift-Parameter vorhanden sind, jedoch keine Jupiter-4 Emulation – es klingt dort also mehr nach dem Jupiter 6/8. Dass der neue Jupiter übrigens trotzdem genau so klingt, wie er klingen soll, obwohl dieser Jupiter-4 auch 8-stimmig spielbar ist, liegt daran, dass Unison stets mit 4 Stimmen arbeitet und dem “Abzug” des Systems – sodass mehrere Stimmen gespielt sich so verhalten wie dort.
Die Stimmenzahl lässt sich am Plug-in einstellen, am System-8 ist sie fest. Sie kann aber bei Nutzung der des Split- oder Dual-Modus auf 4 reduziert werden. Der echte Jupiter kannte keine Split oder Layer-Modi. Auch das ist eine fantastische Methode, die sehr “fett” klingen kann.
Der Roland Sound ist hier ein großer Vorteil und noch mehr der typische Charakter des Jupiter-4, der mit dem des Jupiter-8 oder -6 gar nichts (NICHTS!!) zu tun hat! Wenn ich meinen “echten” Jupiter-4 komplett kalibriert hatte, war er mir oft zu genau. Deshalb habe ich als erstes die vier Stimmen wieder angenehm gegeneinander verstimmt. Das ging mit vier Potis auf der Rückseite des schweren orgelhaften Monstergehäuses leicht zu machen. Mittels “Condition” kann das Gerät noch einmal übergeordnet “gealtert” werden – das kann ich nur empfehlen – er klingt dann viel authentischer. Das ist bei keinem Synth so wichtig wie beim Jupiter-4.
Musikalische Betrachtung und Unterschiede
Die Proben mit dem LFO klingen alle sehr echt und da habe ich einfach nichts zu meckern. Der Wide-Taster ist an der Hardware einfach zu erreichen (Trig Env). Bekannterweise leuchten die verwendeten Bedienelemente am System-8 auf, sodass man das leicht findet und auch nicht vergisst.
Ein ganz großer Vorteil beim Recording ist jedoch noch etwas anderes, das “Bleeding“. Das Original schnarrte besonders durch den VCA oft leicht hindurch. Dadurch sind manche Sounds nicht ganz still zu bekommen oder erzeugen Nebengeräusche, die deutlich nicht so gewollt sind. Das ist ein bekanntes Problem des Originals, weshalb man dort sehr genau mit Muting und Aufnahme-Situationen umgehen muss. Bei dem “neuen Jupiter-4” ist das nicht mehr vorhanden und es gibt exakt keine Situation, in der ich dieses Verhalten vermissen würde.
Ähnlich wie beim Promars ist die Resonanz auch im Jupiter deutlich günstiger verteilt bezüglich der Färbung durch die Resonanz. Sie hat im Original oft einen viel kürzeren Regelweg zwischen “färbt” und “geht in die Selbstresonanz” und genau das ist bei der Filter-FM und der Hüllkurve sehr hilfreich. Sie erscheint beim Jupiter-4 nicht ganz so weit, aber trotzdem gut einzustellen zu sein. Dass die beiden Roland Klassiker mit mehr Resonanz ausdünnen, ist allgemein bekannt. Hier erscheint das neue Pendant geringfügig gutmütiger zu sein.
Jupiter-4 Sounds
Die perkussiven LFO–Sounds, mit oder ohne Oszillatoren bzw. Noise, sind Quelle sehr vieler toller Sounds, mit denen man gute Drum Sets bauen kann. Außerdem sind mit den drei Zielen PWM, Tonhöhe und Filtermodulation, durch ihre fein einstellbare Tiefe (beim Original sind es stets nur 64 Schritte), super für Texturen, Flächen, dreckige Bässe, Trompeten-Schepper-Effekte, Snare-Goldhäubchen und vieles mehr.
Da die Hüllkurven nicht ganz so snappy sind wie die des Originals, das jedoch auch besonders krass ist, hat Roland eher mit dem SH-2 perfekte Arbeit geleistet. Hier sind sie noch immer super und besser als Vieles – aber nicht ganz so gut, um einen bestehenden Jupiter-4 zu verkaufen – aber der Charakter ist in allen Einstellungen gut getroffen und besser als alles, was es sonst gibt. Er ist allerdings die einzige Alternative gegenüber dem Mercury 4. Das ist zumindest meine subjektive Meinung. Dafür ist der Mercury allerdings viel viel günstiger zu bekommen (40 € vs. $ 199).
Verhalten und Studiobeurteilung
Was man aber nebenbei bekommt und dem ich mich einige Stunden hingeben musste, sind die wunderschönen Bässe und noch mehr Pads mit sehr schön verlaufenden weichen Konturen und obertonreichen Oszillatoren. Meist dreht man das Filter etwas zu und nutzt einen kleinen Modulation-Hub für dessen Öffnung. Das klingt einfach traumhaft schön und nicht sonderlich abgenutzt. Man hört den Roland – aber es ist eben kein Juno oder Jupiter oder eine derer Emulationen – es hebt sich einfach heraus, ist luftig genug und ist universell nutzbar.
Meine Erwartung ist, dass es noch ein Boutique–Synth geben könnte, der vierstimmig sein wird und den Jupiter-4 mit schönem Sequencer mit analogen Trigger-Anschlüssen komplett abbildet. Das könnte wegen der Baugröße viele Musiker noch weiter begeistern und wird als Gegenstück zum SH-01A und JU-06A rein klanglich und gerade heute noch einen guten Gegenpol bilden und ist extrem einfach zu bedienen. Dazu braucht man wenig Synthesekenntnis und bekommt dennoch großartige Klassiker-Sounds mit nicht zu viel Gewohnheit, aber doch recht hohem Sweet-Spot-Faktor (wenn auch einen Tick weniger, als die Junos oder SH-101).
Das kommt durch die simple 1-Oszillator-Struktur und hat eben jenem SH-101 und anderen Klassikern eine weite Verbreitung gebracht – warum? Weil das Ding einfach gut klingt und jeder kann es bedienen. Das tut auch der Jupiter-4. Aber anders. Er hat allerdings etwas mehr Ausdünnung im Bassbereich bei der Resonanz zu verzeichnen, als die beiden anderen “Früh-Roländer”. Das System-8 könnte einigen zu klein oder anderen zu wenig Aftertouch bieten. Der Jupiter-4 verwendet jeweils getrennt die Anschlagdynamik der beiden Hüllkurven. Nach oben hin und damit meine ich die 5-Oktaver, scheint Roland jedoch lieber Zen-Core verwenden zu wollen und das legt nicht so viel Wert auf Authentizität (könnte den Jupiter-4 daher auch nur indirekt über Samples und geschickte Patches emulieren, nicht aber mit der Engine selbst).
Was ich allerdings nicht verstehe ist, dass im Arpeggiator die Oktav-Range nicht einstellbar ist – in beiden Versionen. Das wäre an der Hardware besser erklärbar (es fehlen die Elemente), bei der Software ist das jedoch unsinnig. Schön wären natürlich auch Zusätze gewesen, wie etwa die beiden Oszillatoren des Promars einfach mit anzubieten und sie sogar mit verschiedenen Wellenformen und Modulation zu versehen. Da aber immer Einträge ins Menü möglich sind, hoffe ich auf ein Update.
Dennoch sind mir beim ersten Einsatz viele Patches sofort eingefallen und das ist eigentlich der beste Beweis, dass es Spaß macht mit dem Jupiter-4 zu arbeiten.
Jupiter-4 Software!
Die Software läuft mit üblichen Formaten: VST3, AAX, und AU. Dazu gehört auch der Support für den M1 ARM-Prozessor. Die Optik lässt sich nach “klassischem” und System-8 Layout passend umstellen, was die Bedienung logischer für Nutzer der Hardware macht. Die Software bietet den “Plug-Out-Taster”, den man nur 1x betätigen muss um für immer das System-8 damit zu befüllen. Theoretisch könnte sogar ein geliehenes Plug-in ein System-8 bestücken. Dazu wählt man einen von 3 Slots aus und löscht das dort vorher installierte Plug-out. Die Sounds lassen sich dort vorher und nachher über die SD-Card sichern. Bei der Software gibt es die klassischen Soundbänke und damit eine leicht bessere Übersicht über eigene Sound Collections. Allerdings ist man hier sicher schneller, wenn man den Klang selbst einstellt bevor man lange Listen durchsucht. Die Presets sind eine ganz passable Mischung aus neu und alt.
Der Preis für die Software und somit auch für das Plug-out beträgt $199 (Lifetime Key). Das ist nicht ganz günstig – aber man kauft damit stets BEIDES. Das ist bisher nicht so gehandhabt, sondern erst mit dem Juno-60 so eingeführt worden. Er wird vermutlich auch günstiger werden, da alle anderen – inkl. Jupiter-8 günstiger zu haben sind.
Cloud?
Alternativ zum Kauf kann man die Roland Cloud abonnieren und entweder monatlich oder jährliche Zahlungsweisen wählen und später sich 2 Synths auswählen, die man nach dieser Zeit behalten kann. Da liegen die Kosten bei $9,99 mtl, bzw. $99 im Jahr. Der Vorteil des Prinzips ist, dass es immer Updates geben und die Pflege wohl noch länger sicher sein wird. Der Nachteil ist eben das Abo – sowas mag nicht jeder. Außerdem muss sich die Software in gewissen Abständen mit der Cloud “autorisieren” lassen. Das ist ein Bequemlichkeitsnachteil. Die Hardware muss das nicht, dort bleibt man für immer unbehelligt.
Der Preis für das Bundle ist wegen der Doppelbestückung okay. Man kann sie nicht getrennt erwerben oder auf eines der beiden Angeboten verzichten. Wer ein paar Klänge hören möchte, kann sich mein kleines Video anschauen, es wird noch ein weiterer Rundlauf folgen, der sehr ausführlich sein wird. Leider mag ich das Teil so gern, dass ich es für ein “muss” halte. Gerade wenn man ein System-8 bereits besitzt, ist das ohne Alternative – das Teil muss sein.
Bekannte Musiker der Zeit, als der Jupiter neu war, waren Human League, das erste Album der Twins (Passion Factory), das Album “Plague” von The Klinik, Depeche Modes erstes Album, Yazoo und viele mehr. Alle sind sehr elektronische Acts und dennoch wäre er auch für technoides und nicht nur für Synthpop oder Industrial geeignet. Auch EBM kann er überzeugend bestücken und viele weitere Stile.
Videos zum Jupiter-4
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