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Apple Logic Studio 9 Test

Praxis:

Flex Time
Die wichtigste Neuerung in der aktuellen Logic-Ausgabe trägt den Namen „Flex Time“, und ein Großteil dieses Tests wird sich mit den dadurch entstehenden Möglichkeiten befassen. Flex Time soll die flexible und nicht destruktive Bearbeitung des Timings von Audiomaterial direkt im Arrangierfenster ermöglichen. Außerdem kann man Audiospuren jetzt genau wie MIDI-Spuren quantisieren. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die dahinter steckende Technik.
Aktiviert man die neue Flex-Ansicht und wählt für eine Audiospur einen der sechs Flex-Modi aus, so analysiert Logic zunächst das Audiomaterial. Dabei werden an rhythmisch relevanten Punkten so genannte Transient-Marker gesetzt. Mit Hilfe dieser Markierungen kann Logic nun direkt in die Wellenform eingreifen, ohne dass Schnitte gemacht werden müssen. Bei perkussivem, rhythmisch eindeutigem Ausgangsmaterial funktioniert das sehr gut. Mit schwammigeren und flächigen Sounds ist die Erkennung bisweilen etwas überfordert und setzt häufig viel zu viele Marker. Das führt in der späteren Bearbeitung zu unschönen Nebeneffekten. Deshalb sollte man in solchen Fällen im Sample-Editor genau kontrollieren, welche Marker wirklich benötigt werden. Zu diesem Zweck stehen einige neue Buttons zur Verfügung, mittels derer die Ergebnisse der automatischen Erkennung beeinflusst und nötigenfalls korrigiert werden können.
Für jede Spur sollte außerdem der passende Flex-Modus gewählt werden. Der einfache Modus „Zerschneiden“ eignet sich vor allem für Drums und anderes perkussives Material, das nicht durch Timestretching zermatscht werden soll. Ist er ausgewählt, so zerteilt Logic die Wellenform an den Transient-Markern in Slices, wie sie zum Beispiel auch in REX-Files vorkommen. Diese werden beim Bewegen nicht timegestretcht, wodurch die Transienten erhalten bleiben.
Außerdem stehen komplexere Modi für monophones, polyphones und rhythmisches Material zur Verfügung. Sie unterscheiden sich drastisch in den verwendeten Timestretching-Algorithmen. Bei nicht zufriedenstellenden Ergebnissen lohnt es sich, einmal einen anderen Modus auszuprobieren – mitunter kann allein dadurch das Problem schon gelöst werden. Die übrigen Modi „Speed“ und „Tempophone“ eignen sich vornehmlich für Spezialeffekte. „Speed“ nimmt Tempoveränderungen durch Pitchen im Bandmaschinen-Stil vor. „Tempophone“ emuliert ein historisches tonbandbasiertes Zeitdehnungs-Gerät und überrascht mit zum Teil recht eigenwilligen Ergebnissen.
Nach der Analyse des Ausgangsmaterials werden die Transient-Marker im Arrangierfenster in der Wellenform dargestellt. Durch einfaches Ziehen mit der Maus können nun einzelne Punkte der Wellenform zeitlich verschoben werden. Dabei werden die umliegenden Abschnitte durch Timestretching angepasst. Das alles funktioniert ohne umständliches Schneiden, und auch um Crossfades muss man sich nicht mehr kümmern. Die Handhabung des neuen Flex-Tools ist sehr intuitiv, weil man sofort sieht, wie sich die Wellenform verändert. Und weil das alles auch bei laufendem Sequenzer klappt, hat man eine unmittelbare Kontrolle über das Ergebnis. Die ganze Bandbreite der neuen Möglichkeiten erschließt sich erst im Laufe der Zeit. Der Bassist trifft die Eins nicht? Einfach draufziehen. Die Bläser-Section ist nicht tight? Auch kein Problem. Jetzt kann man Audiospuren genauso einfach bearbeiten wie zuvor nur MIDI – und zwar komplett ohne Schneiden. Je nach Ausgangmaterial klingt das Ergebnis teilweise richtig gut, solange man sich bei der Bearbeitung in gewissen Grenzen bewegt.
In den folgenden beiden Videos seht ihr die Flex-Modi „Monophon“ und „Polyphon“ in Aktion.

Doch das ist natürlich bei weitem noch nicht alles. Dank der Transient-Marker können Audio-Regionen jetzt auch quantisiert werden. Naturgemäß ist das Ergebnis dabei stark von einer korrekten Erkennung der Transienten abhängig. Sind zu viele oder falsche Marker gesetzt, erhält man bisweilen recht bizarr anmutende Resultate. Im Falle von Drums und anderen rhythmisch eindeutigen Spuren funktioniert das aber schon sehr gut.
Natürlich können zur Quantisierung auch Groove-Templates eingesetzt werden, die aus anderen Audioregionen erzeugt wurden. So ist es jetzt zum Beispiel möglich, einen Bass-Track genau auf die Schläge der Bassdrum zu zwingen, und zwar voll automatisch.
Das nächste kleine Video demonstriert die Um-Quantisierung eines Drumloops.

Auch wenn sich durch Flex Time ganz neue Möglichkeiten der Timing-Korrektur auftun: Wunder darf man von der neuen Funktion nicht erwarten. Obwohl die Bearbeitung in vielen Fällen erstaunlich gut klingt (bisweilen sogar besser als die Timestretching-Algorithmen des Sample-Editors), geht sie natürlich nicht ohne Qualitätsverlust vonstatten. Mit problematischem Ausgangsmaterial hat Flex Time zum Teil Schwierigkeiten, vor allem wenn man versucht, extreme Bearbeitungen vorzunehmen. Die reichlich schraddelige Akustikgitarre im nächsten Video klingt nach der brutalen Quantisierung auf gerade Achtel nur noch lächerlich. Man sollte die Funktion also mit Bedacht einsetzen und nicht erwarten, dass man jede verunglückte Spur damit retten kann.

Insgesamt erweist sich Flex Time aber als ein extrem potentes Werkzeug zur Timing-Bearbeitung und -Korrektur. Noch nie war es in Logic möglich, mit Audio so flexibel umzugehen. Leider bleibt die Flexibilität jedoch auf die zeitliche Dimension beschränkt. In Kombination mit einer Funktion, die ähnlich freie Eingriffe in die Tonhöhe von Audiomaterial zulässt, wäre das alles noch ein bisschen eindrucksvoller. Ich wünsche mir also für die nächste Logic-Ausgabe zusätzlich eine Art „Flex Pitch“. Hier hat Apple immer noch einen technischen Vorsprung der Konkurrenz von Celemony und Steinberg aufzuholen. Ich habe aber das Gefühl, dass man davon ausgehen darf, dass die Entwickler in Cupertino gerade genau daran sitzen. Logic 10 wird Klarheit bringen.

Drum-Editing
Die Editierung von mehrspurigen Schlagzeugaufnahmen ist dank Flex Time deutlich vereinfacht worden. Hier kommt es darauf an, die Schnitte und Bearbeitungen über alle Spuren hinweg konsistent durchzuführen, um die Phasenlage der Signale nicht zu beeinträchtigen. Logic Pro 9 bietet dafür eine sehr praktische neue Funktion, die in Verbindung mit Flex Time ihre Stärke voll ausspielen kann.
Dazu werden die betreffenden Spuren in einer Edit-Gruppe zusammengefasst. In den Gruppen-Einstellungen findet sich ein neuer Knopf, mit dem sich die Phasenverriegelung für die Bearbeitung aktivieren lässt. Wendet man nun Flex Time an, um zum Beispiel einzelne etwas verunglückte Snareschläge zu verschieben, so machen die restlichen Spuren die Veränderungen automatisch mit, wobei die Phasenlage intakt bleibt.
Das ist enorm praktisch, denn damit gehört das umständliche parallele Schneiden und Crossfaden über viele Spuren hinweg der Vergangenheit an, und alle Veränderungen lassen sich auch unkompliziert rückgängig machen. Im Video seht ihr, wie das in der Praxis aussieht.

LP9_Groups

Audio-MIDIfizierung
Eine weitere sinnvolle Anwendung der Transient-Marker besteht darin, aus einer Audio-Region mit wenigen Klicks automatisch ein EXS-Instrument mitsamt dazugehöriger MIDI-Spur zu erzeugen. Logic besitzt nun also quasi ein eingebautes Recycle. Wenn Flex Time auf einer Audiospur aktiviert ist, genügt ein Klick auf den Menüpunkt „In neue Sampler-Spur umwandeln“, und Logic erzeugt in einem Abwasch Slices aus dem Audiomaterial, ein neues Sampler-Instrument und eine MIDI-Region mit Triggernoten. Die Audioregion wird gemutet. Bei perkussivem Material klappt das hervorragend. Die MIDI-Noten können dann natürlich nach Lust und Laune verschoben, bearbeitet, quantisiert und ausgetauscht werden.
Das ist ziemlich praktisch, vor allem weil man mit MIDI-Noten eben doch noch ein bisschen mehr anstellen kann als mit einer reinen Flex-Time-Bearbeitung der Audiospur. Außerdem macht es Spaß, die entstandenen Slices auf der Tastatur zu spielen und der Kreativität freien Lauf zu lassen.
Die Funktion ist idiotensicher und funktioniert auch bei laufendem Sequenzer. Im Video könnt ihr einen Blick darauf werfen.

Speed Fades
Ein in hohem Maße kreativitätsförderndes Gimmick sind die lustigen Speed Fades. Das Fade-Werkzeug kann jetzt nicht mehr nur zum Erzeugen von Fades verwendet werden. Stattdessen ist es auch möglich, das Audiomaterial in seiner Geschwindigkeit zu faden. So lassen sich einfach mit der Maus typische Spin-Up und Stop-Effekte „malen“. Eine Innovation, die nicht nur DJs Freude machen dürfte!

Amp Designer und Pedalboard
Zwei neue Plugins beschert uns das Update auf Logic 9. Das klingt nach wenig, aber die beiden Neuen tragen dafür richtig dick auf. Es ist unschwer zu erraten, dass Amp Designer und Pedalboard sich an Gitarristen wenden.

LP9_AmpsPedals

Amp Designer ist eine Emulation von nicht weniger als 25 verschiedenen Gitarrenverstärkern und ebenso vielen Lautsprecherboxen. Zwar besaß Logic auch bisher schon einen Amp-Simulator namens Guitar Amp Pro (der bleibt aus Gründen der Kompatibilität auch erhalten), aber Amp Designer legt noch mal ordentlich eine Schippe drauf. Die ganze Palette an berühmten historischen Vorbildern von Fender, Marshall und ihren Kollegen ist natürlich mit an Bord, ebenso wie einige skurrilere Verstärker. Amps, Boxen und Mikrofone können frei miteinander kombiniert werden. Das Experimentieren mit den Einstellungen und auch der Mikrofonposition macht Spaß und liefert eine beeindruckende Vielfalt von Sounds.
Die Amps machen ordentlich Dampf und können klanglich mit der Konkurrenz von Native Instruments oder IK Multimedia mithalten.
Hier könnt ihr einige Soundbeispiele von Amp Designer hören:

Audio Samples
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Blackface Combo Clean Large Tweed Crunch Vintage Stack Distorted Sunshine Stack Distorted Pawnshop Combo Studio Combo Clean

Pedalboard ist ein virtueller Fußboden, auf dem sich 30 Simulationen von Bodeneffektgeräten tummeln. Darunter sind diverse Overdrive- und Distortion-Pedale, verschiedene Delays, Modulationseffekte, wie Phaser, Chorus, Flanger sowie Tremolo und auch ein Federhall. Mehrere Wah-Wah-Pedale und ein einfacher Kompressor vervollständigen das Angebot. Praktisch sind die Splitter- und Mixer-Module, mit denen sich verzweigte Routings realisieren lassen. Der Splitter kann dabei auch als Frequenzweiche arbeiten, so dass verschiedene Frequenzbereiche unterschiedliche Effektketten durchlaufen können. Auch die Bodentreter können klanglich überzeugen und lassen sich natürlich auch für andere Instrumente als Gitarre kreativ einsetzen.

Mit Amp Designer und Pedalboard bekommt die ohnehin schon lange Liste der hochwertigen Logic-Plugins höchst willkommenen Zuwachs. Logic Pro erhält damit eine große Palette an Gitarreneffekten, die sich vor der Konkurrenz nicht zu verstecken brauchen.

Audio Samples
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Pedalboard Delay Pedalboard Phaser Pedalboard RoboFlanger Pedalboard SpinBox Pedalboard VintageDrive Pedalboard Octafuzz

Weitere Neuerungen
Der dickste Brocken unter den Neuheiten in Logic Pro 9 ist natürlich Flex Time mit allen seinen Möglichkeiten. Aber die neue Version bringt auch eine Menge kleinerer Detailverbesserungen, die sich im Produktionsalltag nicht selten als äußerst wertvoll erweisen.
Ein großer Kritikpunkt an den mit Logic 8 eingeführten Take-Ordnern war ja, dass die Editierung des Audiomaterials innerhalb dieser Ordner nicht wirklich möglich war. Um Schnitte zu machen oder Audio zu verschieben, musste man den Ordner auspacken oder gleich als Ganzes zerschneiden. Das ist jetzt passé. In Logic Pro 9 lässt sich das Quick Swipe Comping einfach deaktivieren. Dann kann man auch innerhalb der Take-Ordner mit den üblichen Werkzeugen schneiden und verschieben. Auch Flex Time lässt sich konsequenterweise innerhalb eines Take-Ordners anwenden. Das ist sehr gut gelöst und vereinfacht die Handhabung dieser an sich ja sehr praktischen Ordner enorm.

Praktisch ist auch die neue Importfunktion für Spuren und Channel Strip Settings aus anderen Projekten. Wollte man früher eine Spur aus einem anderen Song importieren, so musste man entweder mit Bounces arbeiten oder aber beide Songs gleichzeitig geöffnet haben, was bei umfangreichen Projekten schnell zu enormen Wartezeiten führte. Jetzt ist es möglich, zu importierende Spuren mitsamt ihren Inserts und Sends aus einer Liste auszuwählen und sie mit einem Klick in den geöffneten Song zu importieren. Das geht schnell und funktioniert in der Regel problemlos. Einzig bei komplizierten Bus-Routings muss man manchmal etwas basteln, um die korrekten Einstellungen zu bewahren. Eine unscheinbare Funktion, die sich in der Praxis aber als sehr wertvoll und zeitsparend erweist.

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Hugo sagt:

#1 - 14.04.2012 um 19:28 Uhr

0

Naja, ich finds nicht so prickelnd

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