Exercitatio artem parat – Übung macht den Meister!!!
Ich erinnere mich gerne an die Zeit zurück, wo Musizieren nicht viel mehr als ein Mittel war, in meiner Familie Spaß zu haben: Ich stand als 6- oder 7-jähriger Bub, bewaffnet nur mit einer Haarbürste als Mikrophon, inmitten meiner Familie und schmetterte Marianne Rosenberg Hits. Ich genoss es in vollen Zügen, dass meine Mutter lachte, schrie, mitsang und ich am Ende mit einem tosenden Applaus bedacht wurde. Vielleicht startete schon damals meine Sucht nach Aufmerksamkeit, nach Applaus. Denn gute 10 Jahre später stand ich auf der Bühne dieses Clubs in Hamburg und schaute in quasi dieselben Gesichter: Meine Mutter, meine Schwestern, sogar meine Tante, waren wieder da, um dem Daniel beim Nachsingen diverser Gassenhauer zu lauschen. Marianne war durch Metallica ersetzt worden, aber sonst hatte sich nicht viel verändert: Alle lachten, sangen, schrien und es gab tosenden Applaus.
Warum mache ich eigentlich Musik? Eine Frage, die überraschend selten gestellt wird.
Ich las mal ein Buch über Slash, der diese Frage plump mit einem „dann kommt man besser an die Chicks dran!“, beantwortete. Und sicherlich war auch das einer meiner jugendlichen Motivatoren. Es ging mir aber auch um das Gemeinschaftsgefühl, um das Gefühl Teil einer Gang sein – auch wenn diese Gang aus nur 3 weiteren Personen bestand. Wir wollten die Welt bereisen und hatten uns vorgenommen, später mit Playboy-Bunnies in Champagner zu baden. Doch da gab es eine klitzekleine Hürde: Wie würden wir überhaupt den Schritt vom Proberaum auf die großen Bühnen dieser Welt schaffen? Damals setzten wir Musik und Erfolg mit Livekonzerten gleich. Wir mussten es irgendwie schaffen, unser Gesicht auf die andere Seite der Absperrgitter zu bekommen, also nahmen wir ein Demo auf…
Für dich ausgesucht
Ziele definieren:
Genau so wie wir damals, solltet auch ihr eure Ziele definieren. Häufig hilft es schon, diese Ziele einmal gemeinsam anzusprechen. Die meisten Bandmitglieder denken sich: “Hey, es ist doch klar, was wir alle wollen!“, wundern sich später aber, wie sehr sich die Ziele der Einzelnen doch unterscheiden. Ich wundere mich manchmal, wie unterschiedlich die Ziele verschiedener Bands sind: Dabei sollte man denken, dass es im Konsens auf Ähnliches hinauskommt.
Die häufigsten Typen:
1. Der Materialist: Musikmachen soll mich reich machen. Man könnte diese Gruppe auch den Illusionisten nennen, weil er einer Illusion (der des stinkreichen Musikers) hinterher rennt. Komischerweise trifft man diesen Typ in fast jeder Band mindestens einmal an. Das ist auch OK so, weil ein Materialist oftmals eine treibende wirtschaftliche Kraft ist, und z. B. für den Proberaum aufkommt, wenn der Sänger mal wieder nicht bezahlen kann. Oftmals ist er sogar der Chef der Band, und denkt er könne mit seiner Kraft und Power die ganze Band allein tragen. Solche Typen landen übrigens später oft als Mitarbeiter in kleinen Plattenfirmen, weil sie feststellen, dass sie dem faulen Hintern der anderen Bandmitglieder am Ende doch nicht gewachsen waren. Ihr Ziel: Geld und Macht
2. Der Idealist: Wenn ich Musiker befrage, was ihr Ziel ist, höre ich oftmals: „Wir wollen davon leben können. Ich muss nicht viel haben und bin bereit mir wenig zu gönnen, solange ich meinen Lebensunterhalt mit Musik bestreiten kann.“ Diese Gruppe macht zum Glück den größten Teil der Musiker aus. Man lebt den Traum einer Musikkarriere, ist aber schon glücklich, wenn man in andere Städte oder gar andere Länder reisen darf, um dort zu mucken. Solche Menschen leben ihren Traum oftmals in einem gesunden Maße, sind bereit vollen Einsatz für die Band zu geben, laufen aber auch nicht blind einem Traum hinterher, der sich vielleicht nie erfüllen wird. Viele dieser Musiker finden später den Weg in ein „normales“ Leben, weil vielleicht Familie oder Freunde eine größere Rolle übernehmen als die Musik. Was nicht heißen muss, das nicht alle 14 Tage am Wochenende mit den alten Jungs weiter gerockt werden kann. Ihr Ziel: Das Hobby zum Beruf machen.
3. Der Künstler: Erfolg ist nebensächlich. Selbst wenn nur 10 Leute den Weg in das Konzert gefunden haben, geht es auch nach 10 Jahren immer noch nur um den magischen Moment auf der Bühne zwischen Instrumenten und Musikern. Na klar gehören Live Gigs dazu – sie sind aber eigentlich nicht mehr als eine Vernissage, bei der die Ergebnisse der harten Arbeit dem hungrigen Pöbel präsentiert werden. Die meisten Künstler werden ihr Leben lang weiter Musik machen, egal ob für sich allein oder in verschiedenen Formationen. Musik gibt diesen Menschen ein Gefühl von Lebendigkeit und Ausdruck, den sie sonst nicht in Worte fassen können. Ich hatte das Glück auf viele Künstler zu treffen, die auch bereit waren nach einem Niederschlag wieder auf zu stehen und weiter zu machen. Ihr Ziel: Den Dämonen, die einen treiben, die Stirn zu bieten.
4. Der Ruderer: Ich fand mal einen Absatz in dem sehr guten Buch „Hunde wollt ihr ewig rocken“ von Chris von Rohr (den man getrost als rockenden Dieter Bohlen der Schweiz bezeichnen könnte). Der Absatz ging in etwa: „Eine Band ist wie ein Ruderboot: Es kann nur einen Steuermann geben, der die Richtung vorgibt. Alle anderen müssen Ruderer sein und zwar die kräftigsten Ruderer, die die Welt jemals gesehen hat!“ Jede Band braucht Ruderer – und viele Ruderer geben wirklich alles, um das Boot in Fahrt zu halten. Sobald der Steuermann jedoch das Schiff verlässt, oder gar keine Anweisungen mehr gibt, wissen viele Ruderer einfach nicht mehr, in welche Richtung sie rudern sollen – und alles paddelt auf der Stelle. Es ist schwer, sich selbst einzugestehen, man sei „nur“ ein Ruderer, jedoch sollte man nicht vergessen, dass auch der lauteste Steuermann ohne euch niemals von der Stelle kommen wird… Ziel: Eine tolle Zeit haben und das Miteinander leben.
5. Der König: Ich habe lange überlegt, wie ich diese Kategorie nennen sollte. Dann fiel mir jedoch ein, dass ein König oftmals faul auf seinem Thron sitzt und sich bedienen lässt. Ja, auch diesen Typ gibt es unter uns: Diejenigen, die versuchen vom Ruhm einen möglichst großen Teil ab zu bekommen, jedoch nicht bereit sind, auch nur einen kleinen Finger beim Einladen der Instrumente zu rühren. Oftmals erliegen diese Personen der Illusion, ihre schlichte Anwesenheit wäre schon wichtig genug für den Erfolg ihrer Band – und wundern sich meistens nicht mal, wenn sie später in einer Palastrevolte gegen einen phantastischen Ruderer ersetzt werden. Diese Typen entwickelt die phantastischsten Methoden um sich vor jeder Anstrengung zu drücken, sind aber meist die ersten am Merchstand zum Autogramme geben. Musikmachen ist für sie ein Mittel, sich zu produzieren, im Erfolg zu baden und angehimmelt zu werden. Böse Zungen sagen, dies sei ein typisches Verhalten von Sängern, was ich durchaus unterschreiben würde. Ihr Ziel: Berühmt werden.
Sicherlich gibt es noch diverse Varianten mehr, und wie immer gibt es auch diverse Mischformen. Jedoch sollte jedem von euch klar sein, dass es keinerlei Wertigkeiten in diesen einzelnen Charakteren gibt, weil ebenso wie eine Diva nicht ohne Steuermann oder gar Ruderer kann, wird ein gehöriger Schuss „Selbstdarstellung“ des Königs und der unbedingte Wille des Materialisten, für eine Band gleichermaßen wichtig sein. Eine Band setzt sich bestenfalls aus all diesen Personen zusammen und befruchtet sich gegenseitig: übernimmt und akzeptiert die jeweils „angeborenen“ Rollen und macht so das Beste aus der Situation.
Der Ist-Zustand:
Warum ist das alles so wichtig für euch? Weil euch klar sein muss, dass auch verschiedene Ziele denselben Weg teilen können. Uns alle eint, dass wir zum Erreichen der jeweiligen Einzelziele eines gemeinsam brauchen – nämlich Erfolg in dem, was wir tun. Ihr müsst versuchen, euch auf die Stärken der einzelnen Personen innerhalb der Band zu konzentrieren, und diese für das Gemeinwohl zu nutzen. Die Regel ist einfach: Habe ich für eine Sache kein Gefühl, kann ich auch mit der meisten Übung nur maximal guter Durchschnitt werden, verfüge ich in einer Sache über Talent, bin ich in der Lage, Außergewöhnliches zu erreichen.
Das Zauberwort heißt „Teilen“.
Auch mir fällt es immer noch schwer, Dinge und Aufgaben abzugeben. Mal geht es mir nicht schnell genug, mal spricht der andere nicht genau meine Sprache – – und ich würde am liebsten alles nochmal selbst machen. Doch so wird jeder nur schleppend ans Ziel kommen: Ich musste in meiner eigenen Band erkennen, dass sowohl ein Riff vom Bassisten, ein Text des Drummers, die Bandinfo vom Gitarristen – oder der vom Sänger organisierte Gig funktionieren können. Es gibt keinen richtigen Weg, der Erfolg garantiert – aber es gibt sehr wohl viele falsche. Einer davon ist ganz sicher zu denken, man würde es allein schaffen – ich habe es wirklich sehr selten erlebt, dass eine Band die nur von einer Person getragen wurde, später erfolgreich wurde. Erkennt euch selbst und eure Bandkollegen, und versucht gar nicht erst diese in Rollen zu zwängen, die sie möglicherweise gar nicht ausfüllen können. Das fördert nur die Frustration und verlangsamt euer Vorankommen. Ist eine Rolle bei euch in der Band unterrepräsentiert, so lohnt es sich, Hilfe von außen zu holen. Zum Beispiel eine Plattenfirma!
Übung macht den Meister:
„Hey, wir haben letztens unseren dritten Gig gespielt. Ich glaube wir sind jetzt reif für den Plattenvertrag!“ So ähnlich könnte man fast jedes zweite Gespräch zusammenfassen, das ich zum Thema „Deal“ führe. Es gibt sicherlich talentierte Bands, die auch ohne Live-Erfahrung einen Schallplattenvertrag bekommen – aber dann sprechen wir sicherlich nicht von einer Band, die plant mit ihrer Musik später „on the road“ zu fahren. Ohne Erfahrung geht nix, weil – und ja, Mutti hatte stets recht mit dieser Aussage – eben noch „kein Meister vom Himmel gefallen ist“!
Malcolm Gladwell schrieb in seinem Buch „Outliers“, dass es ziemlich genau 10.000 Stunden braucht, bis man in einer Sache außergewöhnlich gut ist. Diese Regel trifft nicht nur auf Basketball-Profis, Computer-Programmierer, Designer oder Sportler zu, sondern eben auch auf uns Musiker. Sein Beispiel: The Beatles. Diese spielten monatelang fast täglich in Hamburg im Starclub, und wurden so zu bis heute unerreichten Songschreibern und Performern. Ich vergleiche gern unser Berufsausbildungssystem, das uns drei Jahre in die Lehre nimmt und uns somit zumindest ca. 2000 Stunden Ausbildung bietet, mit der Zeit die wir als Musiker damit verbringen, uns mit schäbigen Clubs und miesem Catering rumzuschlagen. Die unter uns, die das lange genug – und vor allem intensiv genug – durchziehen, haben später meistens gar nicht so schlechte Chancen auf eine Karriere. Bands, die ich coache, frage ich meistens als erstes, wie viel Zeit pro Woche sie mit ihrer „Lehre“ an der Musik verbringen. Und wenn die Antwort darauf z. B. zweimal ca. 3 Stunden lautet, antworte ich: „Dann sehen wir uns in 30 Jahren wieder, wenn du deine 10.000 Stunden zusammen hast.”
Wo befinde ich mich eigentlich im Vergleich zur Konkurrenz?
Ich zitiere sehr gern den selbsternannten „Poptitanen“ Dieter Bohlen. Sein Satz „Wenn du es nicht machst, macht es jemand anderes!“, trifft den Nagel perfekt auf den Kopf. Führt euch immer vor Augen, dass es, selbst wenn ihr nebenberuflich 20 Stunden die Woche in eure Band steckt, es immer irgendwo eine Band eures Genres geben wird, die mehr Stunden aufbringt. Und harte Arbeit bringt Ergebnisse. Natürlich hat Musik was mit Kunst zu tun, mit Talent und Gefühl – aber es wird wohl keinen unter uns geben der einem großen Meister der Renaissance absprechen würde auch die Technik zu beherrschen: zu wissen welche Farben, welcher Pinsel, welche Leinwand zum besten Ergebnis führen. Als Papst Julius II. die Idee hatte, die Sixtinische Kapelle mit Geschichten aus der Bibel bemalen zu lassen, suchte er sich jemanden, von dem man wusste, dass sein Talent außergewöhnlich war. Er entschied sich für Michelangelo, den man getrost als Angestellten der Kirche bezeichnen könnte, hatte dieser doch eine Art „360° Künstler-Vertrag“ mit der katholischen Kirche unterzeichnet. Der Papst gab Thema und Ort vor, Michelangelo machte mit seinem Talent das Beste draus, und schuf so ein Meisterwerk für die Ewigkeit. Die Analogie: In der Musikbranche gibt halt eine Plattenfirma den Ton an – zwar nicht immer damit, dass sie eine Band zwingt zu tun, was sie will, aber bei dem Überangebot an Musikern und Bands, ist es nur eine Frage der Zeit, eine Band zu finden, die genau das bietet, was das Label sucht…
Selbstverständlich würde ich ungern jemanden in meiner Autolackiererei einstellen, der am liebsten während seiner Arbeitszeit Bier trinkt, zu spät zur Arbeit erscheint und nach 3 Stunden wieder gehen möchte. Und ebenso sucht sich ein Schallplatten-A&R gerne aus all den talentierten Bands mit den tollen Songs und den bereits fertigen Aufnahmen, die Band heraus, von der er den meisten Einsatz erwartet.
Die von mir gesignte Band „Mad Doggin’“ trainierte fünf mal pro Woche, schaffte es binnen weniger als zwei Jahren nicht weniger als 9 (!?!) Supporttourneen zu spielen und 3 Alben aufzunehmen. Die Jungs waren fleißig und hungrig. Am Ende war aus den einstigen „Dicke-Hose-Bubies“ eine Ernstzunehmende Live-Band geworden – doch dafür mussten die Jungs weitaus mehr als 100 Shows in diesem Zeitraum spielen. Hätte man sie vor der ersten Show gefragt, hätten sie sich natürlich schon da als „geile Live-Band“ bezeichnet. Waren sie aber nicht. Es war harte Arbeit, die die Band aber nicht eine Sekunde lang scheute. Wir analysierten fast jede Show hinterher nochmals auf Schwachstellen, schlechte Ansagen, Verspieler oder andere Dinge, die wir besser machen konnten. Und wir verglichen uns mit der Konkurrenz. Wir schauten Konzerte anderer „New Metal Bands“ und schielten auf die Dinge, die diese Bands groß und erfolgreich machten. Uns war klar – unsere Konkurrenz waren nicht die anderen 5 Kapellen aus Deutschland – wir mussten die großen, erfolgreichen Bands aus Amerika schlagen. Denn auch diese Bands waren in Deutschland auf Tour und verkauften hier ihre Platten.
Die Bestandsaufnahme ist für mich der ultimative Punkt um die Chancen am Markt reell einschätzen zu können – um nicht enttäuscht zu sein, wenn es mit dem Deal nicht sofort klappt. Wenn ich fleißig an meinen Fähigkeiten arbeite und dabei versuche mein technisches Können an meinem Instrument, mein musiktheoretisches Wissen, mein Songwriting und nicht zuletzt auch mein Wissen um die Mechanismen des Marktes stetig zu optimieren, so wird mit jedem Schritt mein Weg klarer und zielorientierter. Ich lerne, Enttäuschungen und Arbeiten ins Leere zu vermeiden und die – unvermeidlichen – Absagen zu minimieren, während ich meine Erfolge steigere und gesteckte Ziele durch das Beschreiten direkter Wege schneller erreiche. Wie meine Mutter immer sagte, es ist eben noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Im dritten Teil der Serie wollen wir uns nun dem Finden des richtigen Partners für uns widmen. Welche Partner für mich überhaupt sinnvoll sind, welche Dinge diese mir bieten können muss und insbesondere, ob es mir überhaupt möglich ist, zu bieten, was dieser sich von einer Zusammenarbeit erhofft. Wie kann ich die Anzahl meine Bewerbungen auf die wesentlichen reduzieren und meine Chancen damit weiter erhöhen den richtigen Partner für mich zu finden…
Schoenling sagt:
#1 - 26.10.2012 um 04:48 Uhr
Der richtige Partner! Das ist exakt genau das, was wir jetzt suchen!
Klatatusch sagt:
#2 - 27.03.2013 um 17:09 Uhr
Jo, weise Worte. Jetzt den dritten Teil bitte, degga.
RetroPhil sagt:
#3 - 23.07.2013 um 16:41 Uhr
würde mich über teil 3 der serie sehr freuen ... fresse die worte praktisch
Wieso sagt:
#4 - 22.04.2014 um 02:38 Uhr
Was hast du nur gegen Sänger? Bist du von einem vergewaltigt worden?