Praxis
Sound
Das Bedienfeld und die Struktur des Odyssey erschließen sich Neulingen möglicherweise nicht ganz so schnell wie bei vielen anderen Synthesizern, weshalb es vielleicht ein bisschen länger dauert, bis die ersten brauchbaren Sounds gelingen. Ohne Speicherplätze entfällt auch das „Preset-Jogging“, das beim Erstkontakt mit einem neuen Instrument sonst meistens ansteht. Doch ganz ohne Presets muss man auch beim Odyssey nicht auskommen: Zusätzlich zur regulären Bedienungsanleitung liegt dem Synth ein liebevoller Nachdruck der Originalanleitung aus den 70ern bei, die nicht nur viele Hintergrundinfos über die Komponenten eines Synthesizers enthält, sondern auch eine Reihe von gedruckten „Presets“. Ganz im Sinne des damaligen Zeitgeistes heißen diese zum Beispiel „Trumpet“ oder „Electric Bass“, haben mit den akustischen Vorbildern aber natürlich (zum Glück) kaum etwas zu tun. Hören wir mal rein:
Diese „Presets“ sind ein guter Einstieg, um die Struktur des Odysseys kennenzulernen. Richtig Spaß macht es aber, wenn man dann anfängt, frei zu schrauben und eigene Sounds zu kreieren. Der ARP Odyssey ist rau, direkt, ungezügelt und strotzt vor Energie und klanglicher Persönlichkeit.
Der Odyssey kann knarzen, pfeifen, heulen, fauchen und sägen, hat zwischendurch aber auch immer mal wieder sanfte und seidige Züge, hinter denen man eher einen Minimoog oder SEM vermuten würde. Dazu stößt man ständig auf unerwartete und inspirierende Klänge – und sei es nur, weil man vergessen hat, einen Schalter umzulegen. Er klingt umwerfend. Ich bin echt begeistert.
Als besonders wertvoll und inspirierend empfand ich im Test immer wieder die umfangreiche Sample&Hold-Sektion des Odyssey. Mit dem S&H-Mixer kann man detailliert einstellen, welches Ausgangsmaterial zur Generation des S&H-Signals herangezogen werden soll, was nicht viele Synths bieten. Per Sample&Hold lassen sich die Frequenzen der beiden Oszillatoren (besonders interessant im Sync-Betrieb) sowie der Filter-Cutoff modulieren. Als Taktgeber für die Sample&Hold-Funktion können dabei der LFO oder Keyboard Gate dienen. Man kann also eine fortlaufende, stufige S&H-Modulation erzeugen (der klassische Fall) oder bei jeder Note zur nächsten Stufe „weiterschalten“. Im nächsten Beispiel wird S&H zunächst vom LFO getriggert und dann von der Tastatur. Modulationsziel ist jeweils der Filter-Cutoff.
Das Ausgangssignal des S&H-Mixers kann seinerseits als Modulationsquelle für die Frequenz von Oszillator 2 oder den Filter-Cutoff dienen, was drastische Effekte möglich macht. Hier wird das Filter vom Output des S&H-Mixers moduliert:
Für dich ausgesucht
Durch die zweistimmig paraphone Auslegung kann man zwei Noten gleichzeitig spielen, wobei jeder Oszillator eine davon übernimmt. Die Duophonie ist natürlich ein tolles Feature, das die Einsatzmöglichkeiten erheblich erweitert. Beim Spielen monophoner Lines verlangt der Odyssey dem Spieler dafür etwas mehr Disziplin ab als ein Monophoner – man muss die Noten stets sauber trennen, sonst rutscht der Odyssey in den Duo-Betrieb. Wenn dann die Hüllkurven neu getriggert werden oder gar das Portamento aktiv ist, kann das zu ungewollten Effekten führen. Schon beim Original trug dieser Umstand auch zum ganz besonderen Charakter bei. Trotzdem – wo man nun schon einige subtile Verbesserungen vorgenommen hat, hätte man vielleicht auch die Möglichkeit schaffen können, die Duophonie bei Bedarf einfach abzuschalten, wie es etwa beim Sub 37 möglich ist. Puristen mag das frevelhaft vorkommen, aus praktischer Sicht wäre es aber manchmal durchaus wünschenswert.
Original und Neuauflage im Vergleich
Wir haben den neuen Odyssey neben ein Originalexemplar (Revision 3) gestellt und ausprobiert, wie er sich im direkten Vergleich schlägt. Vielen Dank an dieser Stelle an das Synthesizerstudio Hamburg, die uns freundlicherweise ihren Odyssey zur Verfügung gestellt haben. Und was soll ich sagen: „Mission erfüllt“ trifft es vielleicht ganz gut. Der Charakter, die unbändige Power und die speziellen Eigenarten des Originals finden sich genau so auch beim Neuen, nur ohne festgerottete Fader und all die anderen Malaisen, mit denen man sich bei Vintage-Instrumenten so herumschlagen muss. Den einzigen erwähnenswerten klanglichen Unterschied konnte ich bei der Rechteckschwingung ausmachen, die beim Neuen deutlicher nach Rechteck klingt und sich klarer vom Sägezahn unterscheidet als beim Original, jedenfalls bei diesem speziellen Exemplar. Wie man das nun interpretiert, bleibt jedem selbst überlassen – ich finde, der Neue klingt deswegen kein bisschen schlechter, eher im Gegenteil. Hier hört ihr einige Sounds im direkten Vergleich. Die Filtersweeps zeigen dann auch gleich, wo der unbestreitbare Vorteil eines neuen Instruments liegt – beim alten war der Fader so schwergängig, dass man ihn nicht mehr fließend bewegen konnte.
unknown sagt:
#1 - 06.03.2015 um 22:01 Uhr
unbedingt mal den audioplayer ändern! der ist total frustrierend!