Arthrose bei Gitarristen: Symptome, Verlauf und Hilfe 

Jede und jeden kann es erwischen: Arthrose ist die weltweit häufigste Gelenkerkrankung. Eine Volkskrankheit, die leider auch Gitarristen nicht verschont, wie unser Autor Gunther Matejka leidvoll zu spüren bekam. In der nachfolgenden Story beschreibt er Verlauf und Symptome der Krankheit – und wie er gegen sie ankämpft. Denn eines steht für ihn fest: Gitarrespielen wird er nicht aufhören. 

Arthrose Bei Gitarristen: Hilfe und Ursachen (Credit: Shutterstock / Astrid Gast)
Bildquelle: Shutterstock / Astrid Gast

Ich muss nicht unbedingt Gitarre spielen – aber ich möchte es

Immerhin: Ich bin in guter Gesellschaft. Steve Morse ist von Gelenk-Arthrose gebeutelt, Al Di Meola plagt sich damit herum und auch Keith Richards Finger sind arthrosetypisch skurril verbogen und mit zahlreichen Knubbeln übersät. Dennoch denkt wohl keiner von den Dreien daran, in den Musiker-Ruhestand zu treten. „Was Profimusiker alles aushalten“ sagt Professor Megerle von der Münchner Schön-Klinik (nachfolgend im Interview), „ich habe schon Finger gesehen, die haben so schlimm ausgesehen – und trotzdem spielen diese Leute noch Gitarre.“ Vieles sei, so Megerle, eine Frage der inneren Haltung, des Willens. Rock-Urgesteine wie Keith bringen den freilich mit. Es heißt, dass er jetzt manche Akkorde anders greift, dass er Open-Tunings und andere Tricks verwendet. Es geht nicht anders. Aber es geht. 

Das macht Mut. Gut, ich bin weder Profi-Gitarrist noch Rockstar. Ich muss nicht unbedingt Gitarre spielen – aber ich möchte es. Seit vielen Jahren trägt die tägliche Dosis mit der Klampfe erheblich zu meinem Wohlbefinden bei. Mehr noch: zu meiner seelischen und mentalen Hygiene. Ich muss auf meiner alten, verschrammelten Yamaha-Akustik-Gitarre nur ein paar vertraute Akkorde anschlagen, schon geht der gestresste Geist spazieren. Kleine Probleme lösen sich in wenigen Minuten im Nichts auf, größere werden kleiner. So geht das sicher nicht nur mir, so geht es vermutlich den meisten Musikern. 

Dieses Akkorde-Anschlagen wird mir seit etwa drei Jahren ziemlich schwer gemacht. Der Zeigefinger meiner linken Hand ist mittlerweile fast so steif wie ein Kugelschreiber, und der Ringfinger ist auch seit einem Jahr betroffen. Er schmerzt, das Mittelgelenk ist deutlich verdickt, aber immerhin ist der Finger noch einigermaßen beweglich. Es reicht noch für ein paar konventionelle Griffe, wenn ich beispielsweise E- oder A mit Zuhilfenahme des kleinen Fingers greife. C-, F- oder mein Lieblingsakkord D-Dur sind aber derzeit nicht mehr realisierbar. Vielleicht trainiere ich meinen kleinen Finger noch mehr, dann geht vielleicht noch was. Immerhin gehen Barree-Griffe noch, ein steifer Zeigefinger ist da ja schon fast von Vorteil.

Da der Schmerz bei jedem Gitarrespielen unschöne Begleitmusik ist, spiele ich zugegebenermaßen nicht mehr so häufig und gerne wie früher. Das ist bitter und das macht sich auch in meinem Lebensgefühl bemerkbar. Aber: Klein beigeben gilt nicht. Und die Hoffnung stirbt bekanntermaßen ja zuletzt. 

Barre-Griff: geht noch relativ gut
Fotostrecke: 4 Bilder Barre-Griff: geht noch relativ gut

Mit dem Mittelgelenk des Zeigefingers fing es an

Als vor drei Jahren der Zeigefinger urplötzlich im Mittelgelenk zu pochen und schmerzen begann, habe ich das zunächst gar nicht so ernst genommen. Viele Jahre früher hatte ich ja auch schon mal Probleme mit den beiden Daumen. Es hat geschmerzt und ein Daumen hat sich leicht deformiert, aber es hat schließlich von selbst wieder aufgehört. So, dachte ich vor drei Jahren, wird das wohl auch mit dem Finger sein. Es wird wieder aufhören und dann ist alles wie gehabt. Falsch gedacht. Es hat nicht aufgehört, es ist nur schlimmer und schlimmer geworden.

Bei einem Orthopäden bin ich dennoch erst nach einem Jahr vorstellig geworden. Er hat mir Tabletten verschrieben, die ich, nachdem ich die Nebenwirkungen gelesen habe, nicht genommen habe. Eine verpasste Chance? „Nein, eigentlich nicht“, beruhigt mich zwei Jahre später Professor Kai Megerle in München, „man kann das eigentlich nicht aufhalten, wenn man eine genetische Disposition mitbringt und seine Finger über einen langen Zeitraum überlastet.“ 

Dass es noch keine Pille gegen dieses Leiden gibt, mag man kaum glauben. Schließlich leiden unzählig viele Menschen an dieser Volkskrankheit. Für die Pharmaindustrie muss das ein Milliardengeschäft sein. Wer „Gelenkarthrose“ googelt, stößt auch schnell auf allerlei „Wundermittel“ und Hausmittel, auf Salben und empfohlene Übungen. Was davon zu halten ist, erfuhr ich bei einem weiteren Arztbesuch, dieses Mal in einem Klinikum in Regensburg: „Schauen Sie mich an“, sagte die etwas ältere Orthopädin und hielt die deformierten Finger ihrer beiden Hände hoch, „ich habe das seit 30 Jahren. Glauben Sie mir, wenn es etwas geben würde, was wirklich hilft, wüsste ich es.“ Möglichkeiten gebe es trotzdem, meinte sie. Man könne den betroffenen Finger beispielsweise versteifen (klingt nicht so attraktiv), man könne die für den Schmerz verantwortlichen Nerven kappen (klingt schon besser) und man könne – als Ultima Ratio – das beschädigte Gelenk durch ein künstliches ersetzen (nur wenn es sein muss). 

Erfahrungen auf dem Arthrose-Leidensweg: Ernährungsumstellung als Hoffnungsschimmer

Natürlich steuern auch Freunde und Bekannte ihre Tipps bei: Du musst die Ernährung umstellen, meinte einer. Auf Alkohol und Kaffee verzichten, riet ein anderer. Ich habe beides gemacht und blieb drei Monate lang alkoholfrei und verzichtete – zu meiner eigenen Überraschung – über vier Monate lang auf Kaffee. Dafür aber habe ich richtig viel Gemüse und Fisch und so gut wie kein Fleisch gegessen. Was nicht alles geht, wenn der Leidensdruck erst mal groß ist … Es gab während der Zeit Tage, an denen ich glaubte, dass sich tatsächlich eine Verbesserung einstellt. Es waren aber nur Strohfeuer der Hoffnung. Eine nachhaltige Verbesserung hat sich jedenfalls nicht eingestellt. 

In meiner Not habe ich mich an meinen langjährigen Orthopäden in München gewandt. Ein absoluter Spezialist für Sportunfälle, der mir bei meinen diversen Knie- und Ellenbogen-Problemen hervorragend helfen konnte. Als ich ihm meine Finger präsentierte, war für ihn sofort klar, dass sich das ein Handchirurg ansehen sollte. Natürlich hatte er eine Empfehlung für mich und nach ein paar Wochen bekam ich bei dem Experten auch einen Termin. Nachdem er sich näher meine zwei bösen Finger angesehen hatte, ließ er seine nicht sehr ermutigende Diagnose hören: „Gelenkarthrose … da kann man nicht sehr viel machen“, meinte er, „aber man kann es mal mit Bestrahlungen versuchen. Das hilft vielleicht.“ 

Eine Strahlentherapie für Gelenkarthrose als weitere Option

Immerhin, ein Lichtblick. In einer Regensburger Klinik bieten sie diese spezielle Therapie an und nach einer weiteren mehrwöchigen Wartezeit sollte ich zu einem Vorgespräch mit einem Arzt erscheinen. Der junge, sehr nette Arzt meinte, dass die Strahlentherapie eine hohe Erfolgsquote zeitigt: Etwa 80 Prozent der Patienten hätten anschließend deutlich weniger Probleme mit den erkrankten Fingern. Das Prozedere ist unkompliziert und geht schnell: Sechs Sitzungen an aufeinanderfolgenden Tagen, bei denen das in Mitleidenschaft gezogene Gelenk für zehn bis zwölf Sekunden einer geringen Strahlendosis ausgesetzt wird. Ob die Therapie von Erfolg gekrönt ist, lasse sich erst nach etwa zehn bis zwölf Wochen sagen. 

Ob man zu den Glücklichen zählt, bei denen die Strahlentherapie anschlägt, ist vielleicht Schicksal. Vermutlich aber hat es mehr damit zu tun, wie weit das Gelenk schon beschädigt ist, wie viel noch vom Knorpel zwischen den Gelenkknochen übrig ist. „Wenn der Finger schon deformiert ist“, sagte eine der Röntgen-Krankenschwestern zu mir, „dann bringt das meistens nichts mehr.“ Wie recht sie hatte. Es hat sich keine Verbesserung bei mir eingestellt, aber: Ein Versuch war es wert. 

Auf der Website der Deutschen Arthrose-Hilfe findet man Tipps und Unterstützung. (Bildquelle: Shutterstock / passkphoto)
Auf der Website der Deutschen Arthrose-Hilfe findet man Tipps und Unterstützung. (Bildquelle: Shutterstock / passkphoto)

Eine Übersicht an Ärzten und Tipps findet man bei der Arthrose-Hilfe

Also: weitersuchen, weiter googeln. Irgendwann bin ich schließlich auf der Website der Deutschen Arthrose-Hilfe gelandet. Der gemeinnützige Verein verfügt nicht nur über ein Verzeichnis der besten Hand-Spezialisten in Deutschland. Der Mitte der 1980er Jahre gegründete Verein bietet vielfältige Hilfe, Informationen für gelenkkranke Menschen an und fördert die wissenschaftliche Erforschung der Arthrosekrankheit. Die regelmäßig erscheinenden Merkblätter geben praktische Tipps: Man erfährt darin, welche sanften Fingerübungen sinnvoll sind, wann eine maßgefertigte Schiene (bei speziellen Tätigkeiten) angezeigt ist, welche Hilfsmittel die Belastung der Finger reduzieren und wo man eine qualifizierte ergotherapeutische Beratung bekommt. 

Darüber hinaus verfügt der e. V. über ein Verzeichnis der besten Ärzte auf diesem Gebiet. Einer davon: Prof. Dr. med. Kai Megerle, Chefarzt im Zentrum für Handchirurgie, Mikrochirurgie und Plastische Chirurgie in der Münchner Schön Klinik. Er zählt nicht nur zu den renommiertesten Spezialisten in diesem Bereich – er spielt auch selbst Gitarre und bietet eine spezielle Musiker-Sprechstunde an. Bingo! Besser geht’s nicht! Schon nach wenigen Tagen darf ich bei ihm für das Bonedo-Interview vorstellig werden. 

Interview mit Prof. Kai Megerle – Die Crux mit dem Knorpel 

Dr. Kai Megerle in seiner Praxis. (Bild: Gunther Matejka)
Dr. Kai Megerle in seiner Praxis. (Bild: Gunther Matejka)

Eine Musiker-Sprechstunde! Wie schön, dass es so etwas gibt. Professor Dr. med. Kai Megerle von der Münchner Schön-Klinik hat sie zusammen mit einem Münchner Kollegen ins Leben gerufen. Prof. Megerle spielt selbst leidenschaftlich gerne Gitarre, er weiß also, wie wichtig das Musikmachen für einen sein kann. Auch ansonsten zeigt sich der renommierte Arzt im Interview als sympathischer, einfühlsamer und zugewandter Gesprächspartner.

Bonedo: Generell gefragt: Um welche Art von Krankheit handelt es sich bei der Arthrose und wer ist betroffen?

Prof. Dr. Megerle: Arthrose ist im modernen Verständnis eine Kombination aus zwei Dingen: zum einen eine gewisse erbliche Anlage. Ein weicher Knorpel verschleißt schneller als andere – und zwar nicht an allen Gelenken immer gleich, sondern oft nur an sehr typischen oder symmetrischen Lokalisationen. Deshalb sind oft nur die Endgelenke oder die Mittelgelenke betroffen – oder auch nur bestimmte Finger an beiden Händen. Das ist die erbliche Komponente. Was es aber auch braucht, ist die mechanische Belastung. Besonders durch repetitive Tätigkeiten, die immer wieder stattfinden, verschleißen die Gelenke schneller.

Damit es zur Arthrose kommt, ist also diese Kombination nötig?

Ganz richtig. Es ist – je nach Gelenk – unterschiedlich. Besonders häufig betroffen ist das Daumensattelgelenk. An der Basis vom ersten Mittelhandknochen, das den Daumen sozusagen gegenüberstellt zu den anderen Fingern. Die Besonderheit im Sattelgelenk ist, dass das biomechanisch noch nicht so ausgereift ist. Das haben nur sehr hoch entwickelte Primatenarten und der Mensch. Und das ist einfach noch nicht evolutionär perfektioniert. Das gibt es erst seit circa vier Millionen Jahren, damit ist es vergleichsweise jung. Außerdem ist das Design des Sattelgelenks nicht gerade perfekt. Etwas kommt auch noch dazu: Wenn man von der Logik des biologischen Systems ausgeht, ist der ganze menschliche Mechanismus grundsätzlich auf etwa 30 Lebensjahre ausgelegt. Ab dann geht es bergab. Das merkt man in vielen Dingen – und eben auch da. 

Was hilft? Was kann man dagegen tun? 

Prävention oder Prophylaxe ist schwierig. Es gelten die üblichen Dinge, wie gute Ernährung, viel Schlaf, übermäßigen Konsum von allem vermeiden.

Was ist mit Kaffee? 

Kaffee, in Maßen genossen, hat tatsächlich viele positive Effekte. Würde ich nicht auf die Rote Liste setzen. Es ist ja auch, wie vieles andere in der Handchirurgie, eine Frage der Lebensqualität. Auf wie viel will man verzichten? Wie viel Verlängerung gibt es dadurch potenziell? Das ist gar nicht zu sagen. Also: Grundsätzlich kann man nicht viel machen. Die begrenzte Lebensdauer des Systems, die ist eingepreist, der entkommt man nicht. Wir können mittlerweile aber manche Dinge ganz gut lösen. Beispielsweise durch künstliche Gelenke, Schmerznervendurchtrennung oder auch durch Versteifungen. Damit kann man Schmerzen reduzieren. Aber in der Regel muss man einen Deal eingehen: weniger Schmerzen ist gleich weniger Beweglichkeit. Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. 

Bei Gitarristen mit Arthrose weiß man, wie sie diese Frage beantworten. Die nehmen sicher die Schmerzen in Kauf, oder?

Sehr viele halten es dann erst einmal aus und sagen sich: „So schlimm ist es dann doch noch nicht“.  Das trifft aber auch auf viele Nicht-Musiker zu. Nach meiner Erfahrung gehen die Leute sehr unterschiedlich damit um. Manche Leute kommen drei Wochen, nachdem sie Schmerzen entwickelt haben, in die Sprechstunde, andere kommen erst nach 20 Jahren. Das Geschehen wird sehr unterschiedlich wahrgenommen und manche Menschen gehen persönlich besser damit um. Für andere wieder ist es sehr schnell sehr dramatisch. 

Interview mit Prof. Kai Megerle

Es gibt verschiedene Hilfsmittel, die Linderung versprechen, beispielsweise diese Arthro-Ringe. Was ist davon zu halten?

Das funktioniert wie eine Selbstmassage oder Lymphdrainage. Wenn das Gelenk so verschlissen ist, kommt es regelmäßig zu Entzündungen. Man sagt: Die Arthrose wird aktiviert. Dann wird das Gelenk mal dick und es gibt schlechte Phasen. Anschließend kommen dann wieder Phasen, in denen das Gelenk dünner ist. Die Ringe sind eine physikalische Maßnahme, um die Schwellung aus dem Gelenk zu bekommen, indem das Wasser herausgedrückt wird. Wenn die Schwellung zurückgeht, wird auch die Beweglichkeit besser und die Schmerzen weniger. Kurzum: Es spricht nichts gegen die Arthro-Ringe.

Wie sieht es mit Salben, wie zum Beispiel der Arnika-Salbe, aus?

Grundsätzlich bin ich für alles, was hilft. Man muss bloß sagen: Für viele Salben ist nicht mal belegt, dass sie überhaupt die Haut durchdringen. Manche sind sicher kühlend und wirken angenehm, aber viel mehr weiß man nicht. Vielleicht würde einfaches Kühlen auch ausreichen? Grundsätzlich bin ich aber offen für alles.

Welche Art von Medikamenten ist zu empfehlen?

Meistens entzündungshemmende Medikamente, die helfen auch gegen Schmerzen. Klassiker wie Ibuprofen, Voltaren, Novalgin. Das kennen die meisten Menschen. Ich würde so etwas auf jeden Fall eher nehmen als zentral wirksame Sachen. So etwas, was in die Richtung Morphin-/Derivat-Ecke geht – Tilidin-Tropfen und so etwas, weil das zentral wirkt. Das heißt: Es wirkt auf Rückenmarksebene und dämpft sozusagen die Schmerzwahrnehmung, aber nicht an der Stelle, wo der Schmerz entsteht, sondern an der Stelle, wo er ins Nervensystem umgeleitet wird. Da finde ich es besser, wenn man erst einmal etwas Entzündungshemmendes nimmt, etwas, das da wirkt, wo sich das Problem befindet.

Sie haben künstliche Gelenke und Nervendurchtrennung angesprochen. Was würden Sie in meinem Fall am ehesten empfehlen. Was würden Sie machen, wenn es Ihr Finger wäre?

So lange spielen, wie es geht. Ungefährliche Dinge ausprobieren, also wo man nichts reinsteckt ins Gelenk. Also radioaktive Bestrahlungen, und dann denke ich, sollten Sie sich Gedanken über eine Prothese, also ein künstliches Gelenk, machen. Es wird dabei nur das Gelenk ausgetauscht, wie beispielsweise auch beim Knie. 

Wie aufwendig ist so eine OP?

Der zeitliche Aufwand der Operation ist relativ gering, man kann so ein Gelenk innerhalb einer Stunde einbauen. Danach ist der Aufwand für den Patienten aber nicht unerheblich. Da braucht man einige Wochen – am besten mit einer speziellen Handtherapie, um die Beweglichkeit wiederherzustellen.

Kann ich danach noch Gitarre spielen?

Ich glaube schon. Ich bin aber bei Musikern ein bisschen vorsichtig, was die Mittelgelenkprothesen angeht. Die Prothesen in den Sattelgelenken sind mittlerweile so gut, dass wir die auch bei Musikern einbauen. Die sind dann auch zufrieden damit. Die Finger-Mittelgelenke sind leider noch nicht so ausgereift. 

Da drängt sich mir die Frage auf, ob ich nicht auf Zeit spielen sollte, weil sich ja sicher in der Entwicklung der Mittelgelenksprothesen noch einiges tun wird?

Das ist grundsätzlich ein interessanter Aspekt in der Handprothetik, weil sich da gerade einiges tut.

Da es sich um eine Volkskrankheit handelt, wundert man sich, dass es medizinisch noch relativ wenig Möglichkeiten gibt. Woran liegt das? 

Stimmt, der Markt ist riesig. Da werden Milliarden reingesteckt. Das Problem ist, dass es ein Problem des Gelenkknorpels ist – also eine Abnutzung – und der Gelenkknorpel ist ein sehr kompliziertes Gewebe, das sehr weit weg ist von den Stammzellen. Die Ausreifung von einer Stammzelle zu irgendetwas anderem ist beim Knorpel extrem aufwendig und für uns im Moment noch nicht zu reproduzieren. Also, man kann Knorpel im Labor nicht einfach so züchten. Sie können schon einzelne Knorpelzellen nehmen, die sie vermehren, aber Sie können nicht so einfach eine Lage Knorpel wachsen lassen. Das geht mit Knochen schon relativ gut. Da weiß man, welche Signalstoffe man dazumischen muss.

Aber für Knorpel ist das sehr schwierig, und der Knorpel verändert sich auch nicht mehr, wenn er mal ausgereift ist. Das ist ein Gewebe, das ganz wenig Stoffwechsel hat, und wenn Sie sich da einmal eine Delle reinhauen, haben Sie die immer an der gleichen Stelle. Der Knorpel heilt einfach nicht, da kein Blutfluss und kein Stoffwechsel vorhanden sind. Da bildet sich eine Narbe, aber die Zellen da drinnen teilen sich nicht mehr. Die sind so weit ausdifferenziert, dass die einfach so sind, wie sie sind, und sich nicht mehr verändern.

Klingt wie ein Teil vom Auto – wie ein mechanisches Ding. Wenn es kaputt ist, ist es kaputt

Ja, so ein Gelenk ist tatsächlich etwas sehr Mechanisches. Aber man kann halt nicht einfach die Innenhaut ersetzen. Bei größeren Gelenken gibt es zum Teil Versuche, dass man aus den nicht so belasteten Gelenkflächen einen Teil entnimmt und den an andere belastete Stellen setzt. Zum Teil werden auch Züchtungen im Labor versucht. Das geht allerdings bei den kleineren Gelenken nicht. Und das zweite Problem mit der Prothetik ist, dass die künstlichen Gelenke meist so lange nicht gut funktionieren, bis man das Originalgelenk möglichst originalgetreu imitiert hat. Das ist bei Fingergelenken nicht so einfach, weil die einen ganz komplizierten Krümmungsradius haben, der im Laufe der Krümmung ein bisschen zunimmt. Und sie sind auch individuell sehr unterschiedlich.

Jedes Gelenk hat ein paar Grad Neigung nach links oder rechts, und das zu imitieren, ist extrem schwer. Aber auch da gibt es schon neue Ansätze mit 3D-Technik, mit denen für Patienten individuelle Anfertigungen gemacht werden können. Aber leider ist davon noch nichts marktreif.

Kann KI dabei hilfreich sein?

Ja, das ist immer wieder auch Thema. Nach Unfällen nimmt man zum Beispiel das Gegenstück von der anderen Hand, um da etwas zu rekonstruieren. Aber bei Ihnen kann man jetzt schwer die originale Gelenkform rekonstruieren, weil das Gelenk einfach schon viel zu kaputt ist.

Was ist bei schmerzenden Gelenken besser: Wärme oder Kälte?

Das wird von Patienten unterschiedlich wahrgenommen. Die meisten Patienten mit einer klassischen Arthrose finden eher Wärme angenehm. Es gibt aber auch immer wieder Zwischenformen zwischen Arthrose und Arthritis – also so etwas wie Rheuma. Das sind aber ganz andere Erkrankungen. Das sind entzündliche Erkrankungen, bei denen es zu einer Entzündung im Gelenk kommt. Meist aufgrund einer Antikörper-Reaktion, welche die Gelenkinnenhäute angreift und dadurch das Gelenk beschädigt. Da ist die Entzündung die Ursache für den Verschleiß. Bei der Arthrose ist es eher umgekehrt, da führt die mechanische Abnutzung zu einer Entzündung. Bei entzündlichen Erkrankungen sind eher Kühlungen angenehm. Patienten haben aber auch da eine ganz eigene Wahrnehmung, und auch hier gilt: Was hilft, ist erlaubt.

Schlussbemerkung

Gelenkarthrose ist scheiße. Ganz klar. Aber es ist eine nicht lebensbedrohende Krankheit, da gibt es viel Schlimmeres. Das sollte man sich, denke ich, immer wieder ins Gedächtnis rufen. Wer von dieser Volkskrankheit betroffen ist, bekommt on top eine Lektion in Demut mitgeliefert. Man lernt: Nichts im Leben ist selbstverständlich. Vieles, vielleicht alles, kann sich im Laufe der Jahre ändern. Deshalb möchte ich jedem, der zehn gesunde Finger hat, zurufen: Genießt es, freut euch darüber. Nutzt die Zeit – und spielt so viel Gitarre wie nur möglich. Meine Hoffnung, dass ich irgendwann mal wieder schmerzfrei und mit halbwegs beweglichen Fingern in die Saiten greifen kann, habe ich natürlich nicht aufgegeben. Irgendwann wird das hoffentlich mal wieder in diesem Leben so sein. Wenn – dann werde ich es mit Sicherheit viel mehr zu schätzen wissen. Dann werde ich es für das halten, was es wohl auch ist: ein Privileg. 

Vermutlich liest die Story der eine oder andere, der selbst von Gelenkarthrose betroffen ist. Wenn, dann wäre es schön, wenn Ihr uns Eure Erfahrungen damit mitteilen würdet. Vielleicht hat jemand einen wirklich guten Ratschlag parat? Oder sogar ein Wundermittel? Die Hoffnung stirbt, wie schon gesagt, ja zuletzt. 

Kleine Helferlein – was mir derzeit hilft: 

  • Arthroseringe (gibt es in vielen verschiedenen Ausführungen)
  • Weihrauch Duo-Komplex (unter: www.antonius-apotheke-garmisch.com)
  • Gelencium CBD-Gel 
  • Mini-Bandagen für Fingergelenke 
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Arthrose Bei Gitarristen: Hilfe und Ursachen (Credit: Shutterstock / Astrid Gast)

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Profilbild von Thomas

Thomas sagt:

#1 - 20.02.2025 um 19:28 Uhr

0

Vielen Dank für den interessanten Artikel und das Interview. Ich bin bisher von Arthrose noch nicht betroffen. Gerade die Boomer sind ja mit Gitarrenspielen quasi aufgewachsen und ich verbringe noch immer gern Zeit mit handgemachter Musik, auch wenn die Finger unbeweglicher und die Augen immer schlechter werden. Es ist wie nach Hause kommen, wie Meditation. Daher kann ich allen nur sagen - Rock On!

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