Praxis
Ressourcenhunger
Beim ersten Öffnen überrascht der Matrix-12 V nicht als erstes mit seinem Sound, sondern mit seinem Appetit: Auf meinem Mac Mini mit 2,6 GHz i7-Prozessor schlägt eine Instanz gleich mit über 20% CPU-Auslastung zu Buche (Oberheim SEM oder CS-80 geben sich mit ungefähr der Hälfte zufrieden) – und das, ohne dass auch nur ein Ton erklungen wäre. Das lässt sofort an u-hes Diva denken, die ja sprichwörtlich ist für ihre Gier nach Prozessorpower. Allerdings lässt sich deren Hunger wenigstens per Qualitätswahlschalter zügeln, was dem Matrix-12 V auch gut zu Gesicht gestanden hätte, und sie beißt auch nur dann zu, wenn sie wirklich arbeiten muss. Diese Eigenart des Matrix-12 V, die bei den anderen Arturia Plug-ins übrigens nicht zu beobachten ist, mag nachvollziehbare programmiertechnische Gründe haben (wobei sich dann die Frage stellt, warum dies nur beim Matrix unumgänglich war), ist aber dennoch ärgerlich. Denn wer ist bereit, einen Softsynth in ein Arrangement einzubauen, wenn dieser permanent ein Fünftel der CPU-Kapazität beansprucht, auch wenn er nur beim dünnbesiedelt Outro zum Zuge kommt? Großer Minuspunkt. Die gute Nachricht ist, dass das Plug-in, ähnlich wie die erwähnte Diva, bei weiteren Instanzen nicht noch einmal mit vollem Gewicht zum Tanze bittet, sondern sich mit wenigen zusätzlichen Prozenten zufrieden gibt.
Bedienung
In das Handling dieses komplexen und etwas ungewöhnlichen Synths muss man sich, wie erwähnt, erst einarbeiten. Ich bezweifle, dass unerfahrenere Nutzer daran große Freude haben werden. Aber dies kann man weder Oberheim noch Arturia vorwerfen. Es ist eine fast unweigerliche Konsequenz eines sehr flexiblen Gesamtkonzeptes. Es gibt halt Synths, die immer Schönes produzieren und mit wenigen Handgriffen zu meistern sind, wie der herrliche Roland SH2, und jene, die ganz andere Sphären erreichen, uns aber in der Bedienung einiges abverlangen, wie ein CS-80 oder auch ein Alesis Andromeda.
Über die Bedienoberflächen oder GUIs von Arturia wird im Netz viel gemeckert, und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass bei der Handhabung z. B. des Modular V eine Feinmechanikerlehre von Vorteil, wenn nicht Voraussetzung ist. Über den Matrix-12 V kann ich derlei nicht sagen. Alle Bedienelemente haben genügend Raum, das Layout ist nach etwas Eingewöhnung logisch und übersichtlich und zudem verströmt das Plug-in ein gut designtes 80er-Flair.
Jedoch ist das Handling auch nicht ganz ohne Fehl und Tadel. Dies betrifft insbesondere das Umschalten von Presets, bei dem es gerne zu diversen Geräuschen kommt, wenn der erste Sound noch ausklingen möchte. Dieser Umstand ist auch von anderen Plug-ins nicht unbekannt, aber er fiel mir beim Matrix-12 besonders auf, da hier dem üblichen kleinen Digitalknacken auch schon mal ein lauteres zweites folgt. Zudem ist die Verzögerung beim Umschalten auf einige Presets relativ groß, und die Effekte hinken bisweilen zusätzlich nach – und nehmen dann wiederum mit einem Knacken ihre Arbeit auf. In einem Studiokontext ist das alles relativ unerheblich (wenn auch nicht schön anzuhören), für den Live-Betrieb sollten die Arturianer aber noch einmal schauen, ob sich dies nicht ein wenig glätten lässt.
Der Matrix-12 V ist noch relativ neu, so dass man nachsichtig sein sollte, wenn es hier und da noch leicht hakt. Eine etwas kuriose Fehlleistung begegnet uns aber bei der Modulation der Cutoff-Frequenz. Wie erwähnt bewegen sich die Parameterwerte beim Matrix-12 V in der Regel zwischen 0 und 63. Dies sind natürlich symbolische Zahlen, die – z. B. bei der Frequenz der LFOs – gar keinen praktischen Bezug haben, sondern nur in 64 Stufen zwischen Minimal- und Maximalwert wählen lassen. Nun bestand aber ausgerecht die Cutoff-Frequenz des Filters darauf, sich zwischen 0 und 127 einstellen zu lassen. Dies führt leider dazu, dass keine der Modulationsquellen das Filter mehr als bis zur Hälfte öffnen kann. Es wäre interessant zu erfahren, ob dieses Verhalten dem des Originals entspricht. Ich bin da allerdings skeptisch, denn in der Praxis ist das ja extrem ärgerlich und schränkt die Modulationsmöglichkeiten für das Filter maßgeblich ein. Ähnlich gravierend, wenn nicht sogar noch schlimmer, ist die Tatsache, dass Arturia beim Sync der LFOs geschlampt hat, die man nicht synchron zum Songtempo einstellen, sondern nur manuell justieren kann – wobei ein Wert von „42“ oder „54“ auch herzlich wenig nützt. Dieser Lapsus ist für die moderne Musikproduktion absolut unverzeihlich und sollte schnellstens behoben werden.
Der Matrix-12 V ist zweifellos eher ein Synth für Bastler als für Gelegenheitsschrauber. Natürlich kann man sich auch durch die Presets klicken, aber seine wahre Bestimmung erfüllt dieser Oberheimer, wenn man mit Freude die wildesten Modulationsmatrizen erstellt und ihm Klänge entlockt, zu denen andere Synths eben nicht in der Lage sind. Ich gestehe, dass es nicht zu meinen Lieblingsdisziplinen gehört, mir ein tausendfach verschachteltes Modulationsbauwerk auszudenken. Aber ich muss zugeben, dass der Matrix-12 einen dazu animiert, über unkonventionelle Klangformungen nachzudenken und mit Dingen wie FM herumzuexperimentieren, auch weil die Ergebnisse meist musikalisch sind.
Sound
Nun aber endlich zum Entscheidenden: dem Sound! Wenn ich mich an meine eingangs gemachten Statements halte, macht es sicherlich Sinn, die Frage nach der Klangqualität einmal in Bezug auf das imitierte Original zu beantworten, aber auch den Versuch zu wagen, das Plug-in einfach isoliert und als eigenständiges Klangwerkzeug zu beurteilen.
Ein Vergleich zum echten Matrix-12 fällt mir nicht gerade leicht, da ich weder einen besitze noch jemals einen echten gespielt habe. Zieht man allerdings Klangbeispiele auf YouTube oder jene des hiesigen Kollegen zu Rate, stellt man doch Unterschiede fest. Zwar lässt sich mit dem Plug-in sicherlich der Grundcharakter des echten Oberheim erzielen, jedoch wird beim Original gleich dieser warme, breite, teuer klingende Sound evident, den man auch unmittelbar mit den Achtzigern verbindet. Selbst höhenreiche Sounds behalten dabei stets eine gewisse Wärme. Das Plug-in hingegen neigt je nach Soundprogrammierung durchaus zu etwas Digitalem, Zischeligem, das dem Klang den analogen Touch nimmt und leicht billig klingt. Allerdings muss ich hier ganz deutlich die These äußern, dass hier durch viele uninspirierte, mittelmäßige Presets einiges an Potential verschenkt wird. Wenn man z. B. auf der „Voices“-Seite ein wenig am Finetuning der einzelnen Stimmen schraubt, werden die Sounds gleich lebendiger und erinnern deutlicher an den 80er-Sound, den man in vielen Presets vergeblich sucht. Deshalb habe ich den Verdacht, dass man mit dem Plug-in deutlich näher an den Sound des Originals kommen kann, als es die Presets größtenteils vermuten lassen.
Betrachtet man das Plug-in isoliert, muss man zunächst festhalten, dass der Matrix-12 V definitiv dazu in der Lage ist, schöne, vielschichtige, auch durchsetzungsstarke Sounds zu produzieren, die definitiv analoges Flair verbreiten. Aber auch aus dieser Perspektive bleibt es leider dabei, dass die Presets nicht gerade eine schillernde Visitenkarte des Plug-ins darstellen. Nach anfänglicher Begeisterung klickt man sich zunehmend lustlos durch eine gewisse Beliebigkeit, und mir ging es relativ selten so, dass mich ein Sound zum Verweilen einlud oder gar dazu inspirierte, Musik damit zu machen. Wie gesagt, ich bin überzeugt, dass da mehr zu holen wäre.
Effekte
Die Effektsektion ist selbstverständlich eine Zugabe, über die sich der Nutzer freuen kann, auch wenn man in der Regel über entsprechende spezialisierte Plug-ins verfügt, die diesen Job vielleicht besser erfüllen. Aber immerhin bieten eingebaute Effekte immer den Vorteil, dass man sie mit den jeweiligen Patches speichern kann. Die Auswahl der Effekte macht zum Abdecken der Basics Sinn und bleibt auch im „klassischen“ Rahmen, den Arturia mit seinen Produkten anstrebt. Wer also den Sounds des Matrix-12 V mit einem Bitcrusher zu Leibe rücken möchte, muss selbst Hand anlegen. Alle sechs Effekte sind sehr schön 80er-typisch gestaltet und lassen sich sehr leicht bedienen. Qualitativ gibt es nichts zu meckern, wobei ich das Reverb ausdrücklich ausnehmen würde, das sehr blechern klingt und zudem trotz diverser Einstellmöglichkeiten nur einen (zu) kleinen Ausschnitt klanglicher Möglichkeiten bietet. An Arturias Stelle würde ich hier noch mal massiv aufrüsten, denn wenn man da wiederum u-hes Diva zum Vergleich heranzieht, fällt auf, wie wesentlich ein gutes Reverb für viele Sounds ist und wie sehr es den Gesamteindruck des Plug-ins auf- oder eben abwertet.
Für dich ausgesucht
Konkurrenz
Ich möchte nicht verheimlichen, dass der Matrix-12 V offenbar für mich nicht so durchschlagend überzeugend war, dass mir nicht in den Sinn gekommen wäre, ihn mit einigen Alternativangeboten zu vergleichen. Deshalb zog ich die schon erwähnte Diva hinzu, ein Softsynth, der zwar nicht dezidiert Matrix-12-Klänge imitiert, aufgrund seiner flexiblen Architektur aber zu diesen durchaus in der Lage ist – und natürlich ohnehin als einer der wesentlichen Maßstäbe in Sachen „analog klingende“ Plug-ins gilt. Die Diva kommt nach meinem Eindruck ungleich inspirierender daher, was unter anderem an einem durchweg runden, irgendwie undigitalen Soundcharakter liegt, aber auch an den wesentlich besseren Effekten und nicht zuletzt an, scheint mir, deutlich besser programmierten Presets.
Ein anderer Konkurrent des Testkandidaten ist das Plug-in OP-X PRO II der Schweizer Sonic Projects. Dieses Plug-in ist leider bis dato auf dem Mac etwas umständlich einzusetzen, da es nur als VST für Windows vorliegt (wobei man wohl in Bälde auf Versionen für den Mac hoffen kann), heimst aber in Foren durchweg bewundernde Erwähnungen ein. Auch der OP-X PRO II ahmt nicht speziell den Matrix-12 nach, ist aber dennoch ein Spezialist für ziemlich authentischen Oberheim-Sound und liefert definitiv eine soundmäßige Referenz. Auch dieses Plug-in würde ich Arturias Produkt klanglich vorziehen. Zwar kann es nicht mit den Modulationsmöglichkeiten des Matrix-12 V glänzen, und auch die Bedienoberfläche – die sich an den Oberheim OB-X anlehnt – ist deutlich weniger ergonomisch. Aber beim Spielen kommt gleich das selige 80er-Lächeln aufs Gesicht, und auch die Presets machen, z. B. mit einer Bank voller Patches aus diversen 80er-Hits, deutlich mehr Freude.
Man könnte sagen, es sei durchaus ein etwas vernichtendes Urteil über den Matrix-12 V, dass ich mir im Zuge des Tests sowohl u-hes Diva als auch den OP-X PRO II gekauft habe, obwohl Arturias V-Collection schon auf dem Rechner war. Aber damit täte man dem Matrix-12 V unrecht. Zwar neigen Arturias diverse Plug-ins dazu, eine etwas, sagen wir, digitale Note zu besitzen und auch etwas uneigen zu klingen, aber dieser Umstand hat nicht nur mit der Programmierung zu tun, sondern sehr stark auch damit, dass man die jeweiligen Charakteristika in den Presets viel stärker zur Geltung bringen könnte. Wie gesagt: Der Matrix-12 V ist absolut dazu in der Lage, dem Plug-in-Klangarsenal vielschichtige, ausdrucksstarke Sounds hinzuzufügen, die möglicherweise sogar recht nah an den Charakter des Originals heranreichen. Allerdings muss man konstatieren, dass seine Performance und sein Charakter nicht so überragend sind, dass sein Einsatz, geschweige denn seine gesonderte Anschaffung, angesichts der Konkurrenz ganz fraglos wäre.