Praxis
Die Bedienung
Auf den ersten Blick scheint der Umgang mit dem Polybrute recht einfach zu sein. Ein bekannter Stimmenaufbau (subtraktive Synthese) und eine Vielzahl von Reglern, Fadern und Tastern auf dem Bedienpanel. Intuitiver Zugriff? Kein Problem! Das stimmt für die erste Ebene, will man jedoch mit dem Polybrute in die Tiefe gehen, dann wird es doch schon komplexer. Komplex, weil man den Polybrute als polyphonen semi-modularen Synthesizer sehen kann. Er bietet enorm viele Möglichkeiten, die man zunächst erst einmal erkennen und schalten muss. Die Zuordnung der Modulationen in der Matrix muss gezielt angegangen werden. Ähnlich wie bei einem Modularsynthesizer, bei dem die Verbindung zunächst per Patch-Kabel legen muss. Trial und Error sind hier nicht die Strategie der Wahl, genau wie bei einem klassisch modularen System. Zudem bietet der Synthesizer noch eine Vielzahl von Parametern, die man erst durch Druck auf die Settings-Taste erreicht, und die dann im Display in verschiedenen Ebenen dargestellt werden, was der Komplexität des Systems geschuldet ist.
Wie man bei Arturia das Problem gelöst hat, bei hoher Komplexität die Bedienung so einfach wie möglich zu gestalten, hat mich mehr als überzeugt. Da waren auf jeden Fall Programmierer beteiligt, die das alles von der praktischen, sprich: der Anwenderseite aus betrachtet haben. Ja, man kann über die Settings-Taste auch per Parameter-Diving an die einzelnen Parameter herankommen. Praktischer ist es allemal, wenn man „Settings“ gedrückt hält und einen beliebigen Regler auf dem Panel kurz bewegt. Sofort sind alle diesem Bereich/Regler zugeordneten Parameter im Display zu sehen und zu bearbeiten. So „einfach“ kann mittels ‚Learn‘-Funktion komplex beschrieben werden. Die Zuordnung der Modulationsquellen zu den Zielen habe ich bereits geschildert. Okay, der Polybrute verlangt schon eine gewisse Einarbeitungszeit, und vieles wird erst durch Blick ins Handbuch klar, was der Polybrute dann mit einer hohen klanglichen Flexibilität belohnt.
Eigene Sounds
Das Instrument ist ohne Zweifel für Sounddesigner interessant, die auf der Suche nach „ungewöhnlichen“ Parametern und Möglichkeiten sind, so, wie es Verwender von Modularsystemen erwarten. Diesem Anspruch wird der Polybrute durchaus gerecht. Die klangliche Flexibilität ist hoch, die Modulationsmöglichkeiten sind enorm. Die Editierung von Sounds, wenn man entweder A oder B eines Presets gewählt hat, ist klar. Tricky wird es, wenn die Einstellung des Morph-Reglers zwischen A und B liegt. Veränderungen eines oder mehrerer Parameter wirken dann auf beide Sounds, abhängig von der Position des Morph-Reglers. In Mittelstellung sind die Auswirkungen dann gleich. Um dies besser zu verstehen lohnt sich der Anschluss an die von Arturia bereitgestellte Connect Software.
Polybrute Connect Software
Im ersten Moment könnte man annehmen, dass eine Edit-Software für einen analogen Synthesizer mit vielen Bedienelementen auf der ersten Ebene ist eine nette Zugabe sei. Aber weit gefehlt. Connect ist eine mehr als sinnvolle Ergänzung zum Hardware-Synth. Hier werden nicht nur Parameter verändert, Connect bietet zusätzlich eine umfangreiche Sound-Verwaltung mit Librarian, mit der sich Klänge dank verschiedenster Kategorien besser organisieren und auffinden lassen.
Sehr nützlich kann es sein, wenn Presets mittels Connect-Software bestimmten Projekten zugeordnet werden. Schon visuell eindrucksvoll: Connect zeigt auf dem Bildschirm, was der Morph-Vorgang tatsächlich mit den involvierten Parametern anstellt. Die Software arbeitet bi-direktional. Veränderung am Synth sind sofort am Bildschirm erkennbar und vice versa. Hier merkt man bereits schnell, dass Arturia auf einen großen Erfahrungsschatz im Software-Bereich zurückgreifen kann. Die Connect Software kann Stand-alone und innerhalb der DAW verwendet werden. Auf alle Fälle ein „Muss“ für alle Polybrute-Besitzer, was das Gesamtpaket erst so richtig rund werden lässt.
Für dich ausgesucht
Die Tastatur
Mit 61 Tasten steht dem Spieler ein ordentlicher Tonumfang zur Verfügung. Die Bespielbarkeit ist durch die leichte Gewichtung für einen Synthesizer gut, Aftertouch und Velocity lassen sich nach eigenen Wünschen einstellen. Negatives lässt sich über die Tastatur nicht berichten.
Stimmenzuordnung
Der Arturia Polybrute kann monophon, unison und polyphon agieren. Darüber hinaus sind echte Layersounds und Splits möglich, wobei man allerdings mit sechs Stimmen schnell an die Grenzen kommt. Hier wird sich der eine oder andere doch eine 12-stimmige Version o. ä. wünschen. Hilfreich ist, dass man für den oberen und unteren Bereich die Stimmenzahl definieren kann.
Anschlüsse zur Außenwelt
Im Bereich der Anschlüsse die üblichen Verdächtigen: MIDI In/Out/Thru, USB, zweimal Expression-Pedal, Sync In/Out, Stereo Out, Kopfhörer Out, und damit weit weniger Konnektivität als beim Matrixbrute. Insbesondere fehlt mir mit hier die Einbindung von CV/Gate. Schön wäre es gewesen, wenn man externe CV in die Matrix als Modulationsquelle mit hätte einbinden können, und sei es selbst nur bei den vielen Unisono-Klangfarben, die der Polybrute bietet. Leider kann man auch kein externes Audio über die beiden Filter laufen lassen.
Der Sound
Der Polybrute ist ein analoger Synth, klingt aber nicht nach Prophet oder Moog – und das ist gut. Er wirkt eher spröder und nicht ganz so lieblich. Wenn wir bei den französischen Analogien bleiben, dann erinnert der Polybrute weniger an Südfrankreich, sondern eher an Paris oder gar die Bretagne, mit eigenem Charakter, egal, ob es sich um Leads, Pads, Bass-, oder Effektsounds handelt. Gerade im Bassbereich ist der Synthesizer ungemein durchsetzungsfähig, ohne dabei ein Arrangement zu dicht zu machen. Der Mann am Pult wird ihn lieben. Obendrein ist er klanglich ziemlich variantenreich, wie man es sich nach Blick auf die Möglichkeiten schon denken kann. Ganz gleich, an welche Sounds man denkt, alles ist möglich und klingt aufgrund der Vielzahl der Modulationsmöglichkeiten zudem sehr dynamisch. Manche Klangverläufe erinnern schon fast an einen Wavetable-Synthesizer.
Der Polybrute verzichtet auf bombastisches Klangmaterial, das für sich alleine genutzt überzeugt, jedoch kaum in den Kontext einer Band oder eines Playbacks passt. Dafür bietet er allerdings jede Menge Klänge, die man sofort in seine Tracks mit integrieren kann. Klanglich ist der Polybrute somit eher ein Teamplayer und es lohnt sich bei der ersten Begegnung, etwas mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Zum Abschluss noch ein Hinweis zur Stimmstabilität: Durch die Verwendung analoger Oszillatoren sollten dem Polybrute anfangs schon mal zehn Minuten zur Selbstfindung gegönnt werden. Den Stimmvorgang bzw. die Kalibrierung des VCOs erreicht man erst auf einer unteren Ebene, und der Vorgang selbst dauert mit 3:45 min auch recht lange. Mitten im Set sollte man damit also nicht beginnen, denn der Kalibrierungsvorgang schaltet die Tonerzeugung ab.
Audiobeispiele zu Arturia Polybrute
Arturia PolyBrute Sound Demo (no talking)
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