Praxis
Der virtuelle Korg MS-20 – wie gut ist er bei Arturia?
Ein fulminanter Neuzugang bei der Arturia V-Collection 9 ist der Korg MS-20 V. Die Entwickler gehen richtig ans Eingemachte und haben offensichtlich noch einige konstruktive Ideen, wie man den semimodularen Klassiker von 1978 optimiert. Das ansprechende fotorealistische GUI bringt nicht allein den MS-20 zum Vorschein, sondern auch einen zusätzlichen Step-Sequencer sowie eine opulente Effekt-Sektion, die vier Multieffekt-Blöcke mit jeweils 16 FX-Typen auffährt.
Der Korg MS-20 ist bekannt für seinen brachialen, driftenden und bisweilen quäkig giftigen Sound, der vornehmlich mit der Filtersektion, eine Kombination aus resonanzfähigem Hoch- und Tiefpass, entsteht. Diesen besonderen Eigencharakter transportiert die Emulation von Arturia wirklich überzeugend. Aufgrund der sechs Stimmen lassen sich mit dem Arturia Korg MS-20 V zudem auch polyfone Klänge realisieren.
Fürs Kreieren rhythmischer und tonaler Phrasen ist ein Sequencer dabei, der sich mit seinen 12 Schritten und drei Kanälen an den originalen Korg SQ-10 orientiert sowie praktisch sämtliche klangbildende Elemente des virtuellen MS-20 beeinflussen kann. Zusammen mit der mächtigen Effektsektion ergeben sich durchaus viele klangliche Möglichkeiten, die von den zahlreichen und auch oft souverän erstellten Presets demonstriert werden. Anhand der acht Audio-Demos sind schon der markante Sound des Korg MS-20 und die klangliche Bandbreite der Emulation gut zu erkennen.
In der Praxis macht das Ding einfach nur Spaß. Nicht wenige Presets inspirieren und das GUI lädt quasi „reglergerecht“ zum Schrauben und Strippenziehen ein. Insbesondere technoide Phrasen lassen sich überraschend schnell und gut erstellen, indem man einfach ein bisschen mit Filter, Sequencer und Effekten spielt. Vielleicht könnte Arturia noch ein paar speziellere Templates (etwa Vorlagen für die Nutzung des Sequencers) ergänzen und damit den Einstieg ins Soundprogrammieren noch beschleunigen.
Man kann es letztlich nicht anders sagen: Arturia setzt einen neuen Maßstab bei der Emulation des Korg MS-20. Natürlich klingt die originale Hardware mehr nach Vintage, der Korg MS-20 V ist aber das schlüssigere Gesamtpaket fürs DAW-basierte Produzieren.
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Augmented Strings und Voices – zwei kreative Ausnahmen.
Mit der V-Collection führt Arturia erstmals Plugins ein, die keine historische Vorbilder nachbilden. Die Franzosen setzen mit den beiden sehr ähnlich aufgebauten Instrumenten „Augmented Strings“ und „Augmented Voices“ eigene Ideen um. Das ästhetische GUI suggeriert jeweils einfache und trendige Klangmalerei. In der Mitte trumpft der Morph-Regler, mit dem man zwischen Layer A und Layer B blenden kann. Unter Haube sind noch viele weitere Parameter sowie Effekte und Arpeggiator anzutreffen, die sich allesamt leicht handhaben lassen.
Beide Instrumente liefern schon in der ersten Version überraschend viele Presets. Selbst in den Kategorien wie „Sequence” oder „Leads“ finden sich originelle wie brauchbare Vorlagen. Sie klingen durchweg luftig modern und sprechen den kreativen Producer an, die keine traditionelle Streicher- oder Chor-Bibliothek benötigen. Einige Presets sind zwar für sich nicht besonders spektakulär, können aber musikalisch inspirieren und fügen sich gut ins Arrangement. Bei Augmented Strings und Augmented Voices zucken jedenfalls beide Tester-Daumen nach oben. Die insgesamt acht Hörbeispiele, ein wirklich kleiner Ausschnitt, sprechen für sich.
Yamaha CS-80 und Prophet-5/VS – funktionell erweiterte Emulationen
Vor allem der kürzlich verstorbene Vangelis (Soundtrack zu „Blade Runner“) hat dieses Flaggschiff in der Synthesizer-Welt berühmt gemacht. Der 1976 erschienene CS-80 war wegen seines hohen Gewichts von rund 100 kg und eines stolzen Preises kein Consumer-Instrument. So ist der überarbeitete Arturia CS-80 V4 heute eine reale Chance, in den Genuss dieses monströsen Studio-Synthesizers zu kommen. Das fotorealistische GUI ist sehr ansprechend und unterscheidet sich von Version 3. Den eigentlichen Kick liefert aber das Advanced Panel: Hier gibt es viele Funktionen und Parameter für freie und tempo-synchrone Modulationen sowie eine üppige dreiteilige Effekt-Abteilung.
Klanglich macht die Emulation einen guten Job. Der Sound des CS-80 ist gut getroffen, den unsere acht Demos einfangen. Man fragt sich aber, warum die Preset-Library gegenüber der letzten Version ausgedünnt worden ist. Jeder User freut sich über weitere Factory Sounds – da geht noch mehr.
Aufgebohrt hat Arturia auch den Prophet-5 V. Das Advanced Panel gibt Zugriff auf einen zweiten LFO sowie auf einen weiteren Modulationsblock. Hinzu kommen Effekte, die ähnlich umfangreich wie beim Arturia CS-80 V4 ausfallen. Wie sich der Arturia Prophet-5 gegenüber der Konkurrenz (insbesondere der u-he Repro) schlägt, werden wir separat in einem Bondeo-Feature herausfinden.
Der hybride Prophet-VS ist der Inbegriff der Vectorsynthese und Wegbereiter von Korg Wavestation/Wavestate. Es gibt kaum Emulationen, die das Niveau des aktuellen Arturia Prophet-VS V klanglich und bedienungstechnisch erreichen. Auch sein Parameter-Aufgebot auf dem Advanced Panel könnte etliche Workshops füllen. Er ist modulativer und geschmeidiger als das Original aus dem Jahr 1986, das heute kaum noch gebraucht zu ergattern gibt. Neben dem Arturia SQ 80 V vertritt der Prophet-VS V die Riege der hybriden 80ies Synth innerhalb der V-Collection 9 großartig.
Arturia Piano V: Zwölf Modelle für klassische oder kreative Momente.
Pianistischer Auftakt: Direkt nach dem Start fordert das Piano V3 zur Kalibration der verwendeten Midi-Tastatur (Keyboard Calibration) auf – sinnvoll, denn beim Klavierspiel fühlt man sich erst wohl, wenn die Tonerzeugung sensibel auf einen dynamischen Tastenanschlag reagiert. Wie bei fast allen vorgestellten Instrumenten überrascht das große Preset-Angebot. Dank Physical Modeling sind tatsächlich ganz unterschiede Sounds konstruierbar und können mit der internen Effektsektion (EQ, Kompressor und Hall) verfeinert werden. Insgesamt bietet das Arturia Piano V3 zwölf Klavier- und Flügel-Modelle (American Grand, Pop Grand, Tack Upright, Glass Grand, etc.) an. Sie lassen sich vom User selbst bearbeiten, wozu einige wichtige Modeling- und Effektparameter angeboten werden.
Bei den Audio-Demos bleiben wir auf jeweils dem selben arpeggierten Akkord und vergleichen acht verschiedene Presets. Wie andere Pianos auf Physical Modeling erreichen sie zwar nicht den Realismus beim Basisklang, sind aber flexibler im Klangverhalten. In Klartext: Es gibt viele herkömmliche Piano Libraries, die natürlicher klingen, das Arturia Piano V3 hat aber mehr Potenzial fürs kreative Sounddesign. Daher ist es sehr wünschenswert, dass Arturia das große Effekt-Aufgebot anderer Plugins auch ins Piano V integriert – hoffentlich schon beim nächsten Update.