Praxis
Für die Soundfiles spiele ich die angegebenen Gitarren direkt in mein Audiointerface, ein RME Fireface UFX, und aktiviere AmpLion 2 (Version 2.0.0/Stand Februar 2021) als Plugin in meiner DAW, Studio One 5.
Zu Beginn wähle ich eine Maybach-Les-Paul und steppe mich durch ein paar Werkspresets. Diese wurden grundlegend sehr stark in Richtung High Gain und Metal programmiert, und auch, wenn die Settings sinnvoll getweakt wurden, geben sie aus meiner Sicht kein wirklich repräsentatives Bild des AmpLion-Potentials wieder. Eigentlich Schade, dass zum Durchsteppen nicht auch ein paar schöne Clean- oder “Edge-of-Break-Up”-Sounds inkludiert wurden, denn, wie wir noch sehen werden, kann die Software das nämlich ziemlich überzeugend umsetzen.
Das Editieren eigener Sounds geht dank der attraktiven Benutzeroberfläche spielend leicht und macht Spaß, daher begebe ich mich nun an das Erstellen von Eigenpresets. Der Grundcharakter aller Ampmodelle ist sehr gut getroffen und die berühmten Vorlagen sind klar zu erkennen. Auch wenn AmpLion leider nicht das Laden eigener bzw. Drittpartei-Impulsantworten unterstützt, bietet der Cab Block doch eine sehr gute Auswahl und dank der diversen Mikes und Mikesettings einen extrem flexiblen Spielraum. Die Grundsounds kommen druckvoll und besitzen eine gute Dynamik. Das Bartender-65-Modell eignet sich für diverse Cleansounds, von Jazz über Funk, bis hin zu crunchigen Low- und Midgain-Sounds, die einen überzeugenden Break-up besitzen.
Das Jukebox-Modell kann alles von Clean bis hin zu Midgain und erlaubt durch das Umschalten der Voicings und der flexiblen Klangregelung eine breite Palette an Sounds, die allesamt den typisch, mittigen Vox-Chime besitzen. Auch das Martial-Modell ist äußerst vielseitig und deckt für mich den Bereich vom Marshall-Plexi bis weit über das JCM-800er-Gefilde ab. Der Brown Button macht die Zerrstruktur minimal dichter und komprimiert etwas stärker. Wirklich eindeutige High-Gain-Sounds sind ausschließlich über die Amps nicht zu erzielen, aber die Werkspresets zeigen, dass in Kombination mit diversen Verzerrern hier durchaus auch moderne Metalsound möglich sind. Insgesamt kann sich AmpLion 2 klanglich locker mit den Konkurrenzprodukten messen lassen und ich würde sogar sagen, dass es im Vergleich zu einigen Platzhirschen bei manchen Sounds sogar die Nase vorn hat.
Betrachten wir nun ein paar Effektkombinationen. Da wir es hier mit Emulationen von real existierenden Effektpedalen zu tun haben, beschränken sich die verfügbaren Parameter natürlich auf die bodentreterübliche Anzahl. Dennoch lassen sich alle notwendigen Einstellungen vornehmen und flexible Settings abrufen. Die Modulationseffekte des FX-Blocks klingen warm und nahezu analog, wobei mir persönlich der Tremoloeffekt, der im Bartender-Modell anzutreffen ist, nicht uneingeschränkt zusagt und man hier evtl. noch eine flexiblere Option in den Effektblock hätte legen könnte.
Die Delay- und Reverbsounds sind ebenfalls überzeugend, wobei vor allem das Delay einen extrem harmonischen, analogen Sound hervorbringt. Dank der Tap-Funktion am Delay kann man hier ganz bequem neben der Eingabe der ms-Zahl auch noch die Geschwindigkeit einklopfen. Schade, dass hier nicht das Eingeben eines Mastertempos bzw. eine Synchronisation mit der Geschwindigkeit des DAW-Projekts genommen werden kann, sodass man entweder den Tapbutton oder den Taschenrechner zum Errechnen der entsprechenden ms-Zahl der Delaytime nehmen muss. Die Verzerrertypen sind ebenfalls sehr gut getroffen und der Treble-Booster macht mit dem Jukebox-Ampmodell eine tolle Figur, während bei der Tubescreamer-Emulation in Verbund mit dem Bartender-Amp wahre Stevie-Ray-Gefühle aufkommen.
Grundsätzlich lassen sich alle gitarrentypischen Sounds hier mühelos generieren, auch wenn ich persönlich mir noch einen einfachen Pedalkompressor für Country oder Funksounds gewünscht hätte.
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Zum Abschluss möchte ich euch das Double Track Feature und die flexible Mikrofonierung des Cab-Blocks vorführen. Ersteres liefert tatsächlich einen tollen Breitbandsound, der sich wie eine gedoppelte und hart gepannte Gitarrenspur verhält. Wie eingangs erwähnt, erinnert der Sound sehr an den Algorithmus des TC Mimiq Pedals, und kann ein überzeugendes Ergebnis liefern, wenn es denn mal schnell gehen soll und man nicht die Zeit hat, jede Spur zu doppeln.
Die Flexibilisierung der Mikrofonposition ist ebenfalls sehr effektiv umgesetzt worden. Zeigen hier manche Plugins oder Hardware-Komponenten eher homöopathische Veränderungen, kann AmpLion den Cab Sound ordentlich verbiegen.
Ihr hört hier jeweils die Veränderung von Mikrofonwinkel, -position und -abstand, in der 8:00-, 12:00- und 17:00-Uhr-Stellung.