Audio Artery ist eine neue Software-Schmiede aus Finnland. Jüngster Streich des im Jahre 2010 gegründeten Unternehmens ist ein DJ-Tool namens „The One“, mit dem sich die Finnen ein wenig intensiver von der Konkurrenz abheben möchten.
Im Wald der DJ-Programme sind Serato-DJundTraktor ohne Zweifel die unangefochtenen Platzhirsche. Um gegen die beiden Marktführer eine Chance zu haben, war es bisher üblich, dass sich die übrigen Hersteller mit immer neuen Features überboten haben. So versuchen z.B. Image Line mit Deckadance undMixvibes mit Cross, die DJ-Kundschaft mit Sampler-Playern, aufwendigen Effektsektionen und anderen Features zu locken.
Audio Artery geht den unkonventionelleren Weg und bietet ein alternatives Konzept an, dessen zentrales Element das Timeline-Editing ist. Dennoch findet man hier das bewährte Decks- & Mixer-Layout vor. Ich kann mit unserem Testkandidaten sowohl reguläre DJ-Mixe performen, als auch mithilfe der Multitrack-Timelines Live-Edits, Remixe oder Mashups kreieren. Alternativ arbeiten die Timelines auch wie die Standard-Decks gewöhnlicher DJ-Programme. Darüber hinaus ist dieses Tool mit einem modularen User-Interface ausgestattet, welches individuell auf die Bedürfnisse des Nutzers abgestimmt werden kann. Das Audio-Routing ist frei veränderbar. Mit einem sehr schmalen Preis von nur 50 € (Download auf der Hersteller-Website), klingt das ziemlich vielversprechend. Doch hat dieses Programm auch das Potenzial für eine weltweite Verbreitung? Oder ist die Schöpfung von Audio Artery eher noch etwas „grün hinter den Bits“? Der folgende bonedo-Test bringt Licht ins Dunkel.
Details
Installation
Der Rechner, den ich für meinen Testlauf verwende, ist ein IntelCore i3 iMac mit 3,1 GHz, vier GB RAM und einer 250 GB großen Festplatte. Verwendetes Betriebssystem ist OS X, Version 10.8.5. Von der Audio Artery Website lade ich mir zunächst die etwa 80 MB große Installationsdatei des License Managers herunter. Nachdem ich dem Software-Lizenzvertrag zugestimmt habe, ist die „weiche Ware“ nach wenigen Augenblicken auch schon fertig installiert. Nach Neustart öffne ich die Software und registriere mich zunächst einmal als neuer Nutzer durch die übliche Eingabe meiner Nutzerdaten. Nachdem auch das erledigt ist, gebe ich die vom Hersteller zur Verfügung gestellte Seriennummer ein und beginne mit dem Download der Applikation. Nach wenigen Minuten ist die circa 100 MB große Datei auch schon vollständig auf meinem Rechner gelandet und endlich kann die Installation von „The One“ beginnen. Auch hier muss ich erneut dem Lizenzvertrag zustimmen. Nach wenigen Minuten ist dann auch diese Software vollständig installiert. Bevor es aber jetzt endlich losgehen kann, muss ich noch einmal den License Manager aufrufen und die Software aktivieren. Und nach dem obligatorischen Neustart kann der Spaß nun endlich beginnen.
Allgemeines
„The One“ ermöglicht den DJ-Mix mit zwei, drei, vier, oder mehr Decks, welche zudem mit Effekten versehen werden können. Selbstverständlich verfügen alle Player über Cue-Points und Loops. Darüber hinaus bietet das Timeline Edit-Feature die Option, Tracks non-destruktiv zu schneiden. Und zwar so viele Songs gleichzeitig, wie ich möchte. Die Decks bieten hierfür eine unbegrenzte Anzahl an Einzelspuren. So erstellte Edits können als solche oder als Wav-Files auf die Festplatte gespeichert werden. Zu den von „The One“ unterstützten Audioformaten zählen MP3-, Ogg-, WAV-, FLAC-, M4A- sowie AIFF-Files.
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Selbst ist der DJ!
Bei „The One“ steht ohne Zweifel die individuelle Gestaltung des User Interfaces im Mittelpunkt. Die zum Arbeiten nötigen Module (Player, Effekte, Mixer), wähle ich im „Gear“-Menü aus. Jedwedes Modul steht in unbegrenzter Anzahl zur Verfügung. Damit die GUI nicht aussieht wie ein nicht gerührter Eintopf, hat man die Möglichkeit alle Module frei zu verschieben und hinsichtlich ihrer Größe stufenlos zu skalieren. So lässt sich die zur Verfügung stehende Oberfläche gemäß den individuellen Bedürfnissen optimal nutzen. Player und Browser haben praktische Full Size Toogle Buttons, welche sich auf Wunsch auch per Controller bedienen lassen. Ebenso kann ich im Menü einzelne Module, die ich zwar benötige, aber aus Platzgründen nicht sehen möchte, ausblenden. Jedes so erstellte Layout lässt sich abspeichern und natürlich auch wieder aufrufen.
Die Routing-Optionen der Software zeigen sich sehr zu meiner Freude absolut flexibel. Das zu diesem Zweck gedachte „Overview“-Menü zeigt den aktuellen Signalfluss an, welcher auf Wunsch per Drag & Drop abänderbar ist. Die Signalkette ist dabei völlig umbaufähig. Decks können durch Effektmodule und anschließend durch einen Mixer geroutet werden. So bestimmt man u.a., ob die FX-Slots post- oder pre-Fader betrieben werden.
Eine weitere nützliche Eigenschaft der finnischen Applikation ist, dass man mehrere Audiointerfaces gleichzeitig speisen kann. Getestet habe ich dies mit einem Audio 6 Interface von Native Instruments und einem Maya44 USB von ESI. Dabei lief das Mastersignal des Mixers über die Audio 6, während ich das Cue-Signal über die Maya44 geschickt habe. Diese Konstellation lief im Test stabil und latenzarm. Nichts zu meckern in dieser Hinsicht!
Der Browser unseres Testkandidaten liest iTunes Librarys, erkennt lokale Festplatten sowie Netzlaufwerke und verbindet sich mit Medien-Servern. Beim Zugriff auf die Dateien nutzt die Software das Disk Operation System (DOS) des entsprechenden Rechners. Das bedeutet, dass „The One“ mit jedem Datenträger arbeitet, welcher mit dem verwendeten Computer kompatibel ist. Ein direkter Zugriff auf Netzwerkprotokolle, wie etwa DLNA wird von unserem Testkandidaten leider nicht unterstützt. Der Browser von „The One“, in dem die Library als Baumstruktur visualisiert wird, bietet die Ansichtsfilter „All Tracks“, „Analyzed“ sowie „Unanalyzed“. Im Test fiel auf, dass der Browser der getesteten Version 1.2 (die aktuellste zum Testzeitpunkt) Schwächen beim Auslesen der Metadaten zeigt. Wenn ich auf die iTunes-Playlisten klicke, werden mir alle Informationen der Songs angezeigt. Analysiere ich anschließend die Files in „The One“, werden die BPM-Werte der Songs im Browser aber nicht aktualisiert. In den Decks hingegen werden die Tempowerte korrekt angegeben, während im Browser die frisch ermittelten Metadaten weiterhin verborgen blieben. Hier ist der Hersteller aufgefordert, möglichst bald ein Update hinterherzuschießen. Die Tempo- und Beatgrid-Analyse hingegen funktioniert wirklich hervorragend.
Effekte & Mixer
Nachdem ich das Audio 6 per USB an meinen Rechner angeschlossen habe, erkennt die Software schnell und anstandslos das Interface und gibt mir im „Overview“ – Modus die Möglichkeit, das Audio 6 mit dem Main-Out des Software Mixers zu speisen. Ebenso problemlos erweist sich dann auch die Wiedergabe des Audiosignals über das Interface. „The One“ überzeugt generell durch einen guten Sound. Das gilt insbesondere für die 12 hochwertigen, Tempo-synchronisierbaren Effekte. Hierzu zählen Flanger, Delay, Stutter, Bit Crusher, Sweeping Filter, Reverb, Gater, Compressor, Phaser, Param EQ, Combo Filter sowie der Frequency Masher. All diese Effekte verfügen über vier veränderbare Parameter. Von dem selbst zusammengestellten FX-Arsenal, kann ich dann eine beliebige Anzahl von Effekten gleichzeitig aktivieren. Wirklich praktisch ist außerdem die Tatsache, dass die Software für jedes geöffnete Deck automatisch einen neuen Kanal im Mixer hinzufügt. Dieser kann aus bis zu fünf verschiedenen Komponenten bestehen. Dreiband-EQs mit Kill-Buttons, ein Filter mit einem entsprechenden Frequenzwahldrehknopf, Volume- und Gain-Regler, eine Master-Sektion mit Regler und Level-Meter, eine Vorhör-Abteilung mit Cue-Buttons sowie Mix- und Volume-Regler sowie ein Cross-Fader. Alle Komponenten lassen sich einklappen, um eine bessere Übersicht zu gewährleisten. Dabei bleiben sie natürlich aktiv.
Decks
Diese stehen im Mittelpunkt des Software-Konzepts von „The One“. Wenn ich einen Track aus dem Browser in eines der Decks ziehe, dann sieht das zunächst mal aus wie bei vielen anderen DJ-Programmen. Zu sehen ist ein sich bewegender Ausschnitt der Wellenform sowie eine weitere kleinere Darstellung des gesamten Songs. Soweit alles bekannt. Unterhalb der Wellenformdarstellung finde ich die Transport-Sektionen der Decks mit virtuellen Controllern für Play/Pause, Cue, Loops, Pitch, Keylock, Grid Nudge, Snap to Grid, sowie Sync- und Master-Buttons. „Alles schon einmal gesehen“, werden jetzt bestimmt viele sagen. Stimmt, aber jetzt kommt der wesentliche Unterschied: Und der liegt in den zahlreichen Möglichkeiten des Timeline-Editings, das unser Testkandidat zur Verfügung stellt. Denn wenn ich einen zweiten Track aus dem Browser in ein Deck ziehe, so bietet mir dieses zwei Optionen: Entweder ersetze ich den vorhandenen Song oder ich füge der Timeline einen zweiten Song mit einer eigenen Spur hinzu. Wenn ich nun noch zusätzlich den Edit Button (Scheren-Symbol) des Decks betätige, aktiviere ich damit das zuvor erwähnte Timeline Editing. In diesem Modus kann ich nun beliebig viele Audiofiles in ein einziges Deck ziehen. Diese Clips können anschließend beliebig verschoben, gekürzt, zerteilt, ausgeschnitten, kopiert und wieder eingefügt werden. Eigenen, individuellen Edits steht nichts im Wege – und das alles im laufenden Betrieb.
Songabschnitte, welche zuvor mit dem Split Clip Tool bearbeitet wurden, lassen sich durch Ziehen des Loop-Symbols blitzschnell in beliebig lange Schleifen verwandeln. Und das in beide Richtungen der Timeline! Dieses einzigartige Feature funktioniert auch mit aktiviertem Keylock. Auf diese Art und Weise, lassen sich live erstellte oder vorproduzierte Timeline Edits abspeichern und später wieder in die Decks importieren. Gesichert und entsprechend benannt werden diese im Ordner „Collections“. Ebenso lassen sich die Edits kinderleicht als Audiofile bouncen und später wieder verwenden. Darüber hinaus habe ich im Timeline Edit-Modus auch die Möglichkeit den einzelnen Audioclips eine klangliche Bearbeitung mittels Dreiband-EQs zu verpassen. Die Kurven der EQ-Parameter sowie die Lautstärke lassen sich zudem automatisieren. Durch diese Filter kann ich die einzelnen Tracks klanglich sehr gut aufeinander abstimmen. Das Timeline Edit Feature der Software bietet unzählige kreative Möglichkeiten, allerdings ist das entsprechende Steuerungs-Werkzeug hierfür die Maus. Und so ähnelt die Arbeit in dieser Zeitleiste sehr dem Workflow einer regulären DAW. Wirklich intuitiv ist das nicht unbedingt. Hier sollten die Entwickler vielleicht einmal darüber nachdenken, in diesem Modus u.a. mehr Keyboard Shortcuts zu integrieren. So benötigt man bei der derzeitigen Version (zum Testzeitpunkt Version 1.2) eine etwas längere Einarbeitungszeit, als das vielleicht bei anderen DJ-Applikationen der Fall wäre. Doch das ist sicher kein Grund unseren Software-Player vorschnell wieder „vom Spielfeld zu nehmen“. Denn „The One“ befindet sich in einer noch relativ frühen Entwicklungsphase, so dass zukünftig noch zahlreiche Erweiterungen bzw. Verbesserungen zu erwarten sind. Teilweise wurden diese vom Hersteller auch schon konkret genannt. Doch dazu später mehr im Text.