Praxis
Damit das Noise-Cancelling-System den Betrieb aufnehmen kann, muss zunächst die Batterie eingelegt werden. Ungläubig drehe und wende ich den Kopfhörer in den Händen und suche nach einem Schubfach oder einer Deckplatte – man wird dafür doch wohl nicht einen Schraubendreher bemühen müssen? Dadurch würde jeder Batteriewechsel wie eine mittelgroße Reparatur anmuten! Erst der Blick in das Handbuch verrät: Der silber abgesetzte Teil der rechten Muschel lässt sich komplett verdrehen und gibt den Zugriff auf die Batteriemulde frei. Praktisch, nur wissen muss man es. Nach dem Batterie-Einlegen und dem Anschalten auf der linken Muschel (mit der Rückmeldung einer LED im heutzutage anscheinend leider unvermeidlichen Blau) kann es mit dem Test losgehen.
Zu einem Langstreckenflug zu den Malediven und zurück (ausschließlich zu Testzwecken natürlich) konnte ich unseren Chefredakteur trotz wohlüberlegter Argumente, perfektioniertem Dackelblick und herzzerreissendem “Och bitteee…” dann leider doch nicht überreden. Nun gut, statt mir den Refrain eines deutschen Musikklassikers zu verinnerlichen, muss es dann mit dem Intro auch genug sein: „Wind Nordost, Starbahn null-drei…“. Da erweist sich die Nähe meines Büros zum Konrad-Adenauer-Flughafen Köln/Bonn als praktisch, denn so eine Einflugschneise kann bezüglich der Lärmemissionen bekanntermaßen locker mit dem Innenraum der Stahlvögel mithalten. Ich begebe mich für den ersten Testdurchlauf durch die schlammige Wahner Heide an den Außenzaun des Flughafengeländes, um die dort startenden und landenden Billigflieger ihre Lärmschleppen über mich hinwegziehen zu lassen. Enttäuschung: Mit ausgeschalteter Elektronik ändert sich nicht sonderlich viel, die passive Dämpfung fällt recht “mau” aus. Meine zu Vergleichszwecken mitgebrachten geschlossenen Schlagzeuger-Kopfhörer können das deutlich besser (sehr deutlich sogar)! Dies wirft natürlich die Frage auf, warum die ATH-ANC7b nicht auch so stark dämpfen, denn schließlich ist es eben jene “Dämpfung”, die sich die AT-Kopfhörer auf die Fahnen geschrieben haben. Eine gute passive Dämpfung unterstützt und ergänzt eben die aktive. Und genau diese aktive Dämpfungsschaltung wird jetzt in Betrieb genommen, denn da erscheint schon der nächste Flieger mit bösem Gesicht und blendenden Landescheinwerfern über den Wipfeln des Königsforstes.
Es ist erstaunlich, was vor allem im Bereich unterer und mittlerer Frequenzen von der Elektronik “entfernt” wird. Das kernige Brummen der Triebwerke wird deutlich leiser, das hohe Pfeifen auch, jedoch nicht in gleichem Maße. Ein mehrmaliges Gegenschalten verdeutlich den Effekt – verblüffend! Durch das gegenphasige Zumischen entsteht ein sehr “löchriges” und entfernt wirkendes akustisches Bild. Ich kann mir vorstellen, dass es vor allem bei Dauerbeschallung sehr angenehm ist. Richtig tiefer Schall wirkt auch auf anderem Weg auf den Körper als auf dem Luftweg zum Trommelfell. Daher wackeln Kopf und Brustkorb trotz Wunderkopfhörer immer noch ganz ordentlich, wenn die Aeroplane Businessmenschen in dunklen Anzügen und Urlauber mit Sonnenbrand auf die Erde zurückbringen.
Bezüglich des Ausblendens von nervigen Geräuschen ist dieses System sehr zu empfehlen, der Gang in den Proberaum offenbart allerdings seine Schwächen. Schon beim Einspielen eines Playbacks auf die Anlage fällt auf, dass es mit leisem Musikgenuss nicht weit her ist. “Leiser” trifft zwar zu, doch genießen kann man nicht mehr: Das starke Phasing zerstört die Musik förmlich – die Tatsache, dass Geräusche das System eher passieren als tonale Signalanteile, macht es annähernd unmöglich, die AT-Headphones in einer Umgebung zu nutzen, die akustisch noch benötigt wird. Die Signale klingen richtig kaputt, unecht, löchrig, negativ modifiziert und dadurch auch anstrengender. Nicht gut. Dass sich ein leichtes Grundrauschen dazugesellt, fällt unter diesen Umständen kaum noch ins Gewicht.
In erster Linie ist der AT ein Kopfhörer, daher sollen hier auch seine “normalen” Qualitäten nicht unbeleuchtet bleiben: Die Klangqualität des mit 40mm-Treibern ausgestatteten ATH-ANC7b geht durchweg in Ordnung. Die Basswiedergabe kapituliert selbst vor tiefen Basslines, Subkicks und Klängen der meterhohen, tiefsten Kirchenorgel-Pfeifen nicht, die Höhen sind crisp, die Treiber schnell genug, um die Transienten flott gen Trommelfell zu drücken. Klanglich gibt es wirklich nichts zu mosern, wenn man den Preis für diesen Kopfhörer im Auge behält. Ich habe deutlich schlechtere Kopfhörer für den gleichen Preis gehört – diese hatten dann aber kein Noise-Cancelling-System. Ein wenig muss ich an dieser Stelle aber meinen rechten Zeigefinger in der Luft vor meinem Kopf herumtanzen lassen und in Schulmeistermanier “Na, na!” rufen. Dies hat folgende Bewandtnis: Aktiviert man das Noise Cancelling, wird das normale Kopfhörersignal etwas lauter! Dadurch wirkt das Noise-Cancelling noch verblüffender. Ob dies nun eine bewusste Mogelpackung ist, kann ich schwer feststellen, sicher haben die Ingenieure eine “rein technische” Erklärung für diesen Zusammenhang. Wie dem auch sei, die Verstärkung ist nicht enorm, aber dennoch feststellbar.
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In einem Langzeit-Test habe ich überprüft, ob es nicht möglich ist, sich an die starke Veränderung der akustischen Umgebung zu gewöhnen. Es zeigte sich, dass die systembedingte Höhenarmut aller passiven Dämpfungssysteme dennoch deutlich angenehmer ist. Es zeigte sich noch etwas anderes: Der Tragekomfort ist ausreichend für Mittelstreckenflüge, die “Long-Hauls” von mehr als vier Stunden Länge setzen den Ohrmuscheln je nach Ohrengröße dann doch etwas zu. Die verdrehbaren Muscheln sind zwar recht praktisch und tendenziell auch für DJs interessant, doch das Dämpfungsprinzip ist es nicht. Headphones und Booth-Monitor wird der ANC7b also nicht obsolet machen. Übrigens: Ich habe es auch mit mindestens 30 Stunden Betrieb nicht geschafft, die Batterie zu leeren. Und sollte es passieren: Der Kopfhörer arbeitet auch ohne Batterie, dann natürlich “nur” als Kopfhörer.
Verwendeter Stecker gegen einen XLR: Man beachte bitte auch die Kabelquerschnitte.