Diesem Review habe ich sehr entgegengefiebert: Der US-amerikanische Boutique-Hersteller Audioscape hat uns seine komplette Range an 1176-Nachbauten zur Verfügung gestellt. Wie sich Audioscape 76A, 76D und 76F unterscheiden und wie gut sie sind, erfahrt ihr hier.
Legendäre Zahlkombi
Es gibt nur wenige Zahlen, die unter Tonschaffenden sofort den Puls pushen: Zum Beispiel 1073, 670, 47 und natürlich 1176! Der Urei/Universal Audio 1176 FET Limiter gehört zu den ikonischsten aller Studiogeräte – dementsprechend hoch ist auch die Zahl der Nachbauten. Fast jeder Hard- und Software-Hersteller hat einen 1176 im Programm, sei es als offenkundiger Clone oder als Reminiszenz an dieses zeitlose Design. Sogar als Bodentreter gibt es den 1176, zum Beispiel von Origin und Universal Audio.
Eine Schöpfung des legendären Bill Putnam
Für das Design des 1176 zeichnet der legendäre Toningenieur Bill Putnam verantwortlich, der 1958 Universal Audio und später Urei gründete und weitere Klassiker wie den Teletronix LA-2A und LA-3A herausbrachte. Putnam gilt übrigens auch als Erfinder des Recording-Tonstudios, des Mehrband-EQs und der Echokammer. Der 1176 wurde von Putnam und Brad Plunkett, dem Designer des LA-3A, stetig weiter entwickelt, so dass es verschiedene Modelle gibt, die sogenannten Revisions von A-H.
Das A-H des 1176
Die ganz kurze Timeline sieht so aus: Rev A 1967 auf den Markt. Charakteristisch ist die silberne Frontplatte („Silverface“) mit blauem Streifen, was ihm den Spitznamen „Bluestripe“ einbrachte. Ab Rev C (1970) gab es eine schwarze Frontplatte („Blackface“) und eine „“LN“ abgekürzte Low Noise Schaltung. Rev F (1973) veränderte u.a. den Ausgangsübertrager, ab Rev G wurde auf einen Eingangsübertrager verzichtet, Rev H hatte als einzige eine komplett silberne Front.
Zwei 1176-Revisions sind besonders gefragt
Heute geht es meist nur um zwei dieser Revisions: Den Rev. A Bluestripe und den Blackface Rev. D oder E (die sich nur durch einen von 110 auf 220V schaltbaren Power-Transformer unterscheiden). Diese beiden 1176er gelten als DIE beiden Varianten dieses legendären Sounds – und stehen dementsprechend auch Pate für die meisten Nachbauten. Während der Bluestripe einen aggressiveren, sehr obertonreichen Sound liefert und vor allem für Rock-Vocals und Bässe geliebt wird, gilt der ausgewogenere Blackface Rev. D als DER klassische 1176 Sound, der einfach jedes Audiosignal besser machen kann.
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Audioscape – Audiower?
Enter Audioscape: Das kleine, von Chris Yetter in Daytona, Florida gegründete Unternehmen ist vor einigen Jahren mit einer klaren Mission angetreten, nämlich dem Nachbau großer Studioklassiker in absolut kompromissloser Qualität zu fairen Preisen. Ihren exzellenten Ruf in der Audio-Community zementierten sie vor allem mit ihren Versionen des SSL Bus Compressors und des Teletronix LA-2A. Das Portfolio wuchs stetig, doch die Firma blieb klein. Gebaut wird noch immer von Hand in kleinen Auflagen, auch wenn die Nachfrage inzwischen enorm ist, nicht zuletzt dank prominenter Endorser wie Andy Sneap.
Europa-Connection
Inzwischen gibt es zumindest einen richtigen Webstore und seit kurzem sogar auch einen für europäische Kunden. Dabei kooperieren Audioscape unter anderem mit den Jungs von Sessiondesk in Frankfurt, die uns auch die Testexemplare zur Verfügung gestellt haben und Ansprechpartner für alles sind, was in die großzügige Garantie von zwei Jahren für alle Geräte fallen soll.
3×76=ADF
Wie eingangs erwähnt, haben Audioscape gleich drei 1176 im Programm: Schön, dass neben Rev A und Rev D mit Rev F eine dritte Option am Start ist, die sich klar von den beiden Klassikern unterscheidet. Hier merkt man, dass es sich bei Audioscape um echte Audionerds handelt, die wissen, was sie machen – immerhin wurden von Rev F die mit Abstand meisten Originale gebaut. Wie für den Hersteller typisch, werden hochwertige Komponenten verbaut, die nicht nur historisch korrekt sind, sondern auch das Ergebnis langer Sessions, in denen mögliche Kandidaten mit dem Klang der Originale verglichen wurden.
Die inneren Unterschiede
Zentrales Element in allen drei Audioscapes ist der Eingangsübertrager vom Traditionshersteller Cinemag, vormals Reichenbach und u.a. Zulieferer für Urei. Der CM-012 ist eine exakte Replika einer „Golden Unit“ von Urei. Außerdem verwenden Audioscape originale NOS-FETs und Kohlemasse-Widerstände aus den 70ern. Schnell zusammengefasst: Der 76A hat die schnellsten Regelzeiten und bringt am meisten harmonische Verzerrung mit. Wie beim Original kommt beim 76D die „LN“ Low Noise-Schaltung dazu, so dass Signalweg und vor allem interne Gainstruktur nicht identisch sind. So soll der 76D etwas dunkler und weniger aggressiv klingen. Beim Rev F wechselte Urei auf Kohlefilm-Widerstände und baute einen anderen Ausgangsübertrager ein (übrigens denselben wie beim LA-3A) – Audioscape bleiben auch hier dem Original treu, das Ergebnis soll ein etwas offenerer Sound mit etwas langsameren Regelzeiten und cleanerem Bassbereich sein.
Die Äußerlichkeiten
Optisch folgen 76A und 76D dem Original (auch wenn die echten Blackfaces keine rote Pilotlampe und ein anderes VU-Meter hatten), nur der 76F – im Original ebenfalls ein „Blackface“ – weicht ab und präsentiert sich optisch als „Zwitter“ mit Silverface-Front und schwarzem Streifen. Vom echten Rev F wiederum übernommen und „historisch inkorrekt“ auf 76A und 76D übertragen ist das Feature, die Kompression im Linksanschlag des Attack-Reglers auszuschalten. So können alle 1176 auch als reine Soundfärber eingesetzt werden. Der Rest ist so bekannt wie schlicht: je vier Buttons für Ratio und Metering (der unterste schaltet das Gerät ein und aus), zwei Regler für Input und Output, fertig. Zusätzliche Features wie Wet/Dry für Parallelkompression gibt es nicht.
Vom Zug überrollt
Seit einiger Zeit bieten Audioscape manche Geräte auch als „Trainwrecked“-Version an. In Zusammenarbeit mit dem Künstler Lawrence Trainor wird dabei jedes Teil optisch gealtert – da dieser Prozess per Hand ausgeführt wird, ist jedes „Trainwrecked“-Gerät auch ein echtes Unikat. Das Testmodell des 76A stammt aus dieser Serie und sieht wirklich atemberaubend aus, so wie ein echter Bluestripe von 1967 vielleicht nach fast 60 Jahren intensiver Nutzung aussehen würde: Angekratzer Lack, abgegriffene Buttons, angefressene Potikappen. Muss man mögen, sieht aber wirklich geil aus!
Tower of Power
Toll sieht er aus, der Turm aus den drei „Elfsechsundsiebzigern“. Die aufgeklebte Nummerierung habe ich zugunsten der korrekten historischen Reihenfolge ignoriert. Übrigens finden sich weder Stromkabel noch Manual im Lieferumfang. Auf den Produktseiten finden sich aber Quick Start Sheets zum Download. Nach dem Einschalten entpuppen sich die Testkandidaten schon mal als waschechte 1176: Während die Nadel im VU-Meter beim 76D im Gain Reduction Modus tatsächlich auf der 0 parkt, bleibt sie bei den anderen deutlich darunter. Das kenne ich von allen echten 1176 auch, üblicherweise wandert die Nadel während der Aufwärmphase auch noch. Wie bei den Originalen findet sich zwischen Input und Output aber eine Schraube, mit der man nachhelfen kann. Ich lasse die Geräte etwas weiter aufwärmen und kalibriere die Nadeln dann alle auf „0“.