In diesem Audiovergleich nehmen wir sechs Overdrive-Effektpedale genauer unter die Lupe, und neben Overdrive-Klassikern wie dem Boss OD-1 oder dem Ibanez Tube Screamer, die seit Jahrzehnten erhältlich sind, haben wir auch Kandidaten an Bord genommen, die im Vergleich dazu noch nicht so lange auf dem Markt sind, aber doch schon einen gewissen Kultstatus erreicht haben. In diese Kategorie gehören beispielsweise der Fulltone OCD und der Hermida Zendrive, zwei Neu-Klassiker, die man auch häufig in Amp Modelern oder Plug-Ins findet.
In diesem Workshop soll es aber um die Originale gehen, die wir euch vorstellen wollen, wie sie klingen, was man mit ihnen anstellen kann und für welche Styles und Sounds sie am besten zu gebrauchen sind. Dabei werden wir den Einsatz mit Singlecoil- und Humbucker-Gitarren beleuchten, außerdem wird die dynamische Ansprache und die Tauglichkeit als Boost-Pedal vor einem bereits verzerrten Amp getestet.
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Mehr InformationenDie Kandidaten
Boss OD-1
Der OD-1 von Boss kam 1977 auf den Markt und er gilt prinzipiell als eines der ersten Overdrive-Pedale überhaupt, die diesem Namen auch tatsächlich gerecht werden. Denn der OD-1 produziert die typische Übersteuerung (Overdrive) eines Röhrenverstärkers im Gegensatz zu den damals erhältlichen Fuzz- und Distortion-Pedalen. Weitere Informationen zum OD-1 und seinen Nachfolgemodellen findet ihr in unserer Liebeserklärung an den Boss Overdrive.
Für dich ausgesucht
Ibanez TS808
Der Ibanez Tubescreamer ist eines der meistkopierten Overdrive-Pedale und der Klassiker schlechthin. Zwei Jahre nach dem Erscheinen des OD-1 kam 1979 der erste Ibanez Tubescreamer unter der Bezeichnung TS808 auf den Markt. Auch hier gibt es verschiedene Modelle und auch Modellbezeichnungen, und wenn ihr detaillierte Infos zum Tubescreamer haben möchtet, kann ich euch auch hier unsere Liebeserklärung an den Tubescreamer ans Herz legen.
Nobels ODR-1
Der ODR-1 vom deutschen Hersteller Nobels kam in den 1990er Jahren auf den Markt und lehnt sich ganz grob am Tubescreamer an. Das Pedal war (und ist) preislich wesentlich günstiger als das Vorbild und mauserte sich im Laufe der Zeit zu mehr als nur einem Geheimtipp, nachdem einige Studiogitarristen in Nashville den “Green German Overdrive” einsetzten. Auch Studiolegende Tim Pierce ist absolut überzeugter User des Nobels Overdrive. Die älteren Modelle werden mittlerweile für Preise um die 300 Dollar aufwärts gehandelt, das aktuelle Pedal ist für knapp 90 Euro zu haben und liefert im Vergleich zu den älteren Ausführungen einen etwas höheren Zerrgrad. Charakteristisch ist auch, dass beim ODR-1 kein reiner Tonregler in Form einer Höhenblende im Einsatz ist, sondern dass hier eine Doppelfilterschaltung mit dem Spectrum-Poti geregelt werden kann. Neben den Höhen werden auch die tiefen Mitten beeinflusst, bei 12 Uhr ist neutrales Setting angesagt, dreht man auf, werden Höhen und tiefe Mitten angehoben, dreht man zurück, werden beide abgesenkt. Für die Audiobeispiele ist ein aktuelles Modell im Einsatz.
Boss BD-2
Neben dem OD-1 und DS-1 (Distortion) ist der BD-2, auch als Blues Driver bekannt, ein weiteres sehr beliebtes Pedal aus dem Hause Boss, das auch viele Modeling-Effekthersteller analysierten und in digitaler Form in ihre Gerätschaften integrierten. Nachdem Anfang der 1990er Jahre der Blues wieder populärer wurde, brachte Boss den Blues Driver 1995 auf den Markt. Das Pedal ist selbstverständlich kein Gain-Monster, sondern recht vielseitig aufgestellt, liefert eine solide dynamische Ansprache und eignet sich deshalb nicht nur für Bluessounds. Robert Keeley hat zudem mit seinen Modifikationen noch für ein weiteres Upgrade des Pedals und mehr Popularität gesorgt. Das mündete dann in Keeleys Katana Blues Drive, während Boss mit dem Waza Blues Driver diese Mods auch in gewisser Art und Weise integriert. Wir haben für die Aufnahmen einen “normalen” BD-2 ohne Modifikationen benutzt.
Fulltone OCD
Mike Fuller schuf mit dem Fulltone OCD einen sehr beliebten Overdrive, der 1991 auf den Markt kam und mit einem sehr guten Reaktionsverhalten auf die Arbeit an der Gitarre ausgestattet ist. Der Obsessive Compulsive Drive sorgt für einen natürlichen Overdrive mit ausreichend Headroom und ist auf vielen Boards der Pros zu finden. Der OCD hat zusätzlich zur klassischen Regler-Dreierkette noch einen High Peak/Low Peak-Schalter, mit dem etwas Einfluss auf den Frequenzgang genommen werden kann. Im Laufe der Zeit wurden immer mal wieder ein paar kleine Upgrades und Veränderungen vorgenommen, die in Pedal-Fachkreisen als Version 1.0 bis 1.7 bezeichnet werden. Im Juni 2017 brachte Mike Fuller dann die Version 2.0 auf den Markt, die laut Hersteller etwas kräftiger in den Bässen tönt. Dieses aktuelle Modell ist auch in den Audiobeispielen zu hören.
Hermida Zendrive
Noch ein moderner Klassiker ist der Zendrive, entwickelt von Alfonso Hermida, der völlig fasziniert von Robben Fords dynamischem Gitarrensound auf der Aufnahme von Golden Slumbers (Beatles Cover) war. Ohne zu wissen, dass Ford dafür den heiligen Dumble-Amp benutzt hatte, setze sich Hermida in sein Labor und tüftelte an der Schaltung für ein Pedal, das diese Gainstruktur und dynamische Ansprache liefern kann. Das Ergebnis war das Mosferatu Pedal, das 2003 herauskam. Auch Robben Ford erhielt ein Exemplar, meldete aber zurück, dass er eines mit weniger Gain bevorzugen würde. Nach diversen Extrarunden im Labor war das Zendrive geboren, das dem Meister auch sehr gut gefiel, sodass er seither manchmal seinen Dumble zuhause lässt und das Zendrive über einen Fender Twin spielt.
Frequenzgang – Soundveränderung beim Einschalten des Pedals
Zu Beginn starten wir einen kleinen Test, der zeigen soll, wie sich die sechs Overdrive-Pedale im Frequenzgang verhalten und wie stark sie das Signal im Vergleich zum Sound des unverzerrten Amps färben, sobald sie aktiviert werden. Im Einsatz ist hier wieder der Sovtek MIG-50 mit einer Marshall 4×12 Box, die mit einem Neumann TLM-103 abgenommen wird. Im ersten Audiobeispiel hört ihr den unverzerrten Amp, danach folgen die einzelnen Overdrive-Pedale. Die Pedale habe ich auf eine leichte Verzerrung justiert und die Klangregelung in neutraler Einstellung belassen.
Minimaler und maximaler Zerrgrad
Die nächste Frage ist natürlich: Wie weit kann gezerrt werden? Ein wichtiger Parameter, den man immer bei der Wahl des Pedals berücksichtigen sollte. Hier sind die Kandidaten, einmal mit minimalem und dann mit maximalem Zerrgrad.
Dynamische Ansprache & Reaktion auf das Volume-Poti an der Gitarre
Eine sehr wichtige Angelegenheit bei Overdrive-Pedalen, die den Sound eines übersteuerten Röhrenverstärkers erzeugen sollen, ist das dynamische Verhalten, und zwar die Reaktion auf den unterschiedlich starken Anschlag und die Einstellung des Volume-Potis an der Gitarre. Optimal ist es, wenn der Zerrgrad bei leichtem Anschlag und heruntergeregeltem Volume-Poti entsprechend weit zurückgeht. Ich habe bei den Beispielen zuerst hart mit dem Pick, dann leicht mit den Fingern angeschlagen. In der dritten Runde wurde das Volume-Poti an der Gitarre von 10 auf 6 zurückgenommen.
Clean Amp – Sweetspots
Jetzt kommen die Schokoladeneinstellungen mit einem unverzerrten Amp. Ich habe dabei jeweils ein Beispiel mit einer Singlecoil- und eines mit einer Humbucker-Gitarre aufgenommen. Natürlich ist das nur eine kleine Auswahl und die ist auf keinen Fall neutral, sondern nach meinem Geschmack und meinen Vorlieben zusammengestellt. Natürlich ginge auch noch mehr, aber das würde den Rahmen des Artikels sprengen.
Crunch Amp – Boost
Overdrive-Pedale werden gerne als Booster verwendet. Für die Audiobeispiele habe ich mich dazu entschieden, keinen angezerrten Amp zu nehmen, sondern unsere Kandidaten ein weiteres Overdrive-Pedal anblasen zu lassen. Vor dieses, einen Okko Diablo, habe ich nacheinander unsere sechs Versuchspedale geschaltet. Viele Gitarristen arbeiten mittlerweile mit solchen Stacked-Overdrives, weshalb ich auch diese Variante bevorzugt habe. Den Basis-Overdrive-Sound des Okko Diablo hört ihr immer zu Beginn des Audiobeispiels, dann kommt das entsprechende Pedal hinzu.
Fazit
Die Pedale sind allesamt Klassiker – aber man muss sie zu bedienen wissen, denn diese Overdrives sind keine Multifunktions-Werkzeuge, sondern haben Charakter und ihre klaren Schokoladenseiten, die man kennen sollte. Sie färben im Frequenzgang, das eine mehr, das andere weniger, und das heißt, dass man sie gezielt einsetzen muss, will man ihr Potenzial ausschöpfen.
Der Tube Screamer harmoniert am besten mit einem bereits angezerrten Amp, wie der ODR-1, allerdings verträgt der sich für mein Empfinden nicht mit allen Verstärkern. Auf jeden Fall ist er eine sehr gute (und günstige) Wahl, um einem digitalen Amp-Modeler noch etwas analogen Dreck mit auf den Weg zu geben. Dabei sollte man sehr sparsam mit dem Gain-Regler umgehen.
Der Blues Driver kann mehr als nur Blues, klingt etwas scharf in den Höhen, ist damit aber perfekt für dynamische Crunchsounds mit einer etwas fülliger klingenden Gitarre geeignet, die sich dadurch auch etwas schlanker präsentieren kann.
Mit dem OD-1 kann man angezerrte Amps oder Overdrive-Pedale ordentlich anblasen und singen lassen, das Ganze mit einem erstaunlich geringen Nebengeräuschverhalten. Die neueren Modelle Fulltone OCD und Hermida Zendrive bestechen durch einen sehr transparenten und charaktervollen Klang. Der OCD hat einen eher rotzigen Stil, während der Zendrive sehr fein und seidig klingt, dabei hohe Gain-Settings vertragen kann und immer dynamisch und klar bleibt.