Mit dem „Obsessive Compulsive Drive“, kurz OCD, schuf Mike Fuller 2004 eines der populärsten Zerrpedale aller Zeiten, das vollkommen zu Recht in den Olymp der Overdrive-Klassiker einziehen sollte. Allerdings zog er sich mit den Worten „Ich schließe den Fulltone CA Shop, weil ich nicht anfangen werde, mein persönliches Geld in ein Geschäft zu pumpen, das keinen Gewinn mehr abwirft“ aus dem Pedal-Business zurück. So bedauerlich das Ende von Fulltone und damit auch des OCD ist, so erfreulich ist es für uns Gitarristen, dass sich auch andere Firmen der Aufgabe stellen, seinen typischen Sound einzufangen. In diesem Audiovergleich möchten wir euch einige Alternativen vorstellen.
Fulltone OCD
Beim OCD wird die röhrenähnliche Verzerrung durch die Übersteuerung des JFET-OP-Amps und anschließendem Hard-Clipping mit einem Paar MOSFETs (Metalloxid-Halbleiter-Feldeffekttransistoren) umgesetzt, die verglichen mit Dioden oder LEDs oberwellenreicher daherkommen. Diese Kombination ist sicherlich das große Novum sowie der Umstand, dass der OCD trotz klanglicher Overdrive-Qualitäten als „Hard Clipper“ konzipiert ist. Aufgrund des hohen Outputs von 20 dB Boost eignet sich der Fulltone hervorragend sowohl als Booster vor Verstärkern als auch als sehr dynamischer Verzerrer. Bei Letzterem kann der Volume-Regler der Gitarre immensen Einfluss auf den Sound haben. Der OCD hat einen schaltbaren True- oder „Enhanced“-Bypass und kann zwischen 9 V und 18 V betrieben werden. Regelbar ist er in Volume, Drive sowie Tone und ein Zweifachschalter wählt zwischen High- und Low-Peak. Ersteres Setting bietet eine erhöhte Verzerrung, mehr Lautstärke und eine leichte Anhebung der Mitten zwischen 1 kHz und 2 kHz, während Low Peak weniger Verfärbung liefert und für cleanes Boosten geeignet ist. Der OCD hat seit seiner Geburt im Jahr 2004 viele kleine Änderungen erfahren, allerdings betont Mike Fuller selbst, dass diese „oft fälschlicherweise als “Version 2, Version 3, Version 4” bezeichnet werden. In Wirklichkeit gab es immer nur eine Version (…) mit sehr leichten Abweichungen bei einigen Werten (…)“
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Review: https://www.bonedo.de/artikel/fulltone-ocd/
Warm Audio ODD
Die amerikanische Company Warm Audio wurde 2011 gegründet und widmete sich in jüngster Zeit dem Nachbilden legendärer Zerrer. Dazu gehört der Centavo als Klon Zentaur Derivat, der Warm Drive, der den Hermida Zendrive einfangen soll und auch der ODD, der, wie der Name vermuten lässt, einen Fulltone OCD klonen will. Optik und Potis sehen dem Original frappierend ähnlich und auch klanglich erhält man den wohlbekannten Sound.
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Review: https://www.bonedo.de/artikel/warm-audio-odd-box-v1-test/
MXR Super Badass Dynamic O.D.
Der MXR Super Badass Dynamic O.D. wurde zwar nicht explizit als OCD-Alternative beworben, allerdings zeigen Potibelegung und das MOSFET-Clipping, in welche Richtung das Pedal schielt. Es kommt ebenfalls mit einem True Bypass und läuft mit 9 Volt.
Review: https://www.bonedo.de/artikel/mxr-super-badass-dynamic-o-d-test/
Harley Benton Ultimate Drive
Dem Ultimate Drive aus dem Hause Harley Benton sagt man eine dem OCD vergleichbare Klangcharakteristik nach und auch hier finden wir eine identische Poti- bzw. Schalterbelegung wie beim Original. In unserem Test-Setting ist der Ultimate Drive der bei Weitem günstigste Kandidat und kommt ebenfalls mit einem True Bypass bei 9 Volt Betriebsspannung.
Review: https://www.bonedo.de/artikel/harley-benton-ultimate-drive-test/
Audiovergleich
Für den Praxis-Check parke ich die Pedale vor einen weitestgehend clean eingestellten Fender Silverface Bassman aus dem Jahre 1973. Das Amp-Signal läuft über eine FAS Load Box mit der Simulation einer 4 × 12 Box mit Pre Rola Greenback-Speakern und wird anschließend aufgezeichnet. Ganz klassisch verwende ich eine Stratocaster und eine Les Paul, was in den Audiofiles auch angegeben wird.
Hier hört ihr mein cleanes Signal:
a) Mid Setting – Les Paul
b) Low Gain & Dynamics – Stratocaster
c) Switch Check – Stratocaster
d) Gain Check – Les Paul
e) Lead Tones – Les Paul
f) Praxisbeispiel
Im Praxisbeispiel hört ihr alle aufgeführten Pedale in der oben gelisteten Reihenfolge. Die Rhythmusgitarre ist gedoppelt und es kam für alle Tracks eine Les Paul zum Einsatz.
Fazit
Alle hier verglichenen Pedale zeigen trotz klarer Unterschiede eine gemeinsame DNA, die sich durch einen natürlichen, warmen Overdrivesound mit prägnanten Bässen auszeichnet. Typische Eigenschaften wie die ausgezeichnete Dynamik, das vollmundige Lowend, das nicht unbedingt mit jedem Setting harmoniert, sowie die röhrenartige Zerrtextur, die bis zur 14-Uhr-Marke ihren Sweetspot besitzt, sind bei allen Modellen gegeben. Nimmt man den OCD als Referenz, muss man ganz klar sagen, dass der Warm Audio ODD diesem am nächsten kommt, auch wenn bei gleichem Setting das Original mehr Output liefert. Der MXR Super Badass Dynamic O.D. klingt für mich nicht wirklich wie eine exakte Kopie des OCD und will das wohl auch sein. Dennoch offenbaren sich hier sehr ähnliche Sounds und auch Vorzüge, wobei für meine Ohren von allen Testkandidaten die MXR-Variante die klarste ist. Sie liefert die größte Transparenz und punktet sogar mit einer Schippe mehr an Dynamik. Der Harley Benton Ultimate Drive erledigt, gemessen am Preis, einen erstaunlichen Job, wirkt jedoch in den Mitten deutliche gescoopter und zeigt einen immensen Output, wobei hier auch die meisten Nebengeräusche zu verzeichnen sind. Abschließend lässt sich sagen: Sucht man einen Verzerrer, der das Erbe des OCD am authentischsten weiterträgt, kann man beim Warm Audio ODD bedenkenlos zugreifen. Für den schmalen Geldbeutel bietet der Harley Benton Ultimate Drive mit minimalen Abstrichen eine sehr gute Alternative. Ganz subjektiv sagt mir der MXR Super Badass Dynamic O.D. jedoch am meisten zu, mit dem man einen fantastischen MOSET-Overdrive erwirbt, wenn man keine 1:1 Kopie des OCD erwartet.
Walter Kurtz sagt:
#1 - 15.10.2023 um 08:34 Uhr
Der Mythos mit den sanfter clippenden MOSFETs im OCD stirbt wohl nie aus ... Die MOSFETs selber haben in dieser Schaltung keinerlei Einfluss auf den Sound: Das Clippen geschieht einzig durch die internen Schutzdioden zwischen Drain und Source. Man könnte also auch gleich zwei antiparallele Siliziumdioden anstelle der 2N7000 einlöten.