Praxis
Einflüsse
Als Einflüsse nennt er Künstler wie Kraftwerk und Prince, Gary Numan, Juan Atkins von Cybrotron und New Wave Bands wie Devo: „Aber natürlich haben auch Funkbands auf mich einen großen Einfluss, beispielsweise Parliament/Funkadelic und ganz besonders die Gruppe Ebonee Webb“, so Egypt über seine musikalischen Vorbilder. Seine eigene Philosophie ist gleichzeitig ein Ratschlag an aufstrebende Nachwuchsmusiker. „Es ist egal, was du an Technik zur Verfügung hast. Hol das Maximale aus der Technik und deinem Talent raus und präsentiere dich den Leuten. Warte nicht. Selbst wenn du nur Fruity Loops oder ein paar Smartphone-Apps hast. Arbeite damit und hole alle raus. Erklimme die nächste Stufe und die wird dann auch besseres Equipment bringen.“
Bei der Frage, mit welchen Künstlern er am liebsten zusammengearbeitet hat, muss Egypt nicht lange überlegen. „Definitiv meine Homies Rodney O & Joe Cooley. Wir hatten im Studio immer eine Menge Spaß.“ Seinen DJ-Stil bezeichnet Egypt selbst als „Tape-Edit-Style“, was bedeutet, dass er die Technik der schnellen Wiederholung einzelner Songphrasen per Kassetten auf die Arbeit mit zwei Plattenspielern überträgt. Egyptian Lovers Mix-technische Alleinstellungsmerkmale als DJ sind das tempogenaue, manuelle rückwärts Abspielen und Mixen (Motor off) von Schallplatten in Kombination mit seinen Crossfader-Delay-Backspins (dreifache Wiederholung einzelner Songabschnitte). Aber auch reguläre Crossfader-Delays (Phrasenwiederholung durch zwei identische, zeitlich versetzt abgespielte Platten) setzt er in seinen DJ-Sets äußerst gerne ein.
Zukunftsmusik
Egyptian Lover hat bereits drei neue Singles in Arbeit. Die dafür geplanten Titel sind „Everything she want`s“ (Wham Cover), „The World keeps turning“ (feat. Newcleus) sowie eine weitere Single mit dem Titel „Let`s Freak“ auf der B-Seite. Dieses Lied ist ein Vorausschau auf das kommende Album des Electrofunk-Großmeisters.
„Mein nächster Longplayer wird in logischer Abfolge 1986 heißen und somit die Album-Triologie vollenden.“, so Egypt im Telefoninterview. „Wir haben bereits zwei Electrofunk-Songs der kommenden LP vollendet. Allerdings werde ich dem nächsten Album mehr in die Funkrichtung im Prince-Stil gehen. In der Art, wie ich das 1986 bereits auf meiner Single Freakaholic getan hatte. Geplant ist die LP für den Sommer 2020“, so Egyptian-Lover. Die echten Fans wird`s sicher freuen.
In the Mix …
Egyptian Lovers DJ-Set, das ich für diesen Artikel analysieren werde, ist seine Boiler Room LA Performance aus dem Jahr 2014. Diese Darbietung eignet sich perfekt dazu, seinen DJ-Stil zu erklären. Let’s go!
- 00:07 Kraftwerk „Numbers“, 1981
- 02:47 Afrika Bamaataa & Soul Sonic Force „Planet Rock“, 1982
- 10:03 Twillight 22 „Electric Kingdom“, 1984
- 13:58 Grandmaster Flash & The Furious Five „Scropio“, 1982
- 17:11 Grandmaster Flash & The Furious Five „The Message II (Survival)“, 1982
- 19:22 Reggie Griffin & Technofunk „Mirda Rock“, 1982 22:55 Kraftwerk „Tour de France“, 1983
- 25:10 Egyptian Lover „Dance“, 1985
- 27:18 Kraftwerk „The Telephone Call“, 1986
- 29:42 Uncle Jamms Army „Dail a Freak“, 1983 (Start Live-Set/Ende Intro DJ-Set)
Dramaturgisch betrachtet
Auf sehr geschickte Weise erzeugt Egypt eine geheimnisvolle und fast mystisch Stimmung, indem er das Outro des Songs „Numbers“ von Kraftwerk durch Rückwärtsabspielen zur Einleitung seines Sets umfunktioniert. Einen ersten Spannungsimpuls kreiert er anschließend durch seinen Übergang auf die Orchester-Hits des „Planet Rock“ Intros. Die Aktivitätsrate bei seinen Sets ist generell sehr hoch, denn mindestens alle dreißig Sekunden führt Egypt eine seiner vielen Mixing- oder Scratching-Aktionen aus. Das sichert ihm während seiner gesamten DJ-Performance die volle Aufmerksamkeit des Publikums.
Für einen ersten Höhepunkt und Aha-Effekt sorgt er bei 08:39, indem er eine Planet-Rock-Version rückwärts spielt und diese mit der vorwärts gespielten Nummer zusammenmischt. Er schafft es, diesen Klimax sogar noch zu steigern, indem er den nächsten Song von Twillight 22 „Electric Kingdom“ taktgenau in die rückwärts gespielte Planet-Rock-Scheibe mixt. Im gesamten Set sind gezielt eingesetzte Backspins, Rhythm-Scratches, Crossfader-Delay-Backspins und dergleichen zu hören, um die Grundspannung der Musik aufrechtzuerhalten.
Trotz seines Synthesizer-lastigen Electrofunk-Sounds klingt die Twillght 22 dank der entspannten Rap-Vocals relativ warm und organisch. Doch bevor die Musik für die Zuhörer zu gemütlich wird, legt Egypt den Schalter um und wechselt per Crossfader-Hardcut auf das durch seine Vocoder-Vocals etwas düster und kühl wirkende „Scorpio“ von Grandmaster Flash & The Furious Five. Die durch den Song erzielte etwas „sterile“ Atmosphäre lockern Jamie Jupitor und Egyptian Lover bei 16:14 mit einer Mitmach-Tanzeinlage überraschend auf und erzeugen damit einen vorübergehenden Stimmungshöhepunkt.
Bei 17:11 wechselt er geschickt zum Song „The Message II“, das auf dem gleichen Beat wie „Scorpio“ basiert, aber durch die Rap-Vocals einen frischen „Flavor“ in den Mix bringt. Aber da es im Text von „The Message II“ bekanntermaßen um die harte Realität auf der Straße geht, sollte man dieses Lied in einem Partyset nicht zu lange abspielen. Das weiß auch Greg Broussard und bevor die fröhliche Stimmung des Publikums umschlägt, leitet er bei 19:22 zu „Mirda Rock“ über. Dieser Song löst die zuvor gezielt erzeugte Anspannung mittels Novelty-artiger Vocal-Passagen und einer verspielten Funk-Instrumentierung auf.
Um die musikalischen Gehörgänge seines Publikums im Anschluss wieder zu „reinigen“, mischt Greg Broussard bei 22:55 das minimalistischere „Tour de France“ von Kraftwerk hinein. Der Wechsel auf das Intro seinen eigenen Songs „Dance“ weckt bei 25:59 die Neugier des Publikums auf die bald folgende Live-Performance. Gleichzeitig animiert der Lover sein Publikum durch die Wiederholung der Phrase „Dance little Girl“ zum Tanzen. Die Überleitung zum Song „Telephone Call“ von Kraftwerk bei 27:18 kreiert einen Aufmerksamkeits- und Spannungs-Boost. Denn ab 29:04 wird das Kraftwerk-Lied durch gezielte Rhythm-Scratches mit dem ersten Song seiner Live-Performance „Dail a Freak“ thematisch verbunden. In beiden Liedern geht es schließlich ums Telefonieren und in beiden Songs sind typische Telefongeräusche zu hören. Damit schafft er es, sich die nötige Aufmerksamkeit des Publikums zu sichern und bei 29:42 nahtlos in seine Live-Performance überzugehen.
Mix-Analyse PDF
Resümee
Von Egyptian Lover kann man lernen, wie man sich auch noch nach über 30 Jahren im Musikgeschäft behaupten kann. Wie er das macht? Trotz vieler Höhen und Tiefen verlor er nie sein Durchhaltevermögen und blieb seiner Linie immer treu. Auch schnelllebige Trends beeindruckten ihn nie. Greg Broussard konzentriert sich stattdessen eher darauf, seine Skillz zu optimieren und in seinem Segment der Beste zu sein. Hinzu kommt sein guter Geschäftssinn. So setzt er gezielt und erfolgreich auf Selbstvermarktung ohne Mittelsmänner und mithilfe des Internets. Und da er seine Fans genau kennt, weiß er auch bestens, was diese von ihm erwarten. Egyptian Lover bedient seinen Markt sehr gezielt und macht auf diese Weise nicht nur seine treue Fangemeinde, die seine Shows besuchen und seine Tonträger kaufen, glücklich. Lang lebe der „Electro-Pharao“!