Praxis
Equipment
Da Steve Aoki auf Reisen viel Zeit im Tour-Bus verbringt, hat er sich dort ein Studio eingerichtet, um immer und überall arbeiten zu können. Im Zentrum seines mobilen Studios schlägt das Herz eines Power Macs. Als weitere Hardware für unterwegs hat er sich einen MIDI-Controller von Novation zugelegt, den Remote 25 SL Compact und eine Apogee Duet Soundkarte. Zum Abhören schwört der energiegeladene Kalifornier auf den aktiven Nahfeldmonitor BM6A MKII von Dynaudio. Als Bildschirm nutzt er einfach den Flat Screen seines Fernsehgerätes im Tour-Bus.
Dieses Set-Up ist für Steve Aoki optimal, um auch auf Reisen zu komponieren, Stücke zu editieren und erste Ideen zu skizzieren, wie er selbst in einem seinen Videos „On Tour“ verrät. Dort erfahren wir auch, dass er fast alle seine Songs mit der Produktionssoftware Logic Pro macht und das seine beiden Lieblings-Plug-Ins von Native Instrument kommen: Massive und Razor. Mit diesen Software-Synthesizern erzeugt Aoki genau die Sounds, die er und seine Fans so lieben.
Doch Steve hat natürlich auch ein „Homestudio“, das Dim Mak Studio. Dort nutzt er beispielsweise den Mackie Big Knob und ein Apogee Ensemble Firewire-Audiointerface, wovon du dich hier überzeugen kannst. Das Gerät, was direkt oberhalb seiner Computertastatur liegt, ist ein MC Mix Controller von Euphonix. Links daneben steht der M-Audio Trigger Finger MIDI-Controller und auf der Ablage neben seiner Monitorbox ist noch ein Boss OS-2 Overdrive Distorsion-Pedal zu erkennen, was eigentlich ein Effektpedal für Gitarristen ist. Und Gitarren mag Aoki, wie auf diesem Bild zu sehen, wo er in seinem Studio eine „Fender American Ash Telecaster“ in den Händen hält …
Wenn er als DJ gebucht wird, legt Steve Aoki grundsätzlich mit zwei Pioneer CDJ 2000, einem Pioneer DJM Nexus 900 Mixer und einem Rane SL 3auf. Essentiell ist bei seiner Liveshow zudem ein schnurloses Mikrofon, wie wir seinem Techrider entnehmen können.
Mix
Zeit für Action: Jetzt schauen und hören wir uns an, wie Steve Aoki auflegt. Dazu inspizieren wir sein „Neon Future Set“ vom 20. Juli auf der Main Stage beim diesjährigen Tomorrowland Festival.
Playlist:
00:00 Steve Aoki – Neon Future ft. Empire Of The Sun
05:13 Steve Aoki vs Garmiani vs Kanye West – Bring You To Power
07:57 Borgore – Last Year (Steve Aoki Mainstage Remix)
10:55 Linkin Park & Steve Aoki – A Light That Never Comes (Vicetone Remix)
12:24 Linkin Park & Steve Aoki – A Light That Never Comes (twoloud Remix)
14:23 Steve Aoki & Afrojack – Afroki ft. Bonnie McKee
18:01 Steve Aoki, Chris Lake & Tujamo – Boneless (Simon Says Edit)
22:02 Steve Aoki vs Showtek – Back To Earth ft. Fall Out Boy/Raise Your Hands/Slow Down (Aoki Edit)
25:26 Felix Cartal & Autoerotique – HEAT
28:38 Steve Aoki – Rage The Night Away ft. Waka Flocka Flame (Steve Aoki Extended Edit)
31:10 Steve Aoki, Diplo & Deorro – Freak ft. Steve Bays
33:33 The Chainsmokers – # SELFIE (Botnek Remix)
34:52 Steve Aoki – Free The Madness ft. Machine Gun Kelly
37:04 Steve Aoki & Tony Junior – Lightning Strikes ft. Nervo
38:48 Afrojack & Steve Aoki – No Beef ft. Miss Palmer
43:09 Steve Aoki & R3hab – Flight
46:20 Moxie – I Love It When You Cry (Steve Aoki Remix)
50:01 Kid Cudi – Pursuit of Happiness (Steve Aoki Remix)?
Der erste Blick auf die Playlist zeigt, dass Steve Aoki in erster Linie eigene Tracks auflegt. Von insgesamt 18 Nummern sind immerhin 12 Eigenproduktionen, gefolgt von drei Aoki Remixen und einem Mashup, an dem er auch beteiligt ist. Bleiben noch gerade mal zwei Songs übrig, und die sind auf seinem Label Dim Mak erschienen.
Dramaturgisch betrachtet …
… könnte man fast sagen, Steve Aoki ist der Gotthilf Fischer unter den Producer-DJs, denn er weiß auf jeden Fall, wie und wo man in einer Produktion Vocals platziert, um maximale Stimmung zu erzeugen. Ganz offensichtlich hat er auch große Freude daran, Stimmen einzusetzen, denn diese (inklusive der eigenen) ziehen sich wie ein roter Faden durch seine gesamte Show. Wenn Du also beim Raven gerne mitsingst, wirst du bei einer Aoki-Show voll auf deine Kosten kommen. Siehe hierzu 40.46, 45.00, 53.34 oder 54.54.
Das Set beginnt Steve Aoki mit seinem energetisch eher sanften, dafür emotionalen und atmosphärischen Vocal-Track „Neon Future“, der einen sogleich animiert, im Takt hin und her zu schaukeln oder die Arme (mit oder ohne Länderflaggen) in der Luft zu wiegen. Auch die Bass Drum klingt noch ziemlich soft und warm. Nach etwa zwei Minuten kommt es zum ersten Spannungsaufbau und bei 2.15 kickt der erste fette Bass rein und hebt die Stimmung auf das nächste Level. Gefolgt von einem starken Synthie-Leadsound geht es zehn Sekunden später nun so langsam zur Sache. Aber Aoki ist Profi genug, um zu wissen, das es die Spannung erhöht, wenn er das Tempo nochmal drosselt, anstatt munter voranzupreschen. Bei 2.45 nimmt er die Beats raus und lässt eine schöne melodisch tönende Vocoder-Stimme aufsteigen, die anrührende Dinge wie „Turn your light on“ und „Save your soul“ singt – und das Publikum in harmonischer Euphorie badet.
Der zweite Höhepunkt, der eine erneute Steigerung einleitet, beginnt etwa bei 5.45, als Aoki zum ersten Mal sein Publikum anspricht: „Hello Tomorrowland, make some fuckin noise…“ gefolgt von einem kleinen Loop-Gewitter, das in unglaublich phatten und deepen Beats mit einer intensiven metallischen Synth-Hookline mündet (siehe 5.58). Jetzt beginnt die Masse, so langsam zu brodeln. „Oho, yeah yeah, oho…“, eine seiner Methoden, die Spannung zu steigern ist eine stetige Intensivierung des Sounds, unterbrochen von kurzen, klanglich warmen Momenten, häufig mit Vocals (siehe 10.56), die einen guten Kontrast zu den schrilleren, aufpeitschenden Tönen liefern. Außerdem sind seine Rhythmen nicht durchgängig „Four to the Floor“. Es gibt viel Abwechslung durch Breaks und rhythmische Variationen wie Crossover-Beats oder Dubstep (siehe 42.30).
Die DJ-Trickkiste
Was die DJ-Trickkiste beim Auflegen angeht, ist Steve Aoki vor allem ein Wizard am Pioneer-Mixer. Dort gibt es durch die Kombination verschiedener Rhythmus- und Klangfarben-Effekte viele kreative Möglichkeiten. Ansonsten verlässt sich Aoki auch gern auf kleinere Loop-Gewitter, Rolls, „Sounds verhallen lassen“ und jede Menge EQ-Einsatz. Seine Übergänge variieren von einfachen, schnellen Cuts mit dem Crossfader bis hin zu „filmreifen“ Blenden. Natürlich lässt er sich es auch nicht nehmen, Rhythmen aufzubauen, das Tempo zu steigern und dann abzufeuern. Die Magie von Aoki liegt in seinem Talent als Entertainer (siehe 44.38 oder 48.41) und Produzent. Zum einen ist er eine charismatische Bühnenfigur, die die Rolle des Katalysators gut ausfüllt. Zum anderen hat er ein ziemlich gutes Gespür dafür, wie er sein Publikum emotional berühren und mitreißen kann. Außerdem ist die Auswahl seiner Sounds sehr speziell:
Immer wieder ertönen metallisch anmutende Klänge (siehe 30.51) und die Grundstimmung hat was von einer gelungen Melange inklusive Pop-, Rock- und Crossover-Elementen, der ein ziemlich präsenter und wortgewaltiger Aoki als Frontmann voransteht ( siehe 27.50). Wenn er nicht gerade mitsingt oder als MC seine Fans antreibt, setzt er seine Stimme auch immer wieder als Moderator ein, beispielsweise um neue Stücke anzukündigen (siehe 37.03). Die vom Publikum so heiß ersehnten Torten („Hey what’s wrong with you, Cake me!“) fliegen in diesem Set das erste mal bei 21.00 und nochmal kurz vor Schluss (siehe 55.35, 55.45 usw.). Der Auftritt von Aoki endet in einer süßen Schlacht mit viel Schweiß und Sahne …
Und wenn du es noch genauer wissen möchtest, findest du hier ein Tracklisting-PDF zum Download, in dem ich die einzelnen Übergänge und Mix-Tricks aufgeführt habe.
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Resümee
Steve Aoki ist ein sehr ehrgeiziger DJ, der schon allein dafür Respekt verdient, dass er sehr hart arbeitet, um seine Ziele zu erreichen. Wenn du es dem aufstrebendem Entrepreneur gleichtun möchtest, solltest du folgende Eigenschaften mitbringen: Eine Vision, Gründerspirit, etwas Startkapital, ein gutes Team, viel Ehrgeiz, einen starken Willen und eine gute körperliche Konstitution – drei Shows am Tag sind kein Zuckerschlecken und nicht jeder Körper gibt sich mit wenig Schlaf zufrieden. Es sei denn, du bist ein Meister in der Kunst des Powernappings. Hilfreich ist es auch, wenn du über eine bodenständige Natur verfügst und nicht anfällig bist für Drogen und Alkohol. Charaktere mit Suchtpotential sind in dieser Branche leider stark gefährdet. Und dann bedarf es natürlich noch der Leidenschaft für diese Art von Musik, der Freude am Singen und animieren sowie eines guten Ohrs für Sounds. Dann heißt es ausprobieren und üben, üben, üben … und ganz viel Arbeit und Zeit reinzustecken, denn es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Dabei solltest du jedoch vor allem eines nicht vergessen: „Have Fun !“ … um es mit den Worten von Steve Aoki zu sagen.
pettersson sagt:
#1 - 13.04.2020 um 13:28 Uhr
Wie peinlich.