Avid hat die S6-Konsole der Presse vorgestellt – wir von bonedo waren natürlich dabei, um das Mischpultsystem in Augenschein zu nehmen und einem ersten kleinen Test zu unterziehen: Bei Black Box Music in Berlin stand die erste Control-Surface bereit, um angefasst und bedient zu werden. Avid hatte zudem einige firmeninterne Fachleute zusammengetrommelt und auch per Skype zugeschaltet, um Details zu erläutern und auf Fragen einzugehen. Dass das auf Eucon aufbauende S6-System nicht nur erwartet, sondern geradezu ersehnt wird, erkennt man sicher nicht zuletzt an der Anzahl der Vorbestellungen: 100 Stück! Ob S6 also die Icon in den Schatten stellen wird, die mit über 5000 verkauften Einheiten ein weltweiter Erfolg war?
Betrachtet man das Konzept, erscheint dies durchaus möglich: Basierend auf zwei verschiedenen Grundkonfigurationen, ist S6 modular aufgebaut. Die Konsole kann also mit den Ansprüchen, Notwendigkeiten und auch dem Budget des Users mitwachsen. Doch der Reihe nach: Das Unternehmen Euphonix ist bekanntlich von Avid aufgekauft worden, mit ihm zusammen auch die Eucon-Technologie, auf der das System 5 basiert. Nichts lag für Avid also näher, als mit dem zur Verfügung stehenden Know-How und den Erfahrungen aus Icon und System 5 einen neuen Controller zu entwickeln, welcher sowohl die besten Features verbindet als auch auf aktuelle Bedürfnisse der User eingeht.
Sicherlich das Merkmal, welches am meisten Aufsehen zu erregen weiß, ist die Modularität des Systems. Zwischen zwei sogenannten Main-Engines kann gewählt werden, der S6 M10 und der S6 M40. Abhängig von dieser Wahl ist die Anzahl und auch die Art der nutzbaren Module. Beide Mastermodule verfügen jedoch über eine ähnliche Ausstattung. So ist der 21,1”-Touchscreen zentraler Bestandteil, von ihm aus können sehr viele Steuerungen übernommen werden – etwa EQ-Settings, wobei die Multitouch-Fähigkeit des Systems hier besonders gut zum Tragen kommt: Man kann also mehrere Punkte gleichzeitig anfassen und verändern. Doch natürlich gibt es noch mehr, etwa Touch-Displays in Smartphone-Größe und ein großes Jog-Rad – dies sind teilweise Bestandteile des Automation-Moduls, welches zwar nicht zwingender, aber doch sinnvoller Bestandteil des S6-Systems ist.
An ein M10 können neun, an ein M40 ganze 41 Module angeschlossen werden. Was erstsaunlich erscheint, aber durchaus logisch ist: Jedes dieser Module ist ein eigener kleiner Computer (mit eigener Rechenleistung natürlich) und einem eigenen Netzwerkanschluss. Ein defektes Modul kann somit einfach abgemeldet werden, ein neues oder vielleicht nur anderes Modul an einer Stelle kann einfach eingesetzt werden.
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Vier verschiedene Module für jeweils acht Kanäle stehen zur Verfügung, von denen das vielleicht interessanteste den M40-Besitzern vorenthalten bleibt: Das S6-Display-Modul ist – ebenfalls ein eigenständiger Rechner – mit einem großen Display ausgestattet, welches für das Visual Feedback genutzt wird. Neben Routing-Anzeigen, Trackbezeichnungen und natürlich schnellem, hochauflösendem Metering kann ein besonderes Feature genutzt werden: Es zeigt vertikal (!) laufend die Wellenformen aus Pro Tools an. Zwar kann die S6 mit allen Eucon unterstützenden Programmen betrieben werden, die Wellenformdarstellung ist jedoch Pro-Tools-Nutzern vorbehalten. Offenbar beschränkt sich die Darstellung auch auf das, was die DAW im Edit-Fenster anzeigt, Inputs, virtuelle Instrumente und Returns müssen sich also mit dem üblichen Metering zufrieden geben.
Das S6-Drehgeber-Modul kommt mit geschlagenen 32 Encodern mit eingebauten LEDs sowei 32 OLED-Displays und 88 Tasten mit ebenfalls farbigen LEDs. Und “Farbe” ist das Stichwort, denn ein Großteil der Übersichtlichkeit des Pultes wird der Farbwahl zugeschrieben, welche natürlich mit der Software identisch ist. Weniger Drehgeber und Displays, dafür umso mehr Taster bietet das Process-Modul: Hier sind pro Kanal ein OLED-Display und ein Multicolour-LED-Drehgeber vorhanden, dafür aber ganze 22 Taster mit LEDs. Die maximale Ausbaustufe liegt momentan bei einem 64-Fader-System, unterstützt werden neben den vielen Avid-Systemen auch Maestro, Final Cut, Logic, Sonar, Sequoia, Pyramix, DP und Cubase/Nuendo. Zum Lieferumfang eines S6-Systems gehört übrigens das XMON S6 Monitoring-System, alle notwendigen Kabel sowie der Rahmen, die Zubehörliste fängt mit Monitorarmen und Lautsprecherhaltern an und endet mit Blindplatten zur Abdeckung sowie Manuskripthaltern und verschiebbaren Tastaturhaltern.
Doch natürlich stand die S6 in Berlin nicht einfach herum und konnte begafft werden, vielmahr war jeder Gast dazu eingeladen, sie zu bedienen. Als tatsächlich außerordentlich praktisch erweist sich die stringente Farbdarstellung. Das zentrale Touch-Pad erleichtert die üblichen Aufgaben immens, ist aber gleichzeitig klein genug, um nicht nervig den Blick zu verbauen. Sollte es der Blick auf den Pro-Tools-Screen sein, kann ich versichern, dass er mit der S6 immer seltener wird. Einerseits ermöglicht die Wellenformdarstellung eine ausreichende Orientierung, über typische Mischpultfunktionen wird man sehr gut und klar informiert und kann diese auch einfach steuern. Auch die Bearbeitung von Plug-Ins funktioniert im Grunde ohne einen Blick in das Handbuch oder eine Einweisung. Ebenfalls nicht unwichtig für den täglichen Betrieb: Die Konsole ist klein genug, um auch im Sitzen bedient zu werden. Bei manchen früheren Bediensystemen bekam man geradezu Rückenschmerzen, weil man sich immer weit in die Mischpultoberfläche hineinbeugen musste, um Parameter zu verändern. Insgesamt macht Avids S6 eine hervorragende Figur und hat augenscheinlich einen guten Start hingelegt. Die ersten Systeme befinden sich momentan in der Auslieferung.