Um Bändchenmikrofone ranken sich einige Mythen. Diese Sonderlinge unter den Mikros gelten als sehr empfindlich und technisch unzulänglich, doch wird den Ribbons ein unnachahmlich “runder” und “warmer” Sound nachgesagt.
Der Legendenbildung kann man harte Fakten entgegensetzen: Wir zeigen einfach und verständlich auf, was Fabel und was Wirklichkeit ist.
Was sind Bändchenmikrofone? Welches Bändchenmikro soll ich kaufen? Was ist der Unterschied zwischen einem aktiven Bändchenmikrofon und einem passiven? Die Antworten gibt es in unserem Kaufberater Ribbon Mics.
Mythos 1: Ein Bändchen klingt immer angenehm.
Kein Mikrofon klingt immer passend für alle Situationen, Instrumente, Musikstile und Hörgewohnheiten. Anders als Kondensatormikrofone schaffen es die meisten Bändchenmikros nicht, die absoluten Höhen besonders gut aufzunehmen. Tatsächlich: Ribbons sind tendenziell eher höhenarm. Negativ ausgedrückt kann man sagen, sie klingen einfach nur dumpfer, positiv formuliert lässt sich der gelieferte Sound als warm bezeichnen. Dabei klingen diese Mikrofone anders, als wenn man mit einem EQ einfach nur die Höhen wegdreht: Dadurch, dass (anders als bei den meisten anderen Mikrofonen) die schwingende Fläche nicht rund ist, sind die Schwingungsmuster unterschiedlich – das eigentliche Ribbon ist üblicherweise ein zieharmonikamäßig gefaltets Aluminiumbändchen. Durch die geringe bewegte Masse reagieren Ribbons dennoch fein auf kleinste Schwingungen und sind bei weitem nicht so behäbig wie die dynamischen Tauchspulenmikrofone.
Ebenfalls zu beachten ist, dass die meisten Ribbons für eine sehr starke Bassanhebung sorgen, wenn die Schallquelle ihnen sehr nah ist – das nennt man „Nahbesprechungseffekt“ (im Audiobeispiel ist es auch die jeweilige Richtcharakteristik, die für Unterschiede sorgt). Was bei Vocals für einen unfassbar warmen, nahen Sound sorgen kann, kann im Rahmen eines Mix selbstverständlich auch unangenehm sein: Ein Mehr an Bass wirkt wie ein Weniger an Höhen. Der Abstand zum Mikrofon ist bei Bändchen wesentlich für die Klanggestaltung! Auch klingen natürlich nicht alle Bändchenmikrofone gleich – über die Jahre hat es eine große Entwicklung gegeben, manche modernen Bändchen-Mikros klingen im Vergleich zu den Klassikern geradezu offen, ja fast schon spritzig!
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Mythos 2: Ein Bändchen ist sehr empfindlich.
Stimmt. Zumindest prinzipiell: Anders als die eher robusten Membranen von dynamischen Tauchspulenmikrofonen kann das teilweise nur wenige Mikrometer dicke Bändchen schnell reißen. Vor Stößen und Stürzen sollte man Mikrofone selbstverständlich grundsätzlich bewahren, doch die häufigste Gefahr lauert woanders: Die Unsitte, in ein Mikrofon zu pusten, kann bei Kondensatormikrofonen im schlimmsten Fall zum Funkenüberschlag führen, bei Bändchenmikrofonen läuft man Gefahr, dass es zu einem Reißen des namensgebenden Stückes Metall kommt. Alles, was mit einer zu heftigen Wellenfront auf das Mikro zurast, kann ihm gefährlich werden. Besonders ältere Bauformen sind teilweise so empfindlich, dass die Hersteller davon abraten, sie zu schnell zu bewegen! In diesem Jahrtausend geht es aber offenbar auch anders: Von Beyerdynamic etwa gibt es mit demV90r sogar ein Bändchenmikrofon für Vocals auf der Bühne, also dort, wo von starken Popplauten durch nahe Besprechung und ruppiger Behandlung auszugehen ist!
Zwei weitere Punkte sind zu beachten: Die in den Mikrofonen verwendeten Magnete sind oft recht stark und der Magnetspalt natürlich für Luft zugänglich. Magnetisierbare Staubpartikel können sich ablagern, was zu Funktionseinbußen oder sogar Defekten führen kann. Man ist also gut beraten, Bändchenmikrofone (wie andere tontechnische Werkzeuge natürlich auch) vor Staub zu schützen. Besonders alte und klassische Ribbons lagert man zudem möglichst mit senkrechtem Bändchen, damit dieses nicht nach einiger Zeit durchhängt.
Eine weitere Gefahr kann die bei den meisten Kondensatormikrofonen notwendige Phantomspeisung sein. Zwar fließt bei dieser kein Strom, doch falls es doch einmal auch nur für einen Moment passieren sollte – etwa durch ein fehlerhaftes Kabel, nicht gleichzeitig hergestellten Kontakt beim Stecken oder Abziehen – dann kann das Bändchen sehr schnell so heiß werden, dass es Schaden nimmt! Es helfen sogenannte Phantom Blocker (von Triton oder Cloud beispielsweise) oder auch entsprechende Vor- und Umsicht im Umgang mit Bändchen. Neuerdings sind auch aktive Bändchen verfügbar, welche andersherum Phantomspeisung zum Betrieb benötigen, da sie einen eingebauten kleinen Amp besitzen, der die 48 Volt als Spannungsversorgung benutzt.
Mythos 3: Ein Bändchen benötigt einen sehr guten Mikrofonvorverstärker.
Zunächst: Ein guter Mikrofonvorverstärker ist eigentlich immer sinnvoll. Bei Bändchenmikrofonen gilt das jedoch ganz besonders: Die Spannung, die das Bändchen selbst im Magnetfeld erzeugt, ist irrsinnig gering – kein Wunder, denn es bewegt sich im Schallfeld nur minimal! Alle Ribbon-Mikrofone sorgen per Übertrager für eine Erhöhung der Ausgangsspannung. Doch oft genug ist diese immer noch winzig. Beim Coles 4038, einem Uralt-Konzept, beträgt diese gerade einmal 0,56 mV/Pa, das ist sogar im Vergleich mit vielen Tauchspulenmikrofonen ein Witz! Aufgrund der geringen Empfindlichkeit muss ein Mikrofonvorverstärker oftmals weit über 60 dB Gain bereitstellen, möglichst sogar noch weitaus mehr. Dies sollte er jedoch keinesfalls mit einer Rauschorgie verbinden. Man ist also gut beraten, zumindest keinen qualitativ minderwertigen Preamp zu verwenden. Wer seinem Mikrofon etwas Gutes tun will, der könnte sich einen Preamp anschaffen, der einen Ribbon-Mode besitzt oder sogar direkt für die Verwendung mit Bändchen konzipiert wurde. Besonderheiten hier: Hohes Gain, Rauscharmut, keine Phantomspeisung und oftmals eine höhere Eingangsimpedanz, was bei Ribbons besonders vorteilhaft ist.
Mythos 4: Bändchenmikrofone sind hoffnungslos veraltet und nur etwas für Vintage-Phantasten.
Wenn dem so wäre, würde das für alle Mikrofone gelten. Fast alle Mikros, die in der Tontechnik zum Einsatz kommen, beruhen auf Prinzipien, die alle über ein halbes Jahrhundert alt sind. Wirklich bahnbrechende Erfindungen hat es seitdem nur noch sporadisch gegeben, Mikrofone gelten generell als so gut wie „ausentwickelt“. Es gibt einige Hersteller, die forschen und ihren großen Erfahrungsschatz nutzen, um Mikrofone haltbarer und einfacher nutzbar zu machen und die technischen Werte und den Klang immer weiter zu verbessern. Im Bereich der Bändchenmikrofone werden oft die Produkte amerikanischer Hersteller genannt. Aber wer kennt nicht die geflügelten Worte „Warum in die Ferne schweifen, wenn Heilbronn doch liegt so nah?“ Doch, tatsächlich: Einer der traditionsreichsten Hersteller von Bändchenmikrofonen kommt aus der Stadt am Necker und hört auf einen Namen, den sicher jeder kennt: Beyerdynamic! Heute in erster Linie bekannt für Kopfhörer wie den DT 100 und DT 770, haben die Württemberger viele Beiträge zu heutigen Standards geleistet. So gehen zum Beispiel das erste Funkmikrofon, aber auch die erste Serienproduktion von dynamischen Mikrofonen und Kopfhörern auf das Konto der schon 1924 gegründeten Firma. Neben dem M 500 sind es besonders das seit 1960 ohne nennenswerte Veränderungen gebaute M 160 in Hypernierencharakteristik (was für Bändchen unüblich ist, da diese in ihrer Grundform immer eine Acht besitzen) und das M 130, das Achtercharakteristik besitzt. Anders als viele heutige Ribbons – und erst recht als andere aus dieser Zeit! – ist das Bändchen-Wandlerprinzip von außen kaum zu erkennen: Sie sehen aus wie Bühnen-Tauchspulenmikrofone. Die typischen Probleme von Bändchen sind mittlerweile annähernd unbedeutend geworden, der charakteristische Grundklang eine Facette, auf die zu verzichten sich kaum ein Studio leisten will. Es gibt mittlerweile die Verbindung von alter und neuer Technik: Mit dem Beyerdynamic V90W und dem RM 510 gibt es sogar Bändchen-Funkmikrofone!
Ihr seht: Bändchenmikrofone sind interessante Werkzeuge – und liefern viele Gründe, sich genauer damit zu beschäftigen!
Natural Sounds sagt:
#1 - 26.07.2013 um 14:56 Uhr
»Kein Mikrofon klingt immer passend für alle Situationen, Instrumente, Musikstile und Hörgewohnheiten.«
Da möchte ich widersprechen. Ein gutes Mikrofon sollte für alle Aufnahmesituationen geeignet sein. Mikrofone die nur für einen Zweck geeignet sind, sprechen wohl für die mangelnden Fähigkeiten des Herstellers.So bekommt man schon ein gefärbtes Signal, was oft kaum noch zu retten ist.
Schoeps Mikrofone sind gerade wegen ihres eigenschaftslosen Klanges ideal. Nur so bekommt man ein unverfälschtes Basissignal. Damit lässt sich wunderbar arbeiten.
BonedoMalte sagt:
#2 - 29.07.2013 um 14:35 Uhr
Hey Natural Sounds, vielen Dank für deinen Input! Da gibt es natürlich ganz viele unterschiedliche Meinungen. Wahrscheinlich kommt es darauf an was man sucht. Ein charakteristischer Klang kann gerade im musikalischen Kontext durchaus auch mal erwünscht sein. Ein möglichst neutrales Mikro ist aber natürlich ein praktischer Teil des Studio-Fuhrparks.
RecordingHans sagt:
#3 - 31.07.2013 um 18:37 Uhr
@ Natural Sounds also würdest du für jeden Einsatzbereich immer dasselbe Mikro benutzen? Also ich bin ganz froh eine Auswahl zu haben und die auch einzusetzen. Es ist auch toll ein SM 57 an Snare, Gitarre, Amps universal dran setzen zu können andererseits möchte ich zum Beispiel ein Großmembrammikrofon nicht gerade in meiner Bass sitzen haben. Da greife ich doch lieber zu einem Beta 52...