1. Viele Fliegen mit einer Klappe
Ganz gleich, ob das Gespräch mit einer Schülerzeitung oder einem TV-Sender stattfindet, ein Medium bietet dem Musiker immer die Möglichkeit, mit nur einem Gespräch viele Menschen zu erreichen. Dieser Chance sollte er sich stets bewusst sein. Ein Mikrofon ist ein Multiplikator, der direkte Draht zu diversen möglichen Fans. So gilt es, sich auf diesen Multiplikator einzustellen. Das betrifft beispielsweise die Sprache. Die Sparte des Mediums bestimmt die Sprache, die der Musiker wählen sollte. Handelt es sich um ein Gitarren-Magazin kann der Saitenmann nach Herzenslust fachsimpeln, handelt es sich um eine Tageszeitung, sollte er dagegen jegliches Fach-Chinesisch vermeiden. Kraftausdrücke werden in der Regel weder bei privaten noch öffentlichen Medien gesendet oder gedruckt – es sei denn, sie stammen von Ozzy Osbourne.
2. Vorbereitung und Hilfsmittel
Etliche Standard-Fragen tauchen in jedem Interview auf. So interessieren sich Journalisten häufig für den Namen der Band. Es ist also nützlich, eine möglichst interessante oder zumindest witzige Story zur Namensfindung parat zu haben. Das gleiche gilt für die Songtexte, nach denen gerne gefragt wird. Die Band sollte zu jedem Text ein paar Sätze sagen können. Gern genommen wird auch die Frage nach der Geschichte der Kapelle: Wie und wo haben sich die Gründungsmitglieder getroffen? Warum entschied sich die Band für ihren musikalischen Stil? Wieso wählten die Musiker ein bestimmtes Image? Zu diesen Standard-Themen sollte sich die Band vorher Antworten zurechtlegen. Natürlich muss den Medien zuvor die Musik geschickt werden, ob per CD, MP3 oder Stream spielt keine Rolle. Zudem sollte jede Gruppe Fotos von sich haben, die sie dem Journalisten in die Hand drücken oder mailen kann. Unterschätzt die Möglichkeiten guter Band-Fotos nicht – habt ihr professionelle Fotos, sind die Chancen wesentlich höher, dass eure Story z.B. im Fachmagazin einen größeren Umfang erhält oder ihr unter Umständen sogar auf dem Titel landet. Spart also nicht am falschen Ende und zieht einen professionellen Fotografen, der mit euch zusammen ein Shooting-Konzept entwickeln wird, der eigenen, kleinen Digi-Knipse vor. Ferner sollte man auch über eine schriftliche Band-Biografie verfügen. Diese müsste dem Fragenden vorher zugehen, damit er einen Eindruck von der Band gewinnen kann. Die Bio hilft zudem, das Bild zu vermitteln, das die Musiker gerne in den Medien präsentiert hätten. Bio und Foto sind somit wichtige Hilfsmittel für beide Seiten.
3. Von Körpersprache und Sonnenbrillen
Für dich ausgesucht
Auch wenn es schwer fällt, bitte versteckt euch nicht hinter verschränkten Armen und übergeschlagenen Beinen.
Die Körperhaltung sollte offen sein. Der Musiker hat immerhin einen Vorteil: er muss nicht den ersten Schritt machen, er kann auf die Eröffnungsfrage warten. Sonnenbrillen sind (zumindest bei Interviews) nicht besonders zweckmäßig. Die Augen sind ein wichtiger Teil der Kommunikation. Blicke können vielsagend sein – diese Möglichkeit sollte man nicht blockieren.
4. Der Journalist, das unbekannte Wesen
Viele Journalisten sind Idealisten. Bei zahllosen Online-Magazinen, aber auch einer wachsenden Zahl von Printmedien werden (leider) keine Honorare gezahlt. Der Autor arbeitet für das Magazin, weil er Spaß an Musik oder Journalismus hat. Manchmal sind die Journis gehemmt oder aber sie reden zu viel, haben komische Ideen oder sind total neugierig – all diese „Macken“ gilt es zu erkennen und dabei das Ziel (siehe Punkt 1) nicht aus den Augen zu verlieren. Will jemand allzu Überraschendes wissen, kann man sich mit einem Lächeln und dem Spruch „Gute Frage!“ etwas Luft verschaffen.
5. Keine Diskussionen anzetteln!
Wer sich auf womöglich hitzige Diskussionen einlässt, verschwendet wertvolle Interviewzeit und riskiert zudem noch eine vergiftete Gesprächsatmosphäre. Viel mehr Sinn macht es, sich auf die Kernpunkte der Band (siehe 2., 6. und 7.) zu besinnen und diese anzusprechen. Der Musiker sollte möglichst auch keine Gegenfragen stellen (es sei denn, sie dienen zum Verständnis der Frage). Gegenfragen bergen die Gefahr, sich vom Sinn und Zweck des Interviews zu entfernen. Es geht schließlich darum, eure Band publik zu machen.
6. Was könnte den Fan interessieren?
Aus Gesprächen mit Anhängern weiß der Musiker oft schon, was seine Band interessant macht. Sind es die fantasievollen Masken, bestimmte Textzeilen, exotische Instrumente oder wilde Erlebnisse auf Tour? Spricht der Journalist diese Punkte nicht von sich aus an, sollte man die Gelegenheit suchen, diese im Interview unterzubringen. Sie sorgen dafür, dass der Beitrag am Ende farbiger und interessanter wird.
7. Die Sache mit der Message
Hat die Kapelle eine bestimmte Botschaft (etwa für Umweltschutz, gegen Ausländerhass, gegen Tierquälerei oder ähnliches) sollte sie in der Lage sein, das Thema von mehreren Seiten zu beleuchten. Stumpfe Prinzipienreiterei ist öde. Die Band (oder der Einzelmusiker) sollte ihren Standpunkt begründen und mit Argumenten belegen können – das erhöht die Glaubwürdigkeit. Generell sollten Musiker nicht in jedem Interview den gleichen Wortlaut wählen, sondern ihre Sätze variieren – sonst lesen sich hinterher alle Artikel gleich (und man klingt schnell wie Paris Hilton, wo alles und jeder nur noch „hot“ ist). Wer viele Interviews gibt, muss aufpassen, dass er sich nicht wiederholt – sonst droht Langeweile. Man kann das Pferd auch mal von hinten aufzäumen – und trotzdem zum selben Schluss kommen. Häufig gleiten Interviews auch zu Fragen der Zeit wie Politik, Religion, Mode etc. ab. Hat der Musiker eine Meinung, kann er sie kurz und knackig äußern, aber diesen Nebenaspekt keinesfalls auswalzen. (siehe 5.)
8. Ein Lob der Langsamkeit
Für die meisten Anfänger dürfte die Interview-Situation stressig sein. Ist auch der Journalist nervös, steigt die Anspannung sogar noch. Hier gilt es Ruhe zu bewahren, durchzuatmen und laaangsam zu sprechen (natürlich nicht unterwegs einschlafen). Wer langsam redet, hat mehr Zeit zum Nachdenken. Je durchdachter die Sätze sind, desto eindrucksvoller kommt eure Band rüber.
9. Journalisten lieben Geschichten
Die allermeisten Musiker die ich interviewen durfte, entpuppten sich als gute Geschichtenerzähler – und das gilt keineswegs nur für Sänger und Lead-Gitarristen, die ja oft extrovertierte Naturen sind. Jeder Songtext, sei er noch so minimalistisch, sollte eine Geschichte erzählen. Auch für Interviews sind interessante Geschichten und Erlebnisse perfekt, Journalisten lieben Stories. Keinesfalls sollten Rocker auf Fragen nur mit Ja oder Nein antworten, sondern immer vollständige Sätze formulieren. Merke: Jede Frage gibt euch Gelegenheit, euch selbst darzustellen und ins rechte Licht zu setzen.
10. Die richtige Atmosphäre
Wenn möglich sollten Bands für ihre ersten Interviews eine vertraute Atmosphäre wählen. Getränke anzubieten ist ebenfalls kein Fehler, der Griff zum Glas kann Bedenkzeit bringen. Es mag vielleicht viel verlangt sein, aber ein Lächeln und ein Scherz zu Beginn lockern alle Beteiligten auf. Noch etwas: Meiner Erfahrung nach bringt es nichts, wenn eine komplette Band zum Interview erscheint. Oftmals blockieren sich die Mitglieder gegenseitig, der Redefluss stockt. Deshalb schlage ich vor, dass die beiden eloquentesten Musiker diesen Job übernehmen – damit kommen deutlich bessere Resultate zustande.