Bandmitglieder vorstellen: Ja oder Jein?

An der Frage, ob man die Bandmitglieder on stage vorstellen soll oder nicht, scheiden sich die Geister. Das sagen ein Jazzcellist, ein Metaldrummer und ein Popbassist zum Thema:

Foto: Shutterstock, Christian Bertrand, Tigercats @ Heineken Primavera Soundfestival, Barcelona, Spain
Foto: Shutterstock, Christian Bertrand, Tigercats @ Heineken Primavera Soundfestival, Barcelona, Spain

“Es ist total genreabhängig: im Metal wird das überhaupt nicht gemacht: Die Bands sind Einheiten und es gibt kaum Subs, weil es nicht gerne gesehen wird. Ganz anders als beim Jazz. Da ist es normal und Subs werden auch vorgestellt. Oft gibt es auch die Situation, dass der Sänger/die Sängerin die ganze Band vorstellt und sich selbst nicht, sondern nur am Ende nochmal sagt: Wir sind die Band XY, danke und tschüss. Es ist einfach komisch, wenn sich der Sänger/die Sängerin nach der Runde selbst vorstellt {…} Bei einer Rockband funktioniert das besser. Vielleicht kann man sagen, dass je freier die Musik ist, desto sinnvoller und passender ist es, die Band vorzustellen?! Letztlich kommt es drauf an, wie man das verkauft – es ist imageabhängig.”
“Ich finde, das ist ein Zeichen von Wertschätzung gegenüber den Bandmitgliedern. Und erklärt quasi dem letzten im Publikum, dass die Musik auf der Bühne live ist und die Band in Zeiten von Halb- und Vollplaybacks nicht nur rumhampelt. Man muss die Vorstellung der Bandmitglieder allerdings cool einbauen und nicht alle der Reihe nach. So nach dem Motto: “Ich stelle euch jetzt meine Band vor” – je nach Konzertrahmen, Situation und Gelegenheit kurz vorstellen. Dagegen spricht meiner Meinung nach – wenn es elegant gemacht ist – nichts.”
“Ich bin auf jeden Fall dafür, nur mit dem Vornamen und auch lieber hintereinander, also an einer Stelle im Set, als an verschiedenen Stellen (zum Beispiel nach einem Solo)….Ich habe schon viele verschiedene und kreative Möglichkeiten erlebt. Auch mal längere und witzige Vorstellungen, was man so auf Tour erlebt hat. Das Ganze kann sehr unterhaltsam sein…Die Frontperson sollte es machen, denn darum geht es ja schließlich: dass man seine Mitmusiker ehrt und ihnen dankt und nicht abhängig von einem Solo á la ‘jetzt bin ich dran und haue nochmal einen raus und zeige, was ich alles kann’.”

A N S A G E N machen

Da dieses Wort bei vielen LeserInnen sehr viele verschiedene Assoziationen hervorruft, widme ich diesem Wort einen Absatz. Für mich ist es jedes Mal wieder erstaunlich und spannend mitzuerleben, wie viel diese wenigen Augenblicke ohne Musik doch über die Person, die gerade spricht, aussagen. Dass der Inhalt des Gesprochenen dabei am wenigsten ins Gewicht fällt, hat sich ja mittlerweile herumgesprochen. Und das sogar in einem fast erschreckend klaren Verhältnis:
70 % – Wie wurde es gesagt : 30 % – Was wurde gesagt. Um das schon mal vorwegzunehmen: Bei der Vorstellung der Bandmitglieder solltet ihr euch dieser Relation bewusst sein. Teilt also dem Publikum die Namen eurer Bandmitglieder nicht nur auf einer rein informativen, sachlichen Ebene mit, damit die Bandvorstellung ein Erfolg wird.
Aber auf welche Aspekte kann man konkret achten, damit die Vorstellung der Bandmitglieder gelingt?

1. Wahrnehmung hochfahren

Zunächst bitte Antennen und Fühler ausstrecken. Damit ihr spontan und schlagfertig sein könnt, müsst ihr voll und ganz im Hier und Jetzt sein. Nicht an den vergangenen Song denken, sich nicht vor dem schwierigen Ton gleich in der Bridge fürchten und auch nicht darüber nachdenken, ob es dieser einen wichtigen Person da vorne im Publikum gefällt.
Diese Grundvoraussetzung muss gegeben sein, nur dann entsteht eine Strahlkraft, die es über die Bühnenkante bis hinten in die letzte Reihe schafft. Dann seid ihr bei euch und habt im Herz und Kopf Kapazität, um mit euren Bandmitgliedern und dem Publikum zu interagieren und in einen intensiven Austausch zu gehen. Wenn ihr loslasst, um euch genau auf diese spannende Kommunikation einlassen zu können, entsteht eine Atmosphäre, in der ihr euch wohlfühlt und nicht nach richtigen, teils gezwungen, angestrengt witzigen Worten suchen müsst. Jede Stimmung in euch hat ihre ganz eigene Qualität, ist gleichberechtigt wertvoll. Habt das immer im Hinterkopf!

2. Geschichten erzählen

Hier liegt die Betonung auf dem Verb “erzählen”. Es ist wichtig, dass ihr erzählt und nicht auswendig gelernte, seit Jahren angewandte Anekdoten über die Person verbalisiert.
Bei jedem Konzert der Band “Mumford & Sons”, das ich besucht habe, hatte der Kontrabassist “zufällig” Geburtstag. Ein paar charmante und persönliche Worte des Sängers und schon stimmt das ganze Publikum ausnahmslos “Happy Birthday To You” an. Jeder weiß danach, das die “menschengroße Gitarre” ein Kontrabass ist und – noch viel wichtiger – kennt den Namen der Person, die sie spielt.
Man kann aber auch Persönliches erzählen, zum Beispiel dass gerade jemand aus der Band Papa geworden ist oder ganz schlicht und romantisch wie schön es ist, zusammen unterwegs zu sein, Musik zu machen und Menschen wie ihr über Jahre (Jahrzehnte) dabei seid und zu den Konzerten geht (Arnim von den Beatsteaks auf dem “Lollapalooza” 2017). Dabei kann man einzelnen Bandmitgliedern mehr Raum und Aufmerksamkeit schenken, als für sonst oft da ist.
Denkt daran: Die Menschen sind für euch gekommen, sie interessieren sich für euch. Besonders Ansagen bieten eine tolle Chance, das Publikum emotional noch mehr an sich zu binden und Sympathie zu gewinnen.

3. Vorsicht vor zu langer Lobhudelei

Achtung: Es ist schön, wenn man Menschen gefunden hat, mit denen man nicht nur auf einer Wellenlänge ist, sondern auch sehr gut Musik machen kann. Das kommt nicht oft vor und jeder, der jemanden gefunden hat, mit dem das so ist, sollte dies wertschätzen und dankbar dafür sein.
Es sollte aber bei der Vorstellung desjenigen nicht in einer Kette von adverbialen Superlativen münden. Das wirkt in den meisten Fällen aufgesetzt und unglaubwürdig, als wolle man auch dem letzten da draußen unter die Nase reiben, wie lieb man sich hat.

4. Applaus annehmen!!!

Bei Konzerten fällt mir regelmäßig auf, wie selten Musiker und Musikerinnen einfach nur dastehen, ins Publikum lächeln und sich darüber freuen, dass das, was gerade passiert ist, gefällt. Stattdessen wird ein schüchternes “Danke” über die Lippen gehaucht oder genickt, auf den Boden, um sich herum oder nach hinten geschaut, Wasser getrunken, auf die Setlist geschaut, mit dem Bandkollegen gequatscht und schon mal die Gitarre gestimmt, damit bloß keine Stille, geschweige denn peinliche Pausen entstehen. Genießt den Moment, der euch so viel (zurück) gibt und euch zum Beispiel lästige und mühsame Booking-Verhandlungen vergessen lässt. Das ist die Tankstelle und um auftanken zu können, muss man nun einfach mal stehen bleiben und nichts tun.

5. Sprachverständlichkeit

Sprecht die Vor- und Nachnamen eurer Bandmitglieder langsam, gut verständlich und vor allem überzeugend und souverän aus, sonst bekommt keiner mit, wer der Mann, der das Schlagzeug so geil spielt, eigentlich ist. Und das Potenzial ist verpufft.
Unterschätzt dabei nicht die Wirkung eurer Körpersprache und -haltung. Macht Gesten, die proportional zu eurer Körpergröße und Bühnengröße sind. Gesten, die nicht zu Ende oder zu unorganisch ausgeführt werden, lassen euch sehr unsicher in eurer Haut aussehen – auch wenn ihr es gar nicht seid.
Überlegt euch außerdem, wo ihr bei der Vorstellung stehen wollt. Haltet einen angenehmen Abstand (Privatsphäre) ein, damit ihr flexibel bleibt und eure Position beliebig wechseln könnt.

6. Dramaturgie

Überlegt gemeinsam mit der Band, an welcher Stelle im Set eine Bandvorstellung dramaturgisch gut passt und sinnvoll ist. Seid euch darüber im Klaren, dass eine Bandvorstellung auch Tempo rausnehmen kann.
Vereinbart unbedingt mit der Band, wie es nach der Vorstellung weitergeht. In den Schlussapplaus den nächsten Songtitel zu rufen, wäre zwar ein eindeutiges Zeichen für die Band, ich frage mich aber dann immer, wie viele es eigentlich interessiert, wie der nächste Song heißt. Das kann man ab und zu mal machen, aber wenn man es zu oft macht, wirkt es eher unbeholfen und einfallslos.

7. Spannungsbogen halten

Wenn ihr euch dazu entschieden habt, die Band nacheinander vorzustellen, steht derjenige, der die Ansage macht, vor einer nicht einfachen Aufgabe. Ich habe schon oft erlebt, dass die Bandmitglieder der Reihe nach mit Vor- und Nachnamen aufgezählt wurden und es viel zu lange Applaus-Pausen gab, sodass bei dieser achtköpfigen Band die Bläser leider kaum mehr Applaus abbekommen haben.
Ein Fauxpas, der immer wieder begangen wird und wirklich unangenehm ist. Der Applaus sollte jeden Namen lautstark tragen können. Passt beim nächsten Mal Sprechtempo und -pausen an die voraussichtliche Applauslänge an. Normalerweise hat man nach den ersten Songs ein Gefühl fürs Publikum: Ist es eher verhalten oder euphorisch?! Die Applauslänge und -dichte können euch dabei helfen, es herauszufinden.

8. Ansagen gehören nicht in den Proberaum?!!

Ich kann mich an ein paar Situationen im Proberaum erinnern, als wir unser Set geprobt und über Übergänge gesprochen haben. Manchmal brauchen einzelne Bandmitglieder vor bestimmten Songs Zeit, um ihr Instrument umzustimmen, Sound-Hilfsmittel neu zu justieren oder ähnliches. Dann fällt oft der Satz des Sängers/der Sängerin: “Ja ich mach’ dann an der Stelle einfach eine etwas längere Ansage, das mache ich spontan.”
Leider sind die meisten von uns aber nicht die Auskunftsfreudigsten, zumindest nicht auf der Bühne, und besonders nicht, wenn man was sagen muss.
Da kommt dem ein oder anderen dann der “spontane” (weil einem gerade spontan nichts Besseres einfällt) Einfall bei der Gelegenheit die Bandmitglieder vorstellen zu können, um auf diese Weise die Leerlaufzeit zu überbrücken.
Und genau das funktioniert erfahrungs- und erwartungsgemäß überhaupt nicht.
Übt also eure Ansagen im Proberaum. Überlegt, was für das Publikum interessant sein könnte und habt einzelne Schlagwörter im Kopf, die ihr dann auf der Bühne zu vollständigen Sätzen formuliert (Lest dazu den aufschlussreichen Bonedo-Artikel über die perfekte Ansage).
Es ist und bleibt ein schwieriges Thema.
Ich wünsche euch originelle und fantasievolle Ideen, die bei der Umsetzung besser aufgehen als erwartet.
Barbara
P.S.: Achtet mal bei eurem nächsten Konzertbesuch auf die Ansagen anderer Sängerinnen und Sänger: Wie viele Ansagen gibt es, wie lang wird gesprochen? Werden die Bandmitglieder alle nacheinander vorgestellt oder einzeln an bestimmten Stellen? Wirken die Ansagen spontan oder eher auswendig gelernt und runter gerattert? Mit Leidenschaft, Energie und Lebendigkeit oder eher souverän und gefühlsneutral?

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