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Basics – Mastering #3

Mehr als die Summe der Einzelteile
Gute Songs gibt es viele –gute Alben hingegen durchaus weniger. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das „Gesamtkunstwerk Album“ im Idealfall mehr als die Summe seiner Einzelteile ist. Es gibt zu viele Alben, deren Songauswahl und -reihenfolge annähernd willkürlich wirken. Zwar muss natürlich nicht jedes gute Album auch ein Konzeptalbum sein, doch sollte es zumindest einen wie auch immer gearteten roten Faden geben. Überprüft mal euren musikalischen Fundus daraufhin!

Natürlich haben die Künstler einen enormen Einfluss auf das “Gesamtwerk Album”, doch auch im Mastering kann man auf manches Einfluss nehmen, was im Endeffekt dabei hilft, diese den einzelnen Songs übergeordnete “künstlerische Einheit” zu gestalten. Zwar ist das Album seit Einführung der Vinyl-Single und besonders seit der Möglichkeit zum MP3-Einzelerwerb auf dem absteigenden Ast, doch ist es immer noch das hauptsächlich wahrgenommene (und beworbene) Produkt.

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Beispiel für ein gelungenes Compiling: Trotz immens unterschiedlicher Songs wirkt das Album sehr einheitlich.
(Faith No More – King For A Day, Fool For A Lifetime)

Wer die Wahl hat…
Stellt euch einen Maler vor, der eine Ausstellung macht. Es ist eine Sache, ein tolles Bild zu erstellen. Doch eine gesamte Ausstellung erfordert viel mehr: Natürlich müssen die Bilder generell zusammenpassen – wenn man es geschickt anstellt, können sie aber dennoch extreme Kontraste aufweisen. Außerdem müssen sie im Ausstellungsraum arrangiert werden. Das ist natürlich enorm schwierig. Zu diesem Zweck ist es angenehm, viel Material zur Auswahl zur haben. Deshalb ist es nicht übertrieben, wenn eine Band eine Albumproduktion mit 20 Songs startet. Dabei ist es nichts Ungewöhnliches, dass sich im Recording bei mindestens zwei Songs zeigt, dass sie nicht so performt werden können, wie es ursprünglich geplant war. Weitere drei Nummern gibt man vielleicht während des Editings oder im Mix auf. Sie müssen dabei natürlich nicht unbedingt in die berüchtigte “Tonne” wandern, sondern können möglicherweise im Proberaum einer Frischzellenkur unterzogen (oder schlicht und einfach noch ein paar Mal geübt) werden.

Mit 15 Titeln zur Auswahl gestaltet sich das Album-Compiling durchaus einfacher. Plattenfirmen sind aus gutem Grund oft nicht davon begeistert, ein Album aus 15 Songs von 77 Minuten Länge auf den Markt zu werfen. Kürzere Alben mit weniger Songs gelten als besser konsumierbar, insgesamt einprägsamer und sind nicht zuletzt preiswerter. Eene, meene, muh: Es sollen schon Tränen geflossen und Kaffeetassen geflogen sein, wenn ausgerechnet der Song dem Rotstift zum Opfer fallen sollte, der das tolle Gitarrensolo in Phrygisch, den ewig geübten Übergang mit dem anschließenden Septolen-Doublebassspiel, den Text für die erste Verflossene oder diesen in nächtlicher stundenlanger Kleinarbeit entstandenen “Knarz-Uiiiiiip”-Sound im Hintergrund beinhaltet. Auch in solchen Fällen bitte immer daran denken: Es geht nicht um Selbstdarstellung einzelner Musiker, sondern um ein gemeinsam zu schaffendes Werk! Allerdings gibt es auch eine Zwickmühle: Wenn vor dem Recording die Abfolge schon steht, müssen manche Songs aus dramaturgischen Gründen mit aufs Album – ob sie nun gut gespielt, aufgenommen und gemischt sind oder nicht. Die aus welchen Gründen auch immer auf dem Album nicht untergebrachten Songs ergeben häufig hervorragende B-Seiten oder Tracks, die online “verschenkt” werden können.

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Manchmal werden die B-Seiten sogar als “besser” empfunden, oft auch, weil sie experimenteller sind.
(hier: Single/B-Seiten-EP von Radiohead – No Suprprises / Running from Demons)

Skip oder nicht Skip, das ist hier die Frage
Um eine gute Dramaturgie zu erzielen, gibt es natürlich kein einfaches Kochrezept. Allerdings sollte beim „Anrichten“ versucht werden, sich in den Hörer eines Albums, bei entsprechend kommerziellem Interesse aber möglichst auch in den Interessenten oder einen “Entscheidungsträger” einer Plattenfirma, Konzertagentur, Presse und dergleichen hineinzuversetzen. Es gibt den sogenannten “Primacy”-Effekt, der besagt, dass wir Menschen das besonders gut behalten können, was einen Beginn markiert. Dazu zählen nicht nur die ersten Momente eines Tracks, Albums oder Konzerts, sondern auch Kinofilme oder ganz banale Dinge wie Unterhaltungen. Mit dem Sprichwort “der erste Eindruck zählt” hat dieser Effekt sogar Einzug in unsere Sprache gehalten. Der Anfang muss also sitzen. Und wenn nach zwanzig Sekunden bei Track eins immer noch nichts Wesentliches passiert ist, ist der Finger ganz schnell auf der “Eject”-Taste, im besseren Falle auf “Skip”. Aus diesem Grund ist der Beginn eines Albums häufig ein repräsentativer Querschnitt des Albums. Dass es auch ganz anders sein kann, beweisen viele Alben mit Intro. Ich jedoch fand– gerade im Metal und Hip-Hop –die nach einem opulenten Opener folgenden Songs eines Albums oftmals eher enttäuschend. Wenn ihr jetzt weniger an Alben als an Live-Auftritte denkt, liegt ihr gar nicht so falsch, denn auch hier gibt es Parallelen. Kaum eine Rockband würde ihr Konzert mit der einzigen Ballade beginnen –warum sollte das dann auf dem Album so sein? 

Bitte nicht außer Acht lassen: Es gibt zwar ein paar Regeln, die man einhalten sollte, doch die Kunst ist ja sehr gut darin, sich Standards einfach mal zu wiedersetzen. Stillstand ist der Tod und Kreativität entscheidet ebenfalls über den Erfolg. Zu meinen Lieblingsplatten zählen –wie vielleicht auch zu euren – trotz aller oben angestellter Überlegungen genau diese, die mit einem zehnminütigen, ätherischen Wubbel-Sound beginnen, der nach vier Minuten etwas schneller wubbelt und nach sechs wieder etwas langsamer (Ihr versteht mich doch hoffentlich…).

Langzeitwirkung alter Technik
Mal aufgefallen? Auf unseren Mobiltelefonen findet man fast immer Symbole mit Hörern, die wie beim alten Wählscheibentelefon “abgenommen” und “aufgelegt” werden. Auch die beiden Begriffe in den Anführungszeichen treffen heutzutage so ja nicht mehr zu. Falls ihr glaubt, dass sich hier ein paar falsche Texte in diesen Artikel gemogelt haben: Nein! Derartige Überbleibsel “alter” Technik finden wir auch beim Album-Compiling! Bei der Pressung von Vinyl gilt es nämlich unter anderem zu beachten, dass auf den inneren Rillen die Verzerrungen durch hochfrequente Signale zunehmen. Weil die Energie im oberen Frequenzspektrum und die Stärke der Transienten bei schnelleren Songs tendenziell höher sind, findet man gegen Ende der Seite A und der Seite B eher langsame und ruhigere Stücke, während der “Kracher” oft Song Nummer zwei oder drei ist. Da die Hörer in dieser Hinsicht fast schon “konditioniert” sind (also eine Art von “Standard-Vorstellung” eines Albumaufbaus haben), findet man diese Unterteilung in “Seite A” und “Seite B” selbst bei Produktionen, die nur auf CD oder als MP3 veröffentlicht werden. 

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Lustig: Bei diesem Album hört man bei der Hälfte das Abnehmen der Nadel, gefolgt von einer kleinen Pause und dem erneuten Aufsetzen auf “Seite B”.
(Bluetones – Expecting to fly)

Harmonische Abfolge –im wahrsten Sinne des Wortes
Es soll ja Bands geben, die alle ihre Songs „in E“ schreiben. Für alle anderen Fälle (und das sind hoffentlich viele!) gilt zu beachten, dass es eine große Wirkung haben kann, in welchem Intervall der Grundton eines nachfolgenden Songs steht.

Steht er in der gleichen Tonart kann es bestenfalls passieren, dass er schlüssig folgt und Zusammengehörigkeit suggeriert wird –er kann aber auch als Anhängsel in der Belanglosigkeit versinkt. Die Wirkung eines Songs, der “so richtig aufmachen” soll, kann komplett verpuffen, wenn er in einer im Zusammenhang ungünstigen Tonart steht. Allerdings kann auch genau das Gegenteil eintreten: Bei geschickter Wahl kann das Album durch den nächsten Song einen enormen Boost erhalten! Hinweis vor allem an die “bösen” Musiker unter euch: Grundtöne, die zueinander im Tritonus oder der großen Septe stehen, können eine enorme Spannung aufbauen –und auch lange halten!

Nicht vergessen sollte man, dass die Wirkung eines Songtempos nicht absolut ist, sondern immer auch relativ zum vorangegangenen Song. 150 bpm können erstaunlich lahm wirken, wenn der Titel davor 155 bpm hatte! 

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