Noch nie war Homerecording so einfach und so günstig wie heute! Ein Computer bzw. Laptop oder ein Tablet befindet sich wohl in jedem Haushalt. Alles, was man nun noch benötigt, ist ein einfaches Audiointerface, mit dessen Hilfe sich der Bass mit dem Computer verbinden lässt. Auch hier ist man bereits mit ca. 50,- Euro dabei. Ein großer Vorteil der meisten Audiointerfaces ist, dass sie die nötige Software gleich mitliefern. Das gilt für die sogenannte DAW wie auch für Plugins. Fast schon Standard ist, dass zumindest eines dieser Plugins eine Amp- und Boxen-Simulation (engl. „Amp & Cab Sim“) ist. Mit dieser erhalten wir also einen digitalen Bassverstärker samt Bassbox und Mikrofonen. Schnell stellt man jedoch für gewöhnlich fest, dass die Gleichung „Plugin anschalten = alles klingt gut“ nicht so einfach funktioniert. Für den Traum-Basssound bedarf es dann meist doch etwas Know How und Erfahrung im Umgang mit der Software. Dafür sollen euch heute unsere Tipps zu Amp / Cab Sim Plugins für Bass dienen!
- Was versteht man unter DAW / Plugins / Amp bzw. Cab Sim?
- Amp / Cab Sim Plugin laden
- Amp und Cab Sim Plugins: Die Aufnahmespur doppeln
- Presets bei Amp / Cab Sim Plugins: Freund oder Feind?
- Amp / Cab Sim Plugins: Auswahl der Boxen und Mikrofone
- Gain und Volume bei Amp Sim Plugins
- Amp / Cab Sim Plugins: Beim Recorden nicht “bassistisch” denken!
Was versteht man unter DAW / Plugins / Amp bzw. Cab Sim?
DAW: Kurz für „Digital Audio Workstation“, also die zentrale Software, in der sämtliche Audio- und MIDI-Spuren, virtuelle Instrumente und Effekte zusammengeführt und bearbeitet werden können. Im Prinzip ist es wie eine Bandmaschine mit unzähligen Spuren plus ein enorm umfangreiches Mischpult. Die DAW dient auch als Host (= Wirt) für sogenannte Plugins.
Plugins: Dies sind zum Beispiel Effekte oder virtuelle Instrumente, welche in den „Wirt“ geladen und dort benutzt werden können. Plugins können auch von Drittanbietern stammen. Dank gemeinsamer Schnittstelle kommunizieren DAW und Plugins reibungslos miteinander.
Amp Sim: Wie der Name bereits andeutet, sind Plugins dieser Art digitale Simulation eines Verstärkers und dessen klanglichen Eigenschaften. Die grafische Benutzeroberfläche gleicht dabei in der Regel der des modellierten Verstärkers und erleichtert daher den Zugang enorm.
Cab Sim: Analog zur Amp Sim simuliert sie das klangliche Verhalten eines Lautsprechers bzw. einer kompletten Box. In die Praxis wird dies mithilfe einer typischen Equalizer-Kurve eines Speakers simuliert oder über sogenannte IRs (Impuls-Resonanzen). Dies ist das deutlich aufwendigere, aber im Ergebnis auch wesentlich authentischere Verfahren. Wer hier genau wissen möchte, was dahinter steckt, dem empfehlen wir diesen äußerst lesenswerten Artikel.
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Amp / Cab Sim Plugin laden
Die beliebtesten DAWs sind Cubase, Logic, Pro Tools, Studio One, Reaper etc. Aber ganz egal, welche man benutzt: In allen muss man erst einmal eine oder mehrere Audiospuren für unseren Bass anlegen. Ich nutzte Studio One, da sieht das so aus:
Ich habe mich hier sogar für gleich zwei Spuren entschieden – warum, sehen wir später noch. Auf eine der beiden Spuren lade ich nun das Plugin der Amp-Simulation. Meinem mobilem Audiointerface (UAD Volt 2) liegt das Ampeg SVT von Plugin Alliance bei.
Dieses hat zwar nur einen eingeschränkten Funktionsumfang, das kann aber auch durchaus ein Vorteil sein. Ich persönlich habe lieber weniger Optionen und kenne mich damit aus, als zu viel Auswahl zu haben und mich zu verzetteln. Das führt nämlich häufig dazu, dass man mehr Zeit mit Ausprobieren verbringt als mit dem eigentlichen Arbeiten!
Falls du noch kein Audiointerface besitzt aber darüber nachdenkst, hier sind ein paar preiswerte Kandidaten inkl. Amp-Sim Plugins:
Amp und Cab Sim Plugins: Die Aufnahmespur doppeln
Um auch alles in einem Mix beurteilen zu können, habe ich als Vorlage ein Rock-Guitar-Riff inklusive Drumbeat angelegt. Jetzt geht es an die Aufnahme meines Basses. Dafür aktiviere ich die entsprechende Spur („scharfschalten“). Dies wird meist durch einen roten Knopf dargestellt. Nur die scharf geschalteten Spuren nehmen auch auf. So kann versehentlich nichts gelöscht werden!
Um mir alle Freiheiten zu lassen, habe ich den Bass direkt in den Instrumenteneingang des Audiointerface aufgenommen. So findet keine Färbung im Vorfeld statt. Diese ist zwar nicht per se schlecht, für unsere heutigen Zwecke ist aber eine neutrale Ausgangsbasis besser.
Für diesen Rock-Track habe ich mich für einen Precision Bass entschieden. So klingt das Signal ohne jegliche Bearbeitung:
Als nächstes kopiere ich die Audiodatei auf die zweite Spur. Dies tue ich, um mir im Anschluss sämtliche Möglichkeiten offenzuhalten.
Das reine Signal der Amp Sim lässt für meine Ohren leider mitunter etwas an Direktheit und Attack vermissen. Das kann ich danach aber mithilfe der zweiten Spur wieder hinzumischen, um einen Ausgleich zu erzielen. Das muss nicht immer der Fall sein, aber die Option sollte man sich nach Möglichkeit schon offenlassen. Natürlich kann man die zweite Spur je nach Geschmack ebenfalls mit Plugins wie Kompressor, Equalizer etc. bearbeiten, um ein noch besseres Ergebnis zu erzielen.
Nun lade ich das Plugin Alliance Ampeg SVT VR Classic. Nach einigem Probieren bin ich für diesen Track bei folgenden Einstellungen gelandet: Gain ist voll aufgerissen, Volume zur Hälfte. Das ergibt einen leicht verzerrten und fetten Sound!
Ein bisschen Attack und Brillanz vermisse ich aber! Leider ist dies nicht mit dem Höhen-Regler zu erreichen. Dieser greift bei einer anderen Frequenz und macht die Sache in diesem Fall eher unangenehm.
Daher kommt nun die zweite Spur ins Spiel! Bei ihr habe ich einen Low Cut gemacht, also die Bässe abgesenkt. So verhindere ich, dass es zu Mulm im Bassbereich (Low End) kommt.
Für meine Ohren klingt das schon eindeutig besser! Im Prinzip verfahre ich mit dem Amp umgekehrt zu einem Verzerrer-Effektpedal: Dort wird häufig das Low End clean gelassen und die Hochmitten bzw. Höhen verzerrt. Am Ende wird dann beides wieder zusammengemischt.
Bei einer Amp Sim (vor allem von Vollröhren-Amps) möchte ich persönlich aber die Charakteristik und die Wucht eines Amps erhalten und ihn nicht als Pedal missbrauchen.
Presets bei Amp / Cab Sim Plugins: Freund oder Feind?
Das Leben könnte so einfach sein: Plugin laden, Preset (also einen vom Hersteller selbst erstellten voreingestellten Sound) nach dem eigenen Geschmack auswählen – und der Sound steht! Ich persönlich habe aber dieses Glück lieder noch nie gehabt! Ich besitze einiges an Amp Sim Software und habe auch viele weitere getestet – noch nie konnte ich ein Preset wirklich gebrauchen.
Wohlgemerkt, ich rede hier nur von meinen eigenen Erfahrungen! Falls hier jemand Glück hatte, Herzlichen Glückwunsch! Es sind aber auch einfach zu viele Variablen im Spiel: Da wäre das Instrument, der Anschlag (Finger, Pick, weich, aggressiv …), persönlicher Geschmack etc.
Wurde zum Beispiel das Preset „Heavy Rock 3“ mit einem Music Man Stingray erstellt und ich spiele aber einen Precision Bass, ändern sich natürlich unweigerlich die Regeln. Dort, wo der Stingray seine kräftigen Mitten hat, ist nämlich beim P-Bass fast nichts, denn hier liegen sie in einem anderen Frequenzbereich!
Natürlich denkt man, dass die Presets von Profis erstellt wurden, die wissen, was sie tun. Passen die Presets nicht zu mir, mache ich bestimmt etwas falsch. Neenee, man selbst ist der Boss! Hier benötigt man einfach etwas Selbstbewusstsein und Experimentierfreude. Wie man klingen möchte, weiß man nur ganz allein – also besser seinem eigenen Geschmack und seinen eigenen Ohren trauen!
Amp / Cab Sim Plugins: Auswahl der Boxen und Mikrofone
Nahezu sämtliche Amp Sim Plugins bieten (zumindest in der Vollversion) eine große Auswahl an verschiedenen Boxen und Mikrofonen. Dies kann schon etwas einschüchternd wirken, denn man bekommt es plötzlich mit Begriffen wie SM 57, RE 20, U47, A 414 oder ähnlichem zu tun – allesamt Kürzel für die Modellnamen legendäre Mikrofone.
Bei den Boxen sieht es häufig ähnlich umfangreich und kryptisch aus. In manchem Plugin darf die Namen der Boxen genannt werden, während sich ein anderer Hersteller mit Verklausulierungen zufriedengeben muss, was nur noch mehr verwirrt.
Kennt man sich mit diesen Mikrofonen bzw. Boxen und deren Charakteristika aus, dann hilft das natürlich enorm. Aber die wenigsten User haben wohl schon viele Jahre in einem Studio verbracht – hier kann man sich also schnell überfordert fühlen.
Daher sollte man einfach ganz selbstbewusst Mikros und Boxen durchklicken und frei nach Gusto auswählen – egal, was da steht oder ob man weiß, was es bedeutet. Klingen muss es! Und ganz wichtig: Boxen und Mikros immer im Mix auswählen und erst dann entscheiden!
Gain und Volume bei Amp Sim Plugins
Der größte Teil der Amp Sim Plugins zielt auf die bekannten Vollröhren-Klassiker ab, wie zum Beispiel den Ampeg SVT. Diese haben (wie alle Amps) einen Gain- und einen Master- (bzw. Volume-) Regler. Beide sind im Vergleich zu reinen Transistor-Amps auch die mächtigsten Klang-Regler.
Drehe ich den Gain auf, so wird der Sound bissiger, aggressiver und mündet letztlich in der Verzerrung der Vorstufe (Distortion). Drehe ich den Master-Regler auf, bringe ich die Endstufe in die Sättigung – eine schöne Kompression und milde Verzerrung (Overdrive) sind die Folge. Im richtigen Leben muss ich das eine Extrem dem anderen opfern, sonst wird es in der Regel viel zu laut. Wünsche ich Distortion, so muss ich den Master-Regler im grünen Bereich lassen, und umgekehrt.
In der digitalen Welt gibt es diese Einschränkung nicht. Nahezu alle Plugins haben am Ende noch einen zusätzlichen Lautstärke-Regler und zudem kann ich den entsprechenden Fader des virtuellen Mischpults nutzen, um das Level meines Basssignals wieder dem Rest anzupassen. Bevor man zur Klanggestaltung an den Equalizer denkt, lohnt es sich daher, zuerst mit Gain und Master herumzuspielen. Genau das habe ich in diesen drei Beispielen getan. Grundlage ist meine bereits vorhandene Bassspur:
Dazwischen liegen noch viele Feinabstufungen. Mit Gain und Volume hat man also schon eine ganze Klangwelt unter den Fingern!
Amp / Cab Sim Plugins: Beim Recorden nicht “bassistisch” denken!
Die Erfahrung hat sicher jeder schon einmal gemacht: Der Mega-Sound, den man daheim im Wohnzimmer eingestellt hat, funktioniert leider in der Band nicht. Frequenzen, die das Ohr eher beleidigen, sind manchmal eben genau diejenigen, welche uns im Mix hörbar werden lassen.
Gerade im Bereich der Hochmitten (ca. 1500 bis 2500 Hz) wird es schnell “giftig” und man neigt zum Absenken dieses Bereichs. Vor allem in einem rockigen Kontext sitzt hier aber ein großer Teil der Durchsetzungsfähigkeit.
Ähnlich verhält es sich beim Slapsound: Je nach Bass und Pickups ist hier ein Cut zwischen 350 und 800 Hz wohltuend. Was alleine gut klingt, kann aber schlimmstenfalls bewirken, dass man im Mix untergeht!
Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass man mit Amp Sim Plugins eher in die Extreme gehen kann und manchmal sogar muss, wenn man das gewünschte Ergebnis erzielen will. Der virtuelle Lautsprecher verformt den Sound ordentlich und ein ungewöhnlich starker Boost oder Cut gewisser Frequenzen ist oft notwendig.
In beiden Fällen muss man sich daher zwangsläufig vom gewohnten Umgang mit einem Amp und dessen Equalizer verabschieden. Dies fällt häufig nicht leicht und man scheut vor bestimmten Dingen zurück, da diese ja „sowieso nicht funktionieren können“. Der gesunde Pragmatismus eines Toningenieurs ist hier eher angebracht: Am Ende muss es gut klingen, der Weg dahin ist zweitrangig. Das kostet manchmal Überwindung, kann aber die Lösung sein!
Als Beispiel dazu dient ein Soul/R&B-Groove, den ich mit einem modernen aktiven Fünfsaiter eingespielt habe. So klingt es ohne jegliche Bearbeitung:
Hier hab ich mich für den Eden WT 800 Amp von Softube entschieden. Das Plugin hat den Vorteil, dass es mir neben den beiden Boxen gleichzeitig eine D.I.-Spur bietet. Ich mische die 1x15er-Box mit der D.I.
Die Anhebung der Höhen wäre mir in einem Bandkontext viel zu viel. Da drehe ich eher etwas heraus. Hier muss es aber fast sein, um einen modern-knackigen Fingerstyle-Sound zu erzielen:
Und hier das gleiche Playback mit einem Slapgroove. Zunächst wieder das nackte Basssignal:
Auch hier muss ich ordentlich Höhen anheben und auch sonst relativ stark den Equalizer bemühen, um einen modernen Slapsound rauszuholen:
Also: Nur Mut zu ungewöhnlichen Lösungen! Übrigens: Weitere Tipps zum Thema “Soundeinstellungen für E-Bass” findet ihr in diesen interessanten Artikel vom Kollegen Oliver Poschmann.
Viel Spaß beim Aufnehmen mit euren Amp- und Cab Sim Plugins und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt