Behringer 676 Test

Der Behringer 676 ist der nächste Streich von Robin’ Ulli und nimmt sich den mächtigen Universal Audio 6176 zur Brust. Dieser Mono-Channelstrip kombiniert dabei zwei legendäre Studioklassiker: den äußerst warm klingenden UA Röhrenvorverstärker 610 und den knackigen Urei FET-Kompressor 1176LN, verpackt in einem robusten 2-HE-Gehäuse – und verdammt identischen Layout.

Behringer 676 schräge Ansicht
Behringer 676 Test – Vintage Sound für China Budget ?

Mit dem 676 bringt Behringer die mit Abstand günstigste Variante des klassischen Signalwegs auf den Markt – und zielt auf all jene, die den Klang geliebter Vintage-Produktionen günstig reproduzieren wollen. Ob der 676 allerdings nur eine nostalgische Hommage oder gar ein wirklich ernstzunehmendes Profi-Werkzeug für das Studio und die Bühne ist, klärt dieser Test!

Highlights Behringer 676

  • Studio-Classics-Combo: 610 Tube Preamp & 1176 FET Compressor
  • Röhrensättigung mit musikalischem Charakter, Custom Midas-Transformatoren
  • extrem schnelles Gain Riding durch FET-Kompression
  • getrennte oder serielle Nutzung beider Sektionen möglich

Geschichte & Kontext

Der Röhrenvorverstärker 610 wurde in den 1960er-Jahren von Studio-Pionier Bill Putnam Sr. entwickelt – dem Gründer von Universal Audio und Vater moderner Studiotechnik. Seine diskreten, trafosymmetrierten Designs lieferten den Sound von Frank Sinatra, Ray Charles und den Beach Boys.

Später folgte der 1176LN – einer der ersten Solid-State-Kompressoren überhaupt sowie der faktisch meistgenutzte Dynamik-Prozessor “ever”. Geschätzt für seine aggressive, aber musikalische Kompression, die blitzschnellen Attack-Zeiten sowie seiner Möglichkeit zur kreativen Überkompression („All Buttons In“) wurde er zur “Weapon of Choice” für Vocals, Drums und Bässe.

2001 brachte Universal Audio dann den 6176 als Kombination beider Klassiker unter dem Label Vintage Channel Strip heraus. Und Behringer hat das Ganze nun ziemlich frech und günstig nachgebaut.

Behringer 676 Vintage Channel Strip 

Der Behringer 676 ist “Made in China” und in einem robusten 2-HE-Gehäuse untergebracht. Bereits optisch macht er eine äußerst souveräne Figur und damit Laune! Links befindet sich dabei der 610-Preamp, rechts entsprechend der 1176 Limiter/Compressor. Strom gibt es weltweit via IEC Anschluss, ein Hauptschalter samt großer Status-Lampe befinde sich auf der Front.

Split/Joint Ios
Für den Compressor und den Preamp gibt es getrennte I/Os.

Auf der Rückseite finden sich, wie auch beim Original, getrennte I/Os auf XLR für beide Parts. Mittels Split/Join-Kippschalter auf der Front können Preamp und Compressor aber ohne Umschweife auch intern verbunden werden. Ferner gibt es getrennte Eingänge für Mic und Line-Signale sowie eine Impedanz-Anpassung für den Kompressor-Eingang.

Classic Tube Preamp – Dynamic Gain

Im Universal Audio 6176 als auch im Behringer-Nachbau 676 kommt eine äußerst klassische Röhrenbestückung zum Einsatz: Die 12AX7 (ECC83) Doppeltriode sorgt dabei für die Hauptverstärkung und charakteristischen Röhrenklang, die folgende 12AT7 indes dient der Pufferung der Ausgangsstufe.

Der Preamp liefert so bis zu 62 dB Verstärkung. Mit der +15 dB starken Makeup-Gain-Stufe des nachgeschalteten 1176LN-Kompressors ergibt sich dabei eine gemeinsame Gesamtverstärkung von bis zu 77 dB.

Der High-Z Eingang auf Klinke dient dem DI-Anschluss von Gitarre und Co.

Das klangliche Zentrum des 676 liegt im dynamischen Gain-Staging, was über drei Bedienelemente erfolgt:

  • Der gerasterte Gain-Schalter bestimmt dabei die Stärke der Gegenkopplung – und damit, wie „clean“ oder „färbend“ der Sound ist.
  • Das große Level-Poti wiederum regelt feinfühlig den Ausgangspegel der Preamp-Sektion.
  • Ein Pad-Schalter mit -15 dB sorgt bei Bedarf für zusätzliche Pegelabsenkung vor der Verstärkung

Je nach Einstellung lässt sich der Sound so von neutral und offen bis hin zu warm, gesättigt und charaktervoll formen – weswegen der 610 seit jeher als flexibles Werkzeug geschätzt wird. Bereits diese drei Bedienelemente – Gain, Level und Pad – ermöglichen ein breites Spektrum an Farbe bzw. kreativer Auseinandersetzung mit dem Eingangssignal. Allerdings hat der 610 somit “clean” auch nicht besonders viel Gain-Reserven – aber bitte dabei nicht vergessen, wie alt dieses Design bereits ist.

Abgerundet wird die Preamp-Sektion durch klassische Studiostandards wie Phasendrehung und Phantomspeisung, sowie den fünfstufigen Eingangswahlschalter. Neben Mic-, Line- und Instrumentenbetrieb bietet dieser auch zwei umschaltbare Impedanzen für die Mikrofon- und Hi-Z-Quellen – ideal für weitere, klangliche Feinabstimmung oder den Betrieb empfindlicher Bändchenmikrofone.

Low & High Shelf

Ein Equalizer schließt sich an den Preamp an: Ein High- und ein Low-Shelf mit je maximal 9db Hub in beide Richtungen sorgen für flinke Klanganpassungen, wobei jeweils drei verschiedene Eckfrequenzen zur Auswahl stehen: konkret sind 4.5k, 7k und 10k für den Trebble möglich sowie 70, 100 und 200 Hz im Bass. Ein Low-Cut findet sich indes nicht.

1176 Compressor

Über den 1176 FET-Kompressor muss man eigentlich keine Worte mehr verlieren. Mit seinen knackigen Sound dank schneller Regelung ist er ein echtes Charaktertier, dass richtig aggressiv werden kann – dennoch bleibt er stets musikalisch und ist wirklich flink bedient. Ein echtes Allround-Werkzeug eben, für moderne und klassische Produktionsumgebungen gleichermaßen.

Jaja, das Logo ist verkehrt herum – aber das hab ich auch schon bei sehr hochpreisigen Geräten gesehen!

Mit einer extrem schnellen Attack-Zeit von 20 bis 800 Mikrosekunden lassen sich Transienten punktgenau formen – von sanftem Pegel-Glätten bis zu gnadenlosem Punch. Die einstellbare Release-Zeit von 50 bis 1100 Millisekunden ermöglicht indes eine feinfühlige Anpassung der Dynamikbearbeitung an verschiedenstes Audiomaterial.

Auch ein klassisch gestaltetes VU-Meter im Vintage-Look darf nicht fehlen, und zeigt hier wahlweise den Preamp-Level, die Gain Reduction oder eben den Ausgangspegel. Das sieht nicht nur wichtig aus, sondern liefert beim Arbeiten echten Mehrwert!

Kurz um: ob sanftes Leveling bei Vocals oder brutales Zerren bei Drums und Bass – der 676 zeigt sich in der Praxis vielseitig, schnell und markant, durchaus wie das Original! Wobei, bekanntermaßen gibt es ja auch hier verschiedenste Iterationsstufen und Sounds. Für mehr tiefergehende Nerd-Infos empfehle ich die beiden Artikel meines Kollegen Nick Mavridis.

Ansonsten würde ich gern kurz was zur Gegenkopplung sagen wollen. Falls einem das zu technisch wird, kann man aber auch direkt in die Praxis Sound springe. Allerdings ist es ja manchmal schon ganz hilfreich zu wissen, was da so alles technisch genau passiert, wenn man am Gain kurbelt.

Kurz erklärt – was passiert bei Gegenkopplung?

Die Gegenkopplung (engl. negative feedback) ist ein klassisches Prinzip der Verstärkertechnik. Dabei wird ein Teil des Ausgangssignals in der Polarität invertiert zurück an den Eingang geführt. Der Effekt:

  • Erhöhte Linearität – das System korrigiert sich selbst, Verzerrungen werden reduziert
  • Geringerer Rauschpegel, konstanteres Frequenzverhalten
  • aber auch geringere Verstärkung – je mehr Gegenkopplung, desto niedriger der Gain

Im 676 wird die Stärke der Gegenkopplung beim Vorverstärker über den Gain-Schalter des Preamps gesteuert. Technisch wird dabei ein Teil des Signals dabei über einen Widerstandsteiler auf den Gitteranschluss der ersten Röhre zurückgeführt. Klanglich ausgedrückt:

  • Viel Gegenkopplung = neutraler, sauberer, hi-fi-ähnlicher Klang
  • Wenig Gegenkopplung = mehr harmonische Verzerrung, lebendiger, wärmer, „färbender“ Klang

Aber Achtung!

Beim 1176-Kompressor kommt kein negativer Feedback-Loop zur Linearisierung zum Einsatz. Hier erfolgt die Regelung über einen Feldeffekt-Transitor (FET) im Signalweg, der von dem mit Attack/Release formbaren Sidechain beeinfluss wird. So entsteht auch die extrem schnelle und programmdynamische Kompression – gerade weil eben nicht auf die trägere, stabilisierende Wirkung der Gegenkopplung gesetzt wird. Kurzum: im Preamp gibt es Gegenkoppelung – im Kompressor jedoch nicht.

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