Praxis
Betrachtung
Behringer gehen die Reproduktion ausgesprochen Werkstreu an, sodass der Vocoder VC340 in Bezug auf die Bedienelemente identisch mit dem Original ist. Unterschiede finden sich allein im Formfaktor, der im Wesentlichen der um eine Oktave geschrumpften Tastatur geschuldet ist – die dafür allerdings über Anschlagdynamik verfügt, die sich bei Bedarf auch deaktivieren lässt – und der neu hinzugekommenen MIDI- und USB-Schnittstelle. Tatsächlich könnte man den VC340 auch problemlos mit der Bedienungsanleitung des Originals in Betrieb nehmen – so groß ist die Ähnlichkeit.
Dabei erschließt sich einem das Keyboard ohnehin weitgehend, ohne ein Blick in das Handbuch werfen zu müssen: Links regelt man die Kopfhörerlautstärke, dann folgt ein Fader zum Adjustieren des externen Signals sowie ein Mischer, mit dem man über die Lautstärken vom Mikrofon-Direktsignal, Human Voice und Strings herrscht. Dem folgt eine Vibrato-Sektion die auf Vocoder und Human Voice wirkt.
Dann folgt der Vocoder mit den Parametern „Tone“ und „Mic Level“, sowie zwei Tastern, mit denen man ihn auf die untere (Lower) oder obere (Upper) Hälfte des Keyboards adressiert und einem Ensemble-Switch, der dem Signal einen schönen Chorus-Effekt appliziert. Zentral sitzt die Klangsteuerung der „Human Voice“ für das untere Register können hier mit Tastern die Sounds „Male“ in den Oktavlagen „8′ und 4’“ eingestellt werden, im oberen dann „Male 8’“ und „Female 4’“.
Auch hier findet sich ein „Ensemble“-Taster, flankiert von einem „Attack“-Fader. Auf alle drei Sektionen der Klangerzeugung wirkt der dann folgende „Release“-Fader. Nach rechts schließt das Bedienfeld mit der Strings-Sektion ab, die in „Attack“ und „Tone“ (High/Low) regelbar ist, und/oder dem oberen und unteren Keyboardbereich zugewiesen werden kann.
Das bedient sich bis hier hin wirklich wie von selbst – stellenweise hilft ein Blick auf das elegant ins Layout eingebundenen Signalfluss-Diagramm. Allein die links neben der Tastatur sitzende Pitch-Sektion bedarf ein klein wenig Erklärung, denn sie kennt drei Modi: Auto, Off (External Control) und Manual. Grundsätzlich geht es hier um die Beeinflussung der Tonhöhe.
Wie weit hier der Bereich zwischen null und einer Oktave liegen soll, regelt man mit dem „Pitch Set“-Poti. Steht der Schalter auf „Auto“ zieht das Keyboard mir wählbarer Geschwindigkeit (Time: Short/Long) zur neuen Tonhöhe. Steht der Schalter auf „Manual“, regelt man mit dem Pitch-Fader zwischen „Down“ und „Normal“. Ist „Off (External Control)“ ausgewählt, erfolgt das Pitchbending über ein externes Schweller-Pedal.
Erstaunlicherweise erschien mir beim Spielen das Aktivieren der „Fixed Velocity“ – das Deaktivieren der Anschlagdynamik – deutlich authentischer. Klar, das Original hatte ja auch keine Velocity. Chöre und Streicher werden dadurch einfach „stabiler“ und bestimmter. Hierzu ist dann allerdings doch ein seltener Blick ins Handbuch erforderlich, um zu erfahren, dass man dazu beim Einschalten beide Ensemble-Tasten gedrückt halten muss.
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Klang
Betrachten wir den Klang des VC340 mal in seinen Einzelkomponenten, und beginnen unsere Hörprobe direkt mal mit dem vielleicht spannendsten Part – dem:
Vocoder
Um den Vocoder in Betrieb zu nehmen, genügt es, ein dynamisches Mikrofon mit dem Eingang zu verbinden, den „Mic Level“ bis zu dem Punkt zu bewegen, ab dem die grüne LED einen konsistenten Eingangspegel signalisiert, und danach einfach auf dem Keyboard zu spielen. Optional gleicht man den Klang noch durch den bipolaren EQ in Richtung „high“ oder „low“ an.
Positiv fallen sowohl die gute Sprachverständlichkeit, wie auch eine – im Gegensatz zu vielen Artgenossen (besonders den digitalen) – gewisse Gutmütigkeit in der Ansprache auf. Gerade dann, wenn die gesungene Tonhöhe identisch mit dem gespielten Ton ist, neigen viele andere Vocoder oft zu einem etwas spitzen Resonanzverhalten.
Nicht so der VC340: Er pariert eingehendes Audiomaterial – egal ob Stimme oder andere externe Klangquellen – mit einer sehr musikalischen Gelassenheit, die bewirkt, dass man hier beherzt in die Tasten greift. Das gilt übrigens auch für akkordische Schichtungen: Beim Wechsel von Mono-Linien zu mehrstimmigen Akkorden kommt es zu keinen Sprüngen in der Lautstärke – sehr gut.
Ursächlich hierfür ist die mit lediglich 10 Bandpass-Filtern ausgestattete Filterbank. Andere Modelle gehen hier mit deutlich mehr Bändern zu Werke (z. B. Korg VC-10: 20, EMS Vocoder 2000: 16, Moog Vocoder: 16), was für eine größere Schärfe und Präsenz sorgt.
Bei Bedarf lässt sich das Vocoder-Signal (und der Chor) durch ein Vibrato mit wählbarer Verzögerung, Stärke und Geschwindigkeit und dem schönen Ensemble-Chorus noch weiter verfeinern. Leider fehlt der Vocoder-Schaltung ein Release, sodass der Klang aufhört, wenn kein Eingangssignal mehr anliegt. Darüber hinaus kann auch eine externe Signalquelle als Carrier-Signal herangezogen werden, wobei hier, wie bei allen Vocodern gilt: Je obertonreicher, desto besser.
Human Choir
Natürlich erwartet einen hier nicht ansatzweise das, was mit moderner Sampling-Technik an Chor-Reproduktionen möglich ist, sondern das, was 1978 auf analogem, synthetischen Weg als Vocal-Simulation möglich war. Und das waren eben – im Rahmen des Möglichen – in vokaler Richtung, gefilterte Sägezahnschwingungen.
Gerade auf dieser Abstraktionsstufe wird es dann allerdings wieder gut, weil es eben so authentisch ‚retro‘ klingt – eben genauso, wie etwas, was vor langer Zeit mal versuchte, wie ein Chor zu klingen. Besonders hier bewirkt der Ensemble-Chorus dann eine dramatische Klangverbesserung.
Sobald man ihn aktiviert hat, fangen die gespielten Akkorde wunderbar an zu schweben und erhalten eine gewisse analoge Lebendigkeit. Hier versteht man sofort, warum viele Musiker dieser Zeit ihr schweres Mellotron lieber im Studio ließen und stattdessen den Roland mit auf die Bühne nahmen.
Strings
Ähnlich wie beim Chor deuten auch die Streicher nur eine entfernte Verwandtschaft mit Legato-Streichern an und sind dennoch ausgesprochen schön – nämliche schöne klassische Synth-Strings. Die Anleitung und auch das Flussdiagramm geben keine Auskunft, ob sie fest eingestellt durch den Ensemble-Effekt laufen. Aufgrund der konstanten Schwebungen bei liegenden Akkorden gehe ich aber stark davon aus.
Besonders im Zusammenspiel der drei Elemente Vocoder, Chor und Strings entstehen dann mächtig(e) retroeske Klangepisoden, die – so beschränkt die klanglichen Möglichkeiten auch sind – durchaus inspirierend wirken.
Etwas gewöhnungsbedürftig: Lässt man alle Tasten bei langer Release- und Attack-Zeit los, resettet jede neu gespielte Note, oder Akkord die Hüllkurve, und schneidet nachklingende Noten des vorher Gespielten ab. Interessanterweise adaptiert man das aber beim Spielen recht schnell und gewöhnt sich eine gewisse „Sleazieness“ während des Spielens an. Sprich: Man überbindet Akkorde, um die nötige Weichheit im Übergang zu erreichen.
Klanglich ebenfalls etwas eigen: Ein mittellanges Release produziert in Verbindung mit dem Chorus, nach dem Loslassen der Tasten, ein leichtes „Shatter-Echo“. Die Duplikate, die das Eimerketten Delay (BBD-Delay) für den Chorus erzeugt, klingen also noch etwas nach.
Ein bisschen Nacharbeit empfiehlt sich auch im Bereich des EQ-ings, denn der Behringer VC340 neigt in seinem Gesamtklang zu etwas scharfen, näselnden Hochmitten – das macht es durchaus authentisch und ist für das Klangbild vergangener Tage sicherlich nicht unerheblich. Heutige Produktionen zähmt man an dieser Stelle aber dann doch für gewöhnlich mit dem Multiband-Kompressor.
Persönliche Gedanken
Braucht man das denn? Eigentlich hatte ich eingangs die feste Absicht, dem Behringer Vocoder VC340 zwar wohlwollend entgegenzutreten, gleichzeitig aber auch zu hinterfragen, ob es wirklich sinnvoll ist, im Jahr 2019 ein Instrument nachzugestalten, das mittlerweile 40 Jahre auf dem Buckel hat und dessen klanglichen Möglichkeiten bereits vollständig ausgeschöpft sind.
Auch vor dem Hintergrund, da heute so gut wie jede DAW über einen integrierten Vocoder verfügt, von Plug-ins, wie iZotope VocalSynth, TAL Vocoder oder Waldorf Lector ganz zu schweigen. Auch ein Novation MiniNova oder ein Korg MicroKorg können – blickt man auf die Feature-Liste – einfach mehr.
Im Laufe des Tests musste ich meine Haltung allerdings korrigieren, denn – klangliche Innovation hin oder her – es macht auch heute noch einfach Spaß dieses Instrument zu spielen. Das liegt vor allen Dingen daran, dass der VC340, wie auch schon sein Vorbild, ein zugängliches Konzept hat, von dem eine gewisse Spielfreude ausgeht.
Hinzu kommt der bestechende Nostalgie-Faktor, den Behringer hier für einen sehr attraktiven Preis ziemlich gut umgesetzt haben. Denn, gerade durch das Spielen am VC340 und Ausprobieren der verschiedenen Split-Möglichkeiten, merkt man plötzlich, warum bestimmte Akkordschichtungen in vielen Klassikern so gespielt wurden, wie sie klingen.
Video: Behringer Vocoder VC340 Sound Demo (no talking)
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