Producer Mark Needham (u.a. Chris Isaak, Shakira, My Chemical Romance) hat erneut mit uns gesprochen. Neben allgemeinen Fragen zur Musikproduktion hat er 5 Antworten auf Fragen im Gepäck, die sich explizit mit den Lead Vocals beschäftigen.
Interview mit Mark Needham
Hallo Mark, danke, dass du dir erneut die Zeit nimmst und wieder bei bonedo vorbeischaust. In deinem letzten Interview hast du ja bereits Einblicke in deine langjährige Erfahrung als Top-Profi geteilt.
Dieses mal schauen wir uns deinen persönlichen Workflow noch etwas genauer an. Während eines Mixes hast du es mit dutzenden Spuren zu tun. Da kommen nicht selten 300 Tracks zusammen, wie beispielsweise beim ersten Album der Imagine Dragons. Wie organisierst du solch große Sessions?
Ich lege grundsätzlich alle Spuren in etwa der gleichen Reihenfolge an – Kick, Snare Overhead L/R, Ride, Hi-Hat, High Tom, Low Tom… Ich finde, dass mir ein gleichbleibender, standardmäßiger Aufbau zu jedem Zeitpunkt den gewünschten Zugriff ermöglicht, insbesondere wenn es schnell gehen muss. Normalerweise lege ich keine Submixe an. Bei manchen Projekten schicke ich aber dennoch ein paar Spuren durch einen Submix. Für gewöhnlich habe ich aber lieber Einzelspuren vorliegen.
Wenn es um Musikstile geht, bist du ein wahrer „Hans Dampf in allen Gassen“. Deine Mixe und Produktionen sind extrem breit gefächert und divers. Vielleicht liegt gerade darin der Erfolg begründet, den du in den letzten 35 Jahren im Geschäft hattest. Aber ist das nicht eine harte Vorstellung für Neueinsteiger im Bereich Mix und Produktion? Ich meine, in etlichen Business-Ratgebern ist das Gegenteil nachzulesen: dass man nämlich nach einer Nische suchen sollte. Welchen Ansatz würdest du aufstrebenden Talenten empfehlen?
Der Nischen-Idee kann ich nicht zustimmen. Wenn solch eine Nische mal aus der Mode kommt, wirst Du einfach nicht mehr angesagt oder relevant sein. Die Musik integriert heute so viele verschiedene Stile… Ich glaube, da kommt es mir zugute, dass ich über die Jahre mit so vielen verschiedenen Stilen gearbeitet habe. So kann ich sie in meine Mixes integrieren, wo immer sie passen, und die Künstler können davon profitieren. Ich denke, das ist ein echter Pluspunkt für die Künstler. In deinen Mixes kommen auch etliche Fader-Rides vor – insbesondere wenn es um Vocals geht.
Ist das für dich das Ende der Fahnenstange oder automatisierst du auch den Master-Fader?
Da der Master-Fader hinter meinem Buss-Kompressor greift, kann ich mit ihm problemlos Fader-Rides machen. Sie sind natürlich von Song zu Song unterschiedlich, aber in der Regel gehe ich von der Strophe zum Chorus 1,8 dB rauf. Der Trick liegt darin, das Ganze ganz natürlich klingen zu lassen.
Mark, in deinem Outboard-Rack befinden sich drei Dolby-A-Rauschunterdrücker. Für manchen Engineer sind das Relikte aus den 80ern. Erzähl uns doch mal etwas über diese Geräte.
Ich habe ein Stereopaar, das ich standardmäßig belassen habe, und ein Gerät mit dem bekannten „John Lennon-Mod“, bei dem die unteren beiden Bänder deaktiviert sind. Zur Zeit habe ich sie komplett aus meinem System genommen, einfach um ein wenig Veränderung rein zu bringen. Wenn ich sie einsetze, dann eigentlich ausschließlich für Lead Vocals, um ihnen mehr Top-End und Grit zu verleihen.
5 Tipps von Mark Needham
1. No Limits – gib dem Vocal-Track, was er braucht
Verwende so viele verschiedene Plug-Ins mit unterschiedlichen Funktionen auf den Vocals, wie das Signal benötigt. Was ich meine ist: Wenn der Gesang Probleme mit S-Lauten hat, versuche es mit zwei De-Essern – einen mit einem breiten und einen mit einem schmalen Frequenzband.
2. Kompressor-Punch
Manchmal ist in einem Chorus extrem viel los. Du kannst versuchen, den Vocals Extra-Punch zu verleihen indem du einen 1176-Kompressor einsetzt, mit schnellem Release und mittlerer Attack-Dauer, bei einer Kompressionsrate von 4:1. Dadurch bekommen die Vocals mehr Punch.
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3. Equalizer-Spezialisten – nicht immer alles mit dem gleichen EQ bearbeiten
Und du solltest auch nicht davor zurückschrecken, verschiedene EQs einzusetzen. Du könntest es etwa mit einem SSL-Channel für das Top-End und die oberen Mitten versuchen, einen Maag-EQ einsetzen, der ein halbes dB bei 2,5 kHz hinzufügt, und einen Pultec-EQ verwenden, mit dem du zusätzliches Low-End erzeugst.
4. Dreckig = lebendig
Dahinter kannst du dann einen Distressor einfügen, um ein wenig Grit zu bekommen.
5. 3D-Sound
Damit die Vocals „dreidimensionaler“ klingen, reicht es manchmal schon, das Ganze durch einen Chamber-Hall mit Pre-Delay zu schicken.
All diese Schritte habe ich auf einen ganz bestimmten Gesang bei einem ganz bestimmten Song angewendet, an dem ich gerade arbeite. Und ich würde dieses Vorgehen nicht exakt auf einen anderen Gesang übertragen. Dennoch lassen sich einige dieser Elemente auch auf andere Vocals übertragen, sofern erforderlich. Wie du siehst, handelt es sich bei den genannten Schritten um Mittel, die nur diesem Gesang den ganz besonderen Sound geben. Das kann bei anderen Vocals schon wieder völlig anders aussehen.
Ich höre einfach dem Gesang zu und achte auf die Stimmung des Songs. Dann versuche ich Hall oder Delays einzubringen, die die Stimmung zur Geltung bringen, die der Song zu vermitteln versucht.
Dabei kann es sich um eine Ballade handeln, die ganz entspannt daherkommt und deshalb eine längere Release-Zeit beim Kompressor oder überhaupt keine Verzerrung benötigt. Oder vielleicht ein per Pre-Delay verzögerter Hall… Oder vielleicht handelt es sich um einen aggressiveren Song, der geringere Release-Zeiten des Kompressors, etwas Verzerrung und eventuell ein bisschen Slap-Delay erfordert.
Mit diesen Beschreibungen will ich nur klar machen: Meiner Meinung nach gibt es keine allgemeingültigen Regeln. In der Tat lautet meine einzige Regel: Klingt der Song dadurch besser und kommt dadurch die Stimmung besser rüber, die der Künstler erzeugen wollte? Sofern das der Fall ist, dann habe ich meinen Job richtig gemacht!