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Besser Mixen – Signalkette Lead Vocals

Mike Senior ist eine der ersten Adressen, wenn es um Reviews professioneller Mixes geht.

„Es ist weit verbreitet, Kompression und Hall reflexartig auf jeder Spur zu verwenden. Aber nicht jede Spur benötigt Kompression.“ (Mike Senior)
„Es ist weit verbreitet, Kompression und Hall reflexartig auf jeder Spur zu verwenden. Aber nicht jede Spur benötigt Kompression.“ (Mike Senior)

 Meine Lieblingskolumne von im Magazin Sound On Sound ist „The Mix Review“ von Mike. In diesen hochinteressanten Artikeln hat er mittlerweile weit über 200 Mixes analysiert. Uns stand er für ein Interview bereit und hat auch 5 Tipps mitgegeben, die für die Musikproduktion eine große Hilfe sein können.

Inhalte
  1. Interview mit Mike Senior
  2. 5 Tipps von Mike Senior

Interview mit Mike Senior

Mit all deiner Erfahrung in Sachen Mix-Analyse… Was denkst du: Gibt es eine geheime Erfolgsformel im Hinblick aufs Mixen? Oder gibt es zumindest ein paar Schlüssel-Elemente, die wir alle ins Auge fassen sollten, egal in welchem Genre wir auch unterwegs sind?
Nun ja, wenn sich eine Sache beim Vergleich so vieler Mixe herausgestellt hat, dann die, dass es so etwas wie „Standard“-Praktiken nicht gibt. Auch in den Mainstream-Stilen haben verschiedene Mixing Engineers verschiedene Geschmäcker und Persönlichkeiten – was meiner Meinung nach auch genau so sein muss, wenn sich die Musikproduktion weiter entwickeln soll. Auf dem Weg zu einem tollen Mix geht es eher um die Einstellung und den richtigen Ansatz als um bestimmte Techniken. Auch musst du einfach hören können, was du in deinem Studio machst. Du musst einen Weg finden beurteilen zu können, wie das, was du in deinem Studio hörst, sich zu dem verhält, was der Rest der Welt hören wird. Und du musst einen Weg finden verlässliche Mix-Entscheidungen zu treffen, die du nicht fortwährend anzweifeln musst. Konkret bedeutet das, dass du ein wirklich offenbarendes Monitoring benötigst, du die Abmischungen auf einer Reihe verschiedener Abhörsysteme checken solltest und deine Arbeit mit passenden kommerziellen Releases als Referenzen vergleichen musst.
Auf deiner Homepage bietest du eine kostenlose Sammlung von Multitrack-Dateien an. Etliche Nutzer posten ihre Mixes dieser Dateien in deinem Forum, im darauf Feedback zu bekommen. Du hast also schon so einiges Anfänger-Mixes gehört. Was würdest du sagen … Was sind die am weitesten verbreiteten Fehler, die Einsteiger im Mix immer und immer wieder machen?
Wie schon angesprochen ist das wohl am häufigsten auftretende Problem, dass viele Leute ihren Mix nicht gegen irgendetwas anderes gegenhören. Das Referenzieren ist – ehrlich gesagt – die mächtigste Waffe, wenn man seine Mixes verbessern möchte. Darüber hinaus kommen aber auch viele durch Verpolungs-und Phasenprobleme von einem erfolgversprechendem Weg ab. Einfach mal die Phase im Mix zu checken (im Kontext, nicht Solo!) kann so viele Probleme vermeiden.
Ein weiteres Problem auf das ich häufig stoße ist, dass Leute im Solo-Modus EQen. Sie wenden alle ihre Lieblingsfrequenzen auf jedes Instrument an, wodurch es zu einer Art Frequenz-Wettrüsten kommt – üblicherweise in der Region zwischen 3 und 4 kHz oder im Lowend unterhalb von 100 Hz. Es ist auch weit verbreitet, Kompression und Hall reflexartig auf jeder Spur zu verwenden. Aber nicht jede Spur benötigt Kompression und nicht jeder Mix bietet ausreichend Raum für Hall. Versuch’ mal, einen Mix ohne diese Bearbeitungen zu machen und frag dich dann, ob noch irgendetwas fehlt.
Und wie wichtig, denkst du, ist die Instrumentierung für einen guten Mix? Sollte sich ein Mix-Engineer die Freiheit herausnehmen, in die Instrumentierung einzugreifen, um den Mix voran zu bringen?
Instrumentierung und Arrangement sind ganz entscheidend für einen guten Mix. Eine gut arrangierte Produktion mischt sich praktisch wie von selbst, wohingegen ein schlechtes Arrangement das Abmischen zur reinsten Qual macht, selbst wenn Aufnahmequalität und Performances überragend sind. Ich denke, heutzutage erwarten die meisten Künstler von einem Mix-Engineer, dass er ein fertiges Produkt abliefert, ganz unabhängig davon, was man ihm in die Hände drückt. Und zumindest für mich heiligt der Zweck da die Mittel. Wenn ich denke, dass es dem Künstler zugute kommt, wenn ich miteinander in Konflikt stehende Teile im Arrangement stummschalte oder indem ich ein paar Instrumente oder Soundeffekte zusätzlich einbringe, dann mache ich das eben. Aber es hängt von den Erwartungen des Kunden ab – eine Menge Leute kommen zu mir, weil sie den kreativen Input haben wollen, den sie in meinen Remixes für die „Mix Rescue“-Kolumne im Sound On Sound-Magazin kennengelernt haben. Deshalb weiß ich in einem solchen Fall, dass ich mich in ruhigem Fahrwasser befinde, selbst wenn ich stark eingreife.
Ich glaube aber nicht, dass man dafür theoretisches Wissen um Arrangements oder Orchestrierung benötigt (auch wenn das alles deutlich beschleunigt) – bei den meisten Veränderungen, die ich während des Mixens an Arrangements vornehme, geht es nicht um mehr als um das Drücken von Mute-Knöpfen, womit nun wirklich jeder experimentieren kann! Wenn du deine eigene Musik aufnimmst, solltest du versuchen, wie ein Mix-Engineer zu denken, der von außen dazu kommt, und nicht zu viele Instrumente um die selben Frequenzbereiche zugleich kämpfen zu lassen. Versuch’ auch so früh wie möglich dem angestrebten Sound nahe zu kommen, denn dann wird es einfacher zu beurteilen, ob es in deinem Mix Platz für weitere Instrumente gibt, die du hinzufügen möchtest.
Kommen wir zu etwas ganz Anderem … In größeren professionellen Studios kümmert sich ein Assistent darum, dass die verschiedenen Mixes und Spuren archiviert werden. Das Spektrum reicht da vom Archivieren eines finalen Mixes und das Sichern verschiedener Mix-Versionen über Up- und Down-Mixes (z. B. Vocal-Up oder Bass-Down) bis hin zum separaten Exportieren aller Spuren (manchmal inklusive der Send-Effekte). Zusätzlich kann man noch Stems exportieren… und so weiter und so fort. Wie sehr sollten Homerecording-Fans und profesionelle Engineers hierbei ins Detail gehen?
Für Hobbymusiker gibt es meiner Meinung nach kaum Vorteile, wenn sie Stems oder Einzelspuren archivieren, sofern sie diese nicht später als Playback-Tracks für Live-Gigs verwenden möchten oder sie für EDM-Remixes anliefern. Unterschiedliche Stereo-Mixes anzufertigen lohnt sich da aus meiner Sicht schon eher, weil durch sie viel mehr Verwendungsmöglichkeiten möglich werden, und du dann nicht sicherstellen musst, dass alte Projekte auch auf einem neuen Computersystem geladen werden können – was stets Probleme mit sich bringt! Auf einer professionelleren Ebene sind nach oben keine Grenzen gesetzt was Stems angeht, aber es kann sehr zeitraubend werden. Deshalb sollte das schon bei der Kostenaufstellung berücksichtigt werden. Persönlich kümmere ich mich fast nie um Stems, es sei denn, der Kunde verlangt es.

5 Tipps von Mike Senior

1. Magic Mic – Mikrofonauswahl ist das A und O

Das ist eine echt weitreichende Frage. Um ehrlich zu sein, sind für mich die Auswahl und der Einsatz des Mikrofons das Wichtigste. Wenn das Mikrofon nicht zur Stimme des Sängers passt, dann kann das Mixen zum absoluten Albtraum werden! Und glaub’ bloß nicht, das teuerste Mikrofon wird automatisch am besten klingen, denn allzu oft ist das nicht der Fall. Normalerweise platziere ich das Mikrofon ein wenig ober- oder unterhalb der Lippenhöhe (um Zischlaute nicht überzubetonen) und richte dann die Mikrofonentfernung so ein, dass ich die gewünschte Klangfarbe erhalte – ein variables Hochpassfilter am Preamp kann dabei hilfreich sein, den Nahbesprechungseffekt in den Griff zu bekommen.

2. Orientierungshilfe Poppfilter verhindert eines der schwierigsten Probleme im Mix

Ein Poppfilter kann verhindern, dass sich der Sänger während der Performance zu viel bewegt – eines der schwierigsten Mix-Probleme, das überhaupt auftreten kann, wenn sich der Stimmklang aufgrund des Nahbesprechungseffekts durch Bassanhebung und sich changierender Einsprechrichtung sporadisch verändert.

3. Beim Recording Dynamik kontrollieren

Sofern möglich, würde ich einen Kompressor einsetzen, den Pegel aber nicht um mehr als 3 bis 6 dB stauchen, bei einem Verhältnis von 2:1 und mit mittlerer Releasezeit, um die Zischlaute nicht zu verstärken.

4. Den Keller fegen – HPF benutzen

Was EQ angeht, würde ich auf ein Hochpassfilter setzen, nur um tieffrequentes Rumpeln zu entfernen. Wenngleich ich es normalerweise auch nutze, um die Bassanhebung des Nahbesprechungseffekts im Zaum zu halten, während ich die Mikrofonierungsdistanz einrichte. Das kannst du dir selbstverständlich auch bis zum Mix aufheben.

5. Zeit für Feinheiten – beim Recording, Editing und Mixing von Gesang enorm wichtig!

Jenseits dieser technischen Dinge macht die meisten kommerziellen Vocals aus, dass große Sorgfalt und Acht auf ihre Takes und deren Montage gelegt wurde – hierbei wird in Projektstudios viel zu früh aufgegeben. Bei Lead Vocals für einen Mainstream-Song gehe ich zum Beispiel davon aus, dass es mindestens acht Takes gibt. Und das bedeutet normalerweise, dass man das gesamte Material einige Stunden lang durchhören und editieren muss. Man muss schon sagen, dass das nicht unbedingt der spannendste Job, aber in Profi-Kreisen gang und gäbe ist. Und es würden sicher nicht so viele Engineers permanent darauf setzen, wenn es nicht so einen riesigen Unterschied machen würde. Ich habe letztens genau darüber im Sound On Sound-Magazin eine „Session Notes“-Kolumne gemacht, in der ich mit einer Band zusammengearbeitet habe, um deren Lead Vocals für einen Song aufzunehmen und zu bearbeiten – das kannst du (kostenlos) hier nachlesen und dir die Ergebnisse anhören.

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