Praxis
Altus, the Voice of Renaissance
Dieses erste Klangprogramm der Kategorie Voice bildet quasi den Kern der Library. Hören wir uns ein erstes Audiobeispiel an, in welchem eine Melodie in allen fünf Vokalen im Solo Mode „gesungen“ wird. Der Tonumfang dieses Klangprogramms umfasst die Noten H2 bis C4 und wird in dem Audiobeispiel annähernd komplett ausgeschöpft (höchste Note: H3).
Was fällt auf? Zunächst einmal die einzigartige Ästhetik des Gesangs sowie die überwiegend natürliche Anmutung. Bei der Gesangsmelodie handelt es sich um eine simple MIDI-Region, bei welcher lediglich die „Parameter“ Velocity und Legato-Spielweise genutzt werden, also ohne irgendwelchen Feinschliff oder Automation.
Je nach Intervall und Vokal, welcher sich im Übrigen per Key Switch auch innerhalb einer gespielten Note umschalten ließe, fallen ab und an Lautstärkeschwankungen und an wenigen Stellen leicht unnatürliche Notenübergänge auf. Solche Artefakte ließen sich durch eine Nachbearbeitung des ohnehin prominent gemischeten Gesangs auf puristischem Backing abmildern, sofern sie sich in einem komplexeren musikalischen Kontext nicht sowieso versenden. Entgegen der vibratolosen Stimmaufnahmen der Vorgänger-Library Shevannai, haben die Altus-Aufnahmen ein gesungenes Vibrato am Ende des Samples. Im Grunde wirkt dieses etwas authentischer als das vermutlich LFO-generierte der singenden Elfe. Allerdings hat man keine praktikable Echzeitbeeinflussung, wodurch der Einsatz des Vibratos an einigen Stellen willkürlich und nicht absolut authentisch wirkt. Hierbei handelt es sich definitiv um Kritik auf hohem Niveau, aber eine Wahl- oder Überblendmöglichkeit in Bezug auf Vibrato-Samples würde die Authenzität nochmals erhöhen. Welche Kontrollmöglichkeiten Altus dem Anwender bietet, sehen wir in den folgenden beiden Abbildungen:
In den beiden oberen Abbildung sehen wir zunächst eine in bester Tarilonte-Manier liebevoll-kitschig gestaltete Bedienoberfläche. Innerhalb der GUI verstecken sich rudimentäre, aber ausreichende Bearbeitungsmöglichkeiten wie etwa eine simple Lautstärkenhüllkurve und die Regelung des Hall-Anteils. Im unteren Teil der Abbildung sehen wir die von mir farbig markierten Keyzonen, welche die folgende Funktionen steuern:
Für dich ausgesucht
- Rot umrandet: Key Switch (5 Vokale a,e,i,o,u)
- Grün umrandet: Key Switch (26 Words von „Agnus“ bis „Tari“)
- Gelber Pfeil (G2): Key Switch (Hold / Sustain)
- Lila Pfeil (G#2): Key Switch (Repeat / siehe Abschnitt „Wordbuilder“)
- Blau umrandet: Spielbarer Notenbereich
- Orange umrandet: Atemgeräusche
- Gelb umrandet: „Release“-Samples / Konsonanten
In der Setup-Darstellung, oben, hingegen sehen wir in erster Linie diverse selbsterklärende Feineinstellungsmöglichkeiten, in denen man laut Bedienungsanleitung nicht allzu sehr herumpfuschen sollte. Sinnvoll ist aber auf jeden Fall die Anpassung der mittig plazierten Schwellwerte des Velocity-Switch für „Legato/Portamento“ und „Slow/Fast“ an die eigene Spielweise und Tastatur. Letzterer Parameter spielt wahlweise ein langsames oder schnelles Wort- oder Wortelement ab.
Im folgenden Audiobeispiel hören wir die drei Worte „Agnus“, „Gloria“ und „Crastina“ in jeweils unterschiedlichen Spielweisen.
Anhand der oberen Abbildung sehen wir die Spielweisen des Wortes „Agnus“ aus Audiobeispiel 02:
- Rot umrandet: Hohe Velocity = „Fast“
- Gelb umrandet: Niedrige Velocity = „Slow“
- Blau umrandet: Legato bei aktivem Solo- und Auto Vowel-Modus
- Blauer Kreis: fehlender Release-Konsonant „S“ (wg. Auto Vowel)
- Rot umrandet: Hohe Velocity = „Fast“
- Grün umrandet: Niedrige Velocity = „Slow“
- Blau umrandet: Legato bei hoher Velocity = True Legato
- Orange umrandet: Legato bei niedriger Velocity = Portamento
Das Beispiel „Gloria“ offenbart einige der teilweise auftretenden unnatürliche Artefakte und Lautstärkensprünge, welche je nach Wortelement und Intervall unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.
Wordbuilder
Dieses Feature ermöglicht das Abspielen aufeinanderfolgender Silben, Wortteile oder ganzer Worte bei erneuter Tastenbetätigung. Die folgende Abbildung zeigt die Anwahl derartiger Elemente in einen freien Wordbuilder Slot.
Jedem einzelnen Slot/Element können verschiedene Abspiel-Parameter zugewiesen werden, wodurch das Einspielen oder Kreieren von komplexen sakralen Wortfolgen möglich ist. Die bereits erwähnte Repeat-Taste (G#2) ermöglicht die Wiederholung des zuletzt gespielten Elements. Anhand der folgenden Abbildung ist zu sehen, dass für jedes vorhandene Wort sämtliche „Silben-Konstellationen“ pro Slot selektierbar sind.
Zur simplen Veranschaulichung der Vorgehensweise mit dem Wordbuilder dient folgende Abbildung in Verbindung mit dem folgenden Audiobeispiel.
Altus Phrases
Dieses Klangprogramm dient dem Abspielen bereits fertiger Phrasen. Die Samples wurden, wie auch bei den anderen Klangprogrammen, trocken aufgenommen, um gegebenenfalls einen alternativen oder externen Halleffekt sinnvoll und im gewünschten Verhältnis einsetzen zu können. In folgenden Audiobeispiel hören wir einige Phrasen inklusive dem voreingestellten Hall des Klangprogramms.
Die gesungenen Phrasen wirken auf mich authentisch und von guter Klangqualität. Lediglich einige Zischlaute, die aufgrund der Nahmikrofonierung eine höhere Präsenz haben als es bei einer Aufnahme in beispielsweise einer Kirche der Fall wäre, wirken direkt vor dem internen Hall etwas störend und unnatürlich. Dies ist weniger eine Kritik als ein gutes Beispiel dafür, einen separaten Halleffekt hinter de-essenden Maßnahmen zu verwenden, wenn man Wert auf größtmögliche Authenzität legt. Im folgenden Audiobeispiel hören wir eine komplett trockene Phrase des Klangprogramms.
Soundscapes
Diese Klangkategorie ist ein inzwischen typisches Merkmal der Libraries von Eduardo Tarilonte und bietet sich in erster Linie der atmosphärischen Untermalung von Filmen, Games und auch Musikproduktionen an. Die einzelnen Klangprogramme ähneln denen der Vorgängerprodukte sehr, wobei in dieser Library natürlich die stilbildende Stimme des Countertenors vielfach in die Klanglandschaften eingebaut wurde.
Die meistens Soundscapes sind von gewohnt hoher Qualität und Ästhetik, wobei ich es etwas schade finde, dass sich kaum musikalisch spielbare Programme (Pads etc.) in dieser Kategorie befinden. Wenn man in einigen Programmen die dissonanten Elemente/Soundeffekte per Fader reduziert, kann man sich aber den ein oder anderen Flächensound basteln, wie in Audiobeispiel 01 geschehen.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass das Arbeiten mit Best Service Altus/Kontakt Player 5 auf meinem MacBook Pro (2.66 GHz Intel Core i7, OS X 10.8.5, 8 GB RAM) absolut problemlos läuft. Die Ladezeiten sind subjektiv kurz, es treten im Gegensatz zu Engine 2, dem bisherigen Player vieler Best Service Libraries, welcher teilweise ein Finetuning bezüglich der Speicher-bezogenen Voreinstellungen erforderte, keine Knackser auf.