Beyerdynamic DT 1770 Pro Test

Praxis

Anwendungsbereich

Mehrere Faktoren kommen zusammen, die den 1770 Pro für professionelle Anwendungen qualifizieren: die geschlossene Bauweise mit ihrer Außengeräuschdämmung, die Fähigkeit, hohe Lautstärken sauber zu verarbeiten, der Tragekomfort und der Klang. All dies ist geradezu ideal für Musiker, Tontechniker und Produzenten im Studio beim Mixen, Editieren oder beim Monitoring. Für Leute, die ihren Kopfhörer des Öfteren eben mal schnell abziehen und um den Hals legen wollen, würde ich den 1770 nicht unbedingt empfehlen. Das Gehäuse ist relativ voluminös und trägt sich etwas unkomfortabel abgesetzt um den Hals herum. Obwohl er keinen ersichtlichen Abknick- oder Wegdreh-Mechanismus besitzt, kann man einen der Hörer aber hinterm Ohr auf dem Hinterkopf absetzen, ohne dass der Hörer seinen sicheren Halt verliert. Ich würde ihn aber dennoch nicht als DJ-Kopfhörer präferieren und hierfür eher Modelle mit dafür ausgelegten Mechaniken verwenden wollen.

Der 1770 ist ein voluminöser Kopfhörer, der sich nicht mal eben einfach um den Hals legen lässt.
Der 1770 ist ein voluminöser Kopfhörer, der sich nicht mal eben einfach um den Hals legen lässt.

Tragekomfort

Wie eingangs schon erwähnt, gehört der 388 Gramm schwere Kopfhörer nicht gerade zu den leichtesten Vertretern seiner Gattung. Mithilfe des beidseitig verstellbaren Kopfbügels findet man schnell eine bevorzugte Trageposition und hat zunächst einen stramm sitzenden Eindruck. Im ersten Augenblick, und von meinem bereits weichgetragenen DT 880 Pro kommend, empfand ich den Anpressdruck ein wenig hoch. Aber bereits nach ein paar Minuten legte sich dieses Gefühl. Selbst nach mehrstündigem Arbeiten trägt sich der 1770 Pro angenehm. Die besonders tiefe Bauform der Hörer trägt hier maßgeblich zum Komfort bei, denn wenn die Hörer weniger tief ausgelegt sind und die Ohrmuscheln auch nur leicht an den Kopf gedrückt werden, führt das, zumindest bei mir, nach einiger Zeit zu einem unangenehmen Ziehen am Ohr. Dies ist beim DT 1170 nicht der Fall. Außer dem Kopfhörer-Gehäuse trägt auch das angeschlossene Kabel zum Tragekomfort bei. Hier hat man dank der beiden mitgelieferten Varianten eine Auswahlmöglichkeit. Das Spiralkabel bietet sich an, wenn man sich mit dem Hörer auf dem Kopf viel bewegt, da sich ein solch ein Kabel quasi selbst an die benötigte Länge anpasst. Außerdem ist die Spiral-Variante weniger berührungsempfindlich als das gerade Kabel: Dieses überträgt Berührungen wesentlich stärker an das Kopfhörer-Gehäuse (und somit an die Ohren) als das Spiralkabel. In einer statischen Umgebung, wo man sie wenig bis gar nicht bewegt, würde ich eher das gerade Kabel bevorzugen, das es leichter ist. Beide Kabel sind durch den verriegelbaren Mini-XLR-Anschluss hervorragend sicher befestigt und machen den Eindruck, als würden sie auch einen Langzeittest ohne Kontaktprobleme bestehen.

Klang

Es ist wie beim Kochen eines Festmahls: Erst langes Vorbereiten und Abmühen in der Küche, und danach darf dann endlich gegessen werden. Wie schmeckt – entschuldigung – klingt der Beyerdynamic DT 1770 Pro? Beim Aufsetzen tritt zunächst einmal der typische Abgeschirmtsein-Effekt durch das Gehäuse ein, wie man ihn von geschlossenen Kopfhörern eben kennt. Dies liegt an der höheren Außengeräuschdämmung im Vergleich zu halboffenen oder offenen Bauformen. Liegt aber erst einmal ein Signal an, vergisst man schnell, dass man ein geschlossenes Gehäuse um die Ohren hat.
Der 1770 Pro klingt dank ultraklaren Höhen erstaunlich offen. Er ist lauter als meine anderen Kopfhörer, und klingt sofort auffallend bassig und höhenreich, ein Schönklang-Monster! Die räumliche Abbildung und das saubere Stereobild lassen einem gar keine Zeit, um über die Vor- oder Nachteile von geschlossenen Kopfhörern nachzudenken, und schon nach den ersten paar schnellen Sprüngen zwischen meinen Lieblingstiteln befinde ich mich im Höreindruck-Sammelwahn, und kann es kaum erwarten, mich durch viele andere Stücke zu hören, da ich fast den Eindruck habe, zum ersten Mal zu hören, wie diese Stücke tatsächlich klingen.

Frequenzgang

Der Frequenzgang klingt für mich druckvoll bassig, mit relativ untervertretenen, leisen Mitten, und ausgeprägten Höhen. Ein bisschen fühle ich mich an die Loudness-Taste an Stereoanlagen erinnert. Die bei vielen anderen geschlossenen Kopfhörern typische Mittennase, die meist nach unangenehmer Gehäuseresonanz klingt, ist hier nicht zu hören. Die mittleren Frequenzbereiche, also von etwa 300 Hz bis 1 kHz, könnten für meinen Geschmack 1-2 dB lauter sein, aber was da ansonsten an meine Trommelfelle dringt, lässt mich an meinen bisherigen Kopfhörern zweifeln. Ein satter, nicht verwaschener Bass, und knackige, präzise Höhen, wie ich sie bisher nur selten gehört habe. So macht Hören Spaß!
Einzig für das Hören von Orchestermusik, die mit vielen großen Streichergruppen besetzt ist, oder sagen wir mal die Musik, die gemeinhin als klassische Musik bezeichnet wird, würde ich den 1770 Pro nicht empfehlen. Die durch den – überspitzt ausgedrückt – smiley-artigen Freqeunzgang empfundene Mittenarmut bekommt warm-mittiger Musik nicht so gut. Ob ich nun das rockende „Sacre du Printemps“ von Stravinsky anhöre, oder Jarres „Lawrence of Arabia“, auffällig leise empfinde ich die Streicher, und die präzisen Attacks des Blechs und des Holzes als zu aufdringlich. Hier ist die Präzision der Tesla2.0-Treiber eher unruhestiftend und nimmt den Stücken ihren in den Mittenfrequenzen liegenden akustischen Schwerpunkt.  

Der Beyerdynamic klingt hervorragend, besitzt aber einen leichten "HiFi"-Frequenzgang.
Der Beyerdynamic klingt hervorragend, besitzt aber einen leichten “HiFi”-Frequenzgang.

Impulsverhalten

Die Rim-Clicks meines Abhör-Referenz-Stückes „The Hounds of Winter“ von Sting klingen genauso pointiert, wie sie von Vinnie Colaiuta wahrscheinlich gedacht waren. Ein Traum! Solch sauber klingende Transienten kenne ich ansonsten nur von rein akustischer Livemusik oder von Manger-Boxen. Dem DT 1770 Pro gelingt diese Präzision dank Beyerdynamics neuester Tesla 2.0 Schwingspulen-Technologie, und zwar durch die Bank weg bei allen Musiktiteln, die ich mir darauf anhöre.

Räumliche Abbildung

Der 1770Pro lässt in Sachen Stereobild und Tiefenstaffelung keine Wünsche offen. Ich kann keine Unausgewogenheit heraushören und würde diesem Kopfhörer sogar eine nur sehr geringe Im-Kopf-Lokalisierung zugestehen. Im Vergleich zum geschlossenen AKG K270 höre ich auch kein übertrieben breites Stereobild. Der K270 klingt fast gegenphasig im Vergleich zum 1770er; Signale, die im Panorama wandern, wabern im K270 fast undefinierbar durchs Klangfeld, während der 1770 alles präzise ortbar abbildet. Setzen, Eins!

Kommentieren
Profilbild von Danny Who

Danny Who sagt:

#1 - 05.09.2015 um 22:59 Uhr

0

Schöner Test. Ein Klangvergleich mit dem 770 Pro sowie 880 Pro würde mich noch interessieren.

    Profilbild von Patric Louis

    Patric Louis sagt:

    #1.1 - 17.09.2015 um 16:04 Uhr

    0

    Ich besitze den 880 Pro, und im dieser klingt im direkten Vergleich zum 1770:
    - bassärmer, was die schönen knackigen tiefen Bässe anbelangt, die so unterhalb von 100Hz angesiedelt sind- mittiger, vor allem Bereiche rund um 300-700 Hz sind auf dem 880Pro lauter
    -die Höhen und Transienten sind nicht ganz so impulstreu und präzise-die räumliche Abbildung ist auch ein Hauch "schlechter" als beim 1770
    Beim 880Pro ist meiner Meinung nach also "alles" ein bisschen schlechter als beim 1770Pro.
    Dazu kommt, dass der 880 nicht so gut von und nach Außen abschottet, da er halboffen ist, UND die Ohrhörer sind nicht ganz so tief wie beim 1770.

    Antwort auf #1 von Danny Who

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    +1
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David Klongg sagt:

#2 - 15.09.2015 um 20:32 Uhr

0

super, danke für den test! ich frage mich, ob der "smiley-frequenzgang" mit dem kopfhörerverstärker zusammenhängt. woran hast du den 1770 angeschlossen? vielleicht bekommt man bspw über den beyerdynamic a20 auch mehr mitten raus..?

    Profilbild von Patric Louis

    Patric Louis sagt:

    #2.1 - 16.09.2015 um 06:38 Uhr

    0

    Hallo David, habe den 1770 am RME Fireface, Mackie Big Knob, SSL Alphalink, Sampson und iPhone gegengehört. Einen a20 hatte ich nicht zur Verfügung, dazu kann ich leider nichts sagen, aber am Frequenzgang änderten die verschiedenen Quellen in meinen Ohren nichts. Die loudnessartige Kurve blieb überall gleichermaßen erhalten.

    Antwort auf #2 von David Klongg

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Matthias Marggraff sagt:

#3 - 28.10.2015 um 01:15 Uhr

0

Hallo! Über einen detaillierten Vergleichstest zum DT 770 würde ich mich sehr freuen. Danke für diesen Test hier! :)

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Bonedoleser sagt:

#4 - 28.10.2015 um 05:50 Uhr

2

Hallo,
mich würde mal interessieren, wie sich der Shure SRH940 sich gegen den Beyerdynamic schlägt. Den Shure, den ich auch selbst besitze, habt ihr ja in der Klasse 200-400 Euro als Refernz bezeichnet. Lohnt es sich mehr als das Doppelte auszugeben? Oder ist der billigere in Bezug auf den Klang villeicht sogar besser?

    Profilbild von Bonedoleser

    Bonedoleser sagt:

    #4.1 - 28.10.2015 um 11:36 Uhr

    0

    PS:
    Auch ein Vergleich mit dem Shure SRH1540, der ja in der gleichen Preisklasse wie der DT 1770 liegt würde mich interessieren.
    Vielleicht könnt ihr ja mal einen Vergleichstest in der Liga 500-1000 Euro machen.
    Danke auf jedenfall schonmal für den Test hier!

    Antwort auf #4 von Bonedoleser

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