Praxis
Es gibt unter euch Lesern jetzt sicher einige, die in sich hineingrinsen und denken: „Ich arbeite schon seit vielen Jahren mit diesem Mikrofon. Und ich weiß auch warum.“ Diese Aussage kann ich verstehen: Generell eignen sich Achtermikrofone gut für MS- und andere Stereotechniken, sind frequenzstabil und haben eine hervorragende Off-Axis-Dämpfung, Bändchenmikrofone zählen zu gutmütigen Wohlklang-Geräten, die zwar ein wenig höhenarm sind, aber dennoch flott genug, um auch klangliche Details der Schallquellen einzusammeln. Das Beyerdynamic M 130 im Speziellen bringt weitere Eigenschaften mit, die viele andere Ribbons nicht liefern können, maßgeblich Robustheit und Kompaktheit. Beides ist nicht unerheblich, wenn ich daran denke, mit welcher Behutsamkeit ich mit meinen riesigen, empfindlichen und sehr schweren Coles herumoperieren muss. Und noch etwas ist es, was für viele hochwertige Bändchen nicht oder nur eingeschränkt gilt: Mit 500 Euro Ladenpreis ist es erstaunlich preiswert! Denn Begriffe wie „Präzisionswerkzeug Made In Germany“ und „Klassiker“ verheißen üblicherweise exorbitante Preise.
Klanglich gehört das M 130 wie sein Geschwisterchen M 160 nicht zu den brutalen Soundbuildern, die Audiosignalen ihren dicken Stempel aufdrücken. Den sehr weichen, runden, sämigen Sound amerikanischer und englischer Klassiker findet man bei Beyerdynamic nicht, aber das ist wie so oft nicht einfach positiv oder negativ zu sehen. So lassen sich beispielsweise sehr viele Unterschiedliche Signale mit einem M 130 aufzeichnen und in der Mischung verwenden, ohne dass sich das Mikrofon „nach vorne spielt“ – gut zu hören hier beim MD 421. Der Bändchencharakter ist zwar eindeutig vorhanden, jedoch zurückhaltend genug. Wenn man Einzelsignale separat betrachtet, fällt in den Höhen eine leichte Texturierung auf, die ich am liebsten mit „staubig“ benennen möchte. Diese leichte Mattigkeit gibt den Signalen – hier besonders bei den Vocals zu bemerken – einen edlen Touch. Natürlich vermisst man im Direktvergleich Höhen, doch sollte man sich bewusst sein, dass im Mixdown in vielen Signalen die Höhen beschränkt werden müssen. Und falls nicht: Das 130 verträgt die Bearbeitung mit EQs, besonders Treble-Boosts sehr gut. Und obwohl das Beyer kein typisches Vocal-Mike ist, schlägt es sich gut und lässt sich ebenso im Mix unterbringen.
Im Bassbereich kann man über den Roll-Off nur froh sein, denn als offener Gradientenempfänger hat auch das M 130 einen ausgewachsenen Nahbesprechungseffekt. Der kleine Boost zwischen 100 und 200 Hz ist auch bei weiter entfernter Mikrofonierung merklich. Gerade an Gitarren-Cabinets, einem nicht unüblichen Einsatzort für Beyerdynamic Ribbons, sorgt das für eine leichte Betonung des Grundtonbereichs und somit für ein festes, kräftiges Fundament. Der mächtige Sound kollidiert durchaus mit dem grazilen Äußeren des winzigen Schallwandlers. An Amps fühlt sich das Mikrofon sehr wohl, denn es kann einen etwas zu spitzen Sound hervorragend abrunden und „größer“ machen. An Instrumenten des Drumkits gilt das genauso, besonders Hi-Hats (hier Vorsicht mit kurzen Peaks, besonders aber Luftbewegungen durch sich schließende Becken!) beißen weniger als mit Kleinmembranern mikrofoniert. Mir persönlich behagt der „Bigger Than Life“-Sound der Coles 4038 mehr, aber das ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch der Musikrichtung. Die Beyerdynamic liefern auch am Drumkit ein deutlich flexibleres Signal. Am Kit lässt sich auch erkennen, dass das kleine Mikrofon aus Heilbronn als rotationssymmetrisch bezeichnet werden kann. Das ist nicht bei allen Ribbon-Mics so und wahrscheinlich der kurzen Doppelbändchen-Technik geschuldet.
Für dich ausgesucht
In vielen kleineren Mikrofonsammlungen fehlt noch ein Bändchen. Wird eines gesucht, welches hochwertig gearbeitet ist, nicht zu viel kostet, klanglich herrvorragende Ergebnisse liefert und gleichzeitig verschiedenste Recording-Situationen meistern kann, dann kann ich das beyerdynamic M 130 bedenkenlos empfehlen. Ich wage aufgrund des vornehmen Charakters einen Vergleich mit deutlich teureren Bändchenmikrofonen, die ebenfalls nicht den dicken Soundstempel aufdrücken: Wer Royer-Mikrofone liebt, sich aber keines leisten kann oder möchte, sollte sich ein M 130 einmal genau anhören!